Nicht alle Menschen erinnern sich gern an ihren ersten Kontakt mit der Polizei. Aber fast alle im Landkreis Bad Kissingen. Wenn man da in den vergangenen Jahrzehnten dem Gesetz erstmals unters Auge trat, dann betrachtete einen das meist mit wohlwollendem Blick. Dieser Blick umwölkte sich höchstens, wenn man beim Fahrradunterricht gerade zum fünften Male vergessen hatte umzuschauen und einem außerdem Vorfahrtsregeln und Gegenverkehr gleichgültig waren. Für den Erstkontakt mit dem Gesetz waren im Landkreis Bad Kissingen nämlich viele Jahre lang die beiden Verkehrserzieher Edgar Kast und Michael Erhard zuständig. Im Gespräch über Umschauen, Vorfahrt und Gegenverkehr erzählen sie nicht nur, was beim Radfahren wichtig ist. Sondern sie erklären auch, warum Polizei und Gesellschaft auf Leute wie sie eigentlich überhaupt nicht verzichten können.
Edgar Kast: Ich fahre eigentlich oft mit dem Rad in meinen Garten oder in Richtung Bad Bocklet. Und das auch nur mit Helm. Ich habe mit Schülern deswegen auch eine Wette abgeschlossen: Wer mich ohne Helm Radfahren sieht, bekommt 50 Euro.
Kast: Als kleiner Bub. Gleich beim ersten Mal wollte ich meiner Mutter zeigen, dass ich's kann und hab' sie dabei fast umgefahren.
Kast: Das war ein Herrenfahrrad.
Kast: Ich bin gar nicht über die Stange drüber gekommen. Deshalb musste ich unter der Stange durch treten. Mein erstes eigenes Fahrrad habe ich dann zur Kommunion bekommen. Da war ich ganz stolz. Das war ein blaues Winora-Rad.
Michael Erhard: Keine Frontstrahler, keine Großflächenrückstrahler, keine Speichenreflektoren – das Fahrrad wäre glatt durchgefallen. Ich hatte auch so ein ähnliches, ein silberfarbenes Stricker.
Erhard: Ich habe das Radfahren auf einem Damenfahrrad gelernt. Dem meiner Mutter. Das erste eigene war dann auch vom Kommuniongeld. Da fällt mir übrigens eine Geschichte ein. Ich habe als Bub mal meinen Cousin auf dem Gepäckträger mitgenommen. Da hat uns der damalige Leiter der Polizeistation Münnerstadt angehalten und gesagt, das würde jetzt fünf Mark kosten. Da habe ich vielleicht Angst gehabt. Er hat aber nur drohen wollen.
Erhard: Das hat's ja noch gar nicht gegeben. Kast: Damals hatten ja noch nicht einmal Motorradfahrer einen Helm auf.
Kast: Ich habe das mal durchgerechnet und glaube, dass ich so 26 000 bis 28 000 Kinder bei 6000 Verkehrsunterrichten und 1000 Fahrradprüfungen zum Radfahren gebracht habe. Erhard: Ich schätze für mich waren es 13 000 Kinder. Kast: Die Kinder erinnern sich übrigens lange daran. Wir haben das aber auch immer zelebriert. Erhard: Und wenn einer beim ersten Mal nicht bestanden hat, ist er uns auch nicht böse. Erst heute hatten wir Nach-Prüfung und es haben alle bestanden.
Kast: Umschauen, Vorfahrt, Gegenverkehr – das sind die drei wichtigsten Sachen. Erhard: Genau. Kast: Wer auf diese Sachen nicht achtet, der begeht, wie wir gesagt haben, eine Tod-Sünde. Wir haben übrigens immer auch gezeigt, warum das so ist.
Erhard: Das Umschauen ist der Hauptfehler. Vor allem das zweite Umschauen beim Abbiegen. Kast: Wir haben unheimlich viel ausprobiert, um die Kinder zu trimmen auf Umschauen und Handzeichen.
Kast: Schnell fahren tun sie bald, zu bald. Wenn Buben ein Fahrrad haben, denken viele zuerst an die Geschwindigkeit und erst in zweiter oder dritter Linie an die Verkehrsregeln. So einen haben wir beim Verkehrsunterricht schon mal kurz aussetzen lassen.
Kast: Ich war zuerst der Verkehrskasper. Das lag vielleicht daran, dass ich in den ersten Jahren in Kindergärten eine Handpuppe benutzt habe. Puppenspiel kann da nämlich sehr hilfreich sein. Nächstes Jahr nutze ich das wieder bei der Verkehrserziehung im Kindergartenbereich. Erhard: Für manche waren wir nur Sonnenschein-Beamte.
Kast: Die Verkehrserzieher sollten in meiner Zeit dreimal vom Innenministerium abgeschafft werden. Aber die Unfallzahlen haben gezeigt. es geht nicht ohne Verkehrserziehung.
Kast: Ich meine, gerade in diesem Alter ist der Polizist noch einerseits Respektperson und andererseits Freund und Helfer. Erhard: Der Polizist wird da ja auch stark mit der Sicherheit im Straßenverkehr verbunden. Was der sagt, hat schon Gewicht. Kast: Für die Polizei ist es eine große Chance, sich als Freund und Helfer darzustellen. Ich bin da auch als Privatmann schon um Rat gefragt worden. So wie eine Art Vertrauensperson.
Kast: Mein Nachfolger ist Matthias Kleren. Das ist ein sehr engagierter Mann.
Erhard: Ich hatte es schon einfacher. Edgar Kast hat sich alles erst erarbeiten müssen. Ich konnte viel von ihm lernen. Auch bei mir steht übrigens der Nachfolger schon fest. Dietmar Dömling ist ab November dabei.
Kast: Ich bin jetzt offiziell verabschiedet worden. Erhard: Und ich höre am 30. April auf.
Kast: Ich bin ein Schrebergärtner und will mich noch mehr um meinen Kleingarten kümmern. Dann habe ich auch mehr Zeit zum Lesen.
Kast: Ja, ich bin unterfränkischer Elementarbeauftragter und werde Veranstaltungen für Erzieherinnen anschieben.
Erhard: Na ja, früher war ich sehr aktiv und jetzt spiele ich in einer Seniorenkapelle. Dann arbeite ich in der Kirchenverwaltung mit und in der NES-Allianz. Ich pflege mein Hobby Geschichte und gehöre zur archäologischen Gruppe Rhön-Grabfeld. Außerdem habe ich zwei Enkel und einen Garten.
Kast: Ich habe mir ein Motorrädle gekauft. Ich fahre also schon auf zwei Rädern, aber ein bisschen motorisiert. Erhard: Na ja, ich habe mir schon vorgenommen, oft Fahrrad zu fahren. Außerdem trage ich mich mit dem Gedanken, mir auch so ein motorisiertes Zweirad zuzulegen wie er.
Zur Person
Michael Erhard Michael Erhard wurde am 20. April 1948 in Burglauer geboren. Er wohnt dort auch noch. Bei der Polizei ist Erhard seit 39 Jahren, bei der Kissinger Polizei ist er seit 1973. In Pension geht er Ende April nächsten Jahres. Verkehrserzieher der Polizei war er dann über 18 Jahre. Edgar Kast Am 24. Oktober 1947 in Alsleben geboren, leistete Edgar Kast insgesamt über 41 Jahre Dienst bei der Polizei, 33 davon als Verkehrserzieher. Neben der beruflichen Tätigkeit als Verkehrserzieher ist Kast seit 30 Jahren Geschäftsführer der Kreisverkehrswacht. Für sein Engagement rund um die Sicherheit im Straßenverkehr hat Kast zahlreiche Auszeichnungen bekommen. Er ist jetzt offiziell in Pension verabschiedet worden, bleibt seiner Lebensaufgabe Verkehrserziehung aber zumindest im Kindergartenbereich erhalten. Die Kissinger kennen ihn zudem als Darsteller von Ludwig I. beim Rákóczi-Fest.