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Edgar Kast: „Ich war zuerst der Verkehrskasper“
Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Siegfried Farkas
 |  aktualisiert: 31.10.2007 03:09 Uhr

Nicht alle Menschen erinnern sich gern an ihren ersten Kontakt mit der Polizei. Aber fast alle im Landkreis Bad Kissingen. Wenn man da in den vergangenen Jahrzehnten dem Gesetz erstmals unters Auge trat, dann betrachtete einen das meist mit wohlwollendem Blick. Dieser Blick umwölkte sich höchstens, wenn man beim Fahrradunterricht gerade zum fünften Male vergessen hatte umzuschauen und einem außerdem Vorfahrtsregeln und Gegenverkehr gleichgültig waren. Für den Erstkontakt mit dem Gesetz waren im Landkreis Bad Kissingen nämlich viele Jahre lang die beiden Verkehrserzieher Edgar Kast und Michael Erhard zuständig. Im Gespräch über Umschauen, Vorfahrt und Gegenverkehr erzählen sie nicht nur, was beim Radfahren wichtig ist. Sondern sie erklären auch, warum Polizei und Gesellschaft auf Leute wie sie eigentlich überhaupt nicht verzichten können.

Also Herr Kast, ich habe Sie ja schon ziemlich oft gesehen, aber noch nie auf einem Fahrrad. Sie können aber doch Rad fahren, oder?

Edgar Kast: Ich fahre eigentlich oft mit dem Rad in meinen Garten oder in Richtung Bad Bocklet. Und das auch nur mit Helm. Ich habe mit Schülern deswegen auch eine Wette abgeschlossen: Wer mich ohne Helm Radfahren sieht, bekommt 50 Euro.

Wann haben Sie denn das Radfahren gelernt?

Kast: Als kleiner Bub. Gleich beim ersten Mal wollte ich meiner Mutter zeigen, dass ich's kann und hab' sie dabei fast umgefahren.

Mit dem eigenen Rad?

Kast: Das war ein Herrenfahrrad.

War es am Anfang viel zu groß für Sie?

Kast: Ich bin gar nicht über die Stange drüber gekommen. Deshalb musste ich unter der Stange durch treten. Mein erstes eigenes Fahrrad habe ich dann zur Kommunion bekommen. Da war ich ganz stolz. Das war ein blaues Winora-Rad.

Herr Erhard, wie viele Mängel in Sachen Verkehrssicherheit schätzen Sie hatte dieses Rad aus heutiger Sicht?

Michael Erhard: Keine Frontstrahler, keine Großflächenrückstrahler, keine Speichenreflektoren – das Fahrrad wäre glatt durchgefallen. Ich hatte auch so ein ähnliches, ein silberfarbenes Stricker.

Und wie war das bei Ihnen mit dem Radfahren lernen?

Erhard: Ich habe das Radfahren auf einem Damenfahrrad gelernt. Dem meiner Mutter. Das erste eigene war dann auch vom Kommuniongeld. Da fällt mir übrigens eine Geschichte ein. Ich habe als Bub mal meinen Cousin auf dem Gepäckträger mitgenommen. Da hat uns der damalige Leiter der Polizeistation Münnerstadt angehalten und gesagt, das würde jetzt fünf Mark kosten. Da habe ich vielleicht Angst gehabt. Er hat aber nur drohen wollen.

Sicherheitshelme haben Sie bestimmt beide nicht getragen!

Erhard: Das hat's ja noch gar nicht gegeben. Kast: Damals hatten ja noch nicht einmal Motorradfahrer einen Helm auf.

Sie sind wahrscheinlich die beiden bekanntesten Polizisten im Landkreis. Wie viele Kinder haben bei Ihnen gelernt, wie man sicher Rad fährt?

Kast: Ich habe das mal durchgerechnet und glaube, dass ich so 26 000 bis 28 000 Kinder bei 6000 Verkehrsunterrichten und 1000 Fahrradprüfungen zum Radfahren gebracht habe. Erhard: Ich schätze für mich waren es 13 000 Kinder. Kast: Die Kinder erinnern sich übrigens lange daran. Wir haben das aber auch immer zelebriert. Erhard: Und wenn einer beim ersten Mal nicht bestanden hat, ist er uns auch nicht böse. Erst heute hatten wir Nach-Prüfung und es haben alle bestanden.

Die Kinder können bestimmt nicht alles behalten, was sie bei Ihnen lernen. Welche drei Dinge sollten sie aber auf jeden Fall beherrschen?

Kast: Umschauen, Vorfahrt, Gegenverkehr – das sind die drei wichtigsten Sachen. Erhard: Genau. Kast: Wer auf diese Sachen nicht achtet, der begeht, wie wir gesagt haben, eine Tod-Sünde. Wir haben übrigens immer auch gezeigt, warum das so ist.

Was fällt Kindern üblicherweise besonders schwer auf dem Weg zum Fahrradführerschein?

Erhard: Das Umschauen ist der Hauptfehler. Vor allem das zweite Umschauen beim Abbiegen. Kast: Wir haben unheimlich viel ausprobiert, um die Kinder zu trimmen auf Umschauen und Handzeichen.

Wo tun die Kinder sich leicht?

Kast: Schnell fahren tun sie bald, zu bald. Wenn Buben ein Fahrrad haben, denken viele zuerst an die Geschwindigkeit und erst in zweiter oder dritter Linie an die Verkehrsregeln. So einen haben wir beim Verkehrsunterricht schon mal kurz aussetzen lassen.

Wenn Sie demnächst in Pension gehen, können Sie, Herr Kast, 33 Jahre, und Sie, Herr Erhard, 18 Jahre, zusammen also 51 Dienstjahre als Verkehrserzieher vorweisen. Wie war das eigentlich am Anfang, sind Sie da von Kollegen belächelt worden?

Kast: Ich war zuerst der Verkehrskasper. Das lag vielleicht daran, dass ich in den ersten Jahren in Kindergärten eine Handpuppe benutzt habe. Puppenspiel kann da nämlich sehr hilfreich sein. Nächstes Jahr nutze ich das wieder bei der Verkehrserziehung im Kindergartenbereich. Erhard: Für manche waren wir nur Sonnenschein-Beamte.

Und später, hat da noch jemand die Notwendigkeit Ihrer Arbeit polizeiintern bezweifelt?

Kast: Die Verkehrserzieher sollten in meiner Zeit dreimal vom Innenministerium abgeschafft werden. Aber die Unfallzahlen haben gezeigt. es geht nicht ohne Verkehrserziehung.

Warum sollten es denn Polizisten sein?

Kast: Ich meine, gerade in diesem Alter ist der Polizist noch einerseits Respektperson und andererseits Freund und Helfer. Erhard: Der Polizist wird da ja auch stark mit der Sicherheit im Straßenverkehr verbunden. Was der sagt, hat schon Gewicht. Kast: Für die Polizei ist es eine große Chance, sich als Freund und Helfer darzustellen. Ich bin da auch als Privatmann schon um Rat gefragt worden. So wie eine Art Vertrauensperson.

Wie ist das mit Ihrer Nachfolge, die ist jetzt bereits geregelt.

Kast: Mein Nachfolger ist Matthias Kleren. Das ist ein sehr engagierter Mann.

Wie war das denn bei Ihrem Einstieg in die Verkehrserziehung, Herr Erhard?

Erhard: Ich hatte es schon einfacher. Edgar Kast hat sich alles erst erarbeiten müssen. Ich konnte viel von ihm lernen. Auch bei mir steht übrigens der Nachfolger schon fest. Dietmar Dömling ist ab November dabei.

Na, dann können Sie ja beruhigt in Pension gehen. Wie lange dauert die Dienstzeit denn noch?

Kast: Ich bin jetzt offiziell verabschiedet worden. Erhard: Und ich höre am 30. April auf.

Im Ruhestand haben Sie mehr Zeit für private Interessen. Wofür werden Sie die Zeit nutzen?

Kast: Ich bin ein Schrebergärtner und will mich noch mehr um meinen Kleingarten kümmern. Dann habe ich auch mehr Zeit zum Lesen.

Und so ganz können Sie die Verkehrserziehung ja auch nicht lassen!

Kast: Ja, ich bin unterfränkischer Elementarbeauftragter und werde Veranstaltungen für Erzieherinnen anschieben.

Sie, Herr Erhard, gelten als leidenschaftlicher Schlagzeuger. Nehmen Sie sich künftig wieder mehr Zeit dafür.

Erhard: Na ja, früher war ich sehr aktiv und jetzt spiele ich in einer Seniorenkapelle. Dann arbeite ich in der Kirchenverwaltung mit und in der NES-Allianz. Ich pflege mein Hobby Geschichte und gehöre zur archäologischen Gruppe Rhön-Grabfeld. Außerdem habe ich zwei Enkel und einen Garten.

Und wie ist es mit Radfahren?

Kast: Ich habe mir ein Motorrädle gekauft. Ich fahre also schon auf zwei Rädern, aber ein bisschen motorisiert. Erhard: Na ja, ich habe mir schon vorgenommen, oft Fahrrad zu fahren. Außerdem trage ich mich mit dem Gedanken, mir auch so ein motorisiertes Zweirad zuzulegen wie er.

Zur Person

Michael Erhard Michael Erhard wurde am 20. April 1948 in Burglauer geboren. Er wohnt dort auch noch. Bei der Polizei ist Erhard seit 39 Jahren, bei der Kissinger Polizei ist er seit 1973. In Pension geht er Ende April nächsten Jahres. Verkehrserzieher der Polizei war er dann über 18 Jahre. Edgar Kast Am 24. Oktober 1947 in Alsleben geboren, leistete Edgar Kast insgesamt über 41 Jahre Dienst bei der Polizei, 33 davon als Verkehrserzieher. Neben der beruflichen Tätigkeit als Verkehrserzieher ist Kast seit 30 Jahren Geschäftsführer der Kreisverkehrswacht. Für sein Engagement rund um die Sicherheit im Straßenverkehr hat Kast zahlreiche Auszeichnungen bekommen. Er ist jetzt offiziell in Pension verabschiedet worden, bleibt seiner Lebensaufgabe Verkehrserziehung aber zumindest im Kindergartenbereich erhalten. Die Kissinger kennen ihn zudem als Darsteller von Ludwig I. beim Rákóczi-Fest.

 
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