Staatsbad Brückenau
Dreikönigskonzert: Nicht jedes Duell muss tödlich sein
Die Cellisten Jens Peter Maintz und Wolfgang Emanuel Schmidt gastierten beim Brückenauer Dreikönigskonzert.
Der Blick auf das Programm weckt starke Bedenken. "Cello Duello" ist da zu lesen. Und auch ein Blick in den Brockhaus von 1911 bringt auch keine Beruhigung. Denn da steht schwarz auf weiß: "Duéll (lat.), Zweikampf, ein nach bestimmten Regeln zwischen zwei Gegnern (Duellanten) zur Austragung eines Ehrenhandels stattfindender Kampf mit tödlichen Waffen, vom Reichsstrafgesetzbuch (§ 201 fg.) mit Festungshaft von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bedroht; Herausforderung zum D. und Annahme der Herausforderung werden mit Festungshaft von 1 Tag bis zu 6 Monaten bestraft. Sekundanten, Zeugen und Ärzte sind straflos."
Wenigstens kann dem Publikum nichts angehängt werden. Aber seltsam ist es schon. Denn die beiden Cellisten Jens Peter Maintz und Wolfgang Emanuel Schmidt betonen doch eigentlich immer, Freunde zu sein. Und so ist auch das Konzert überschrieben. Wie passt ein Duell dazu?
Vielleicht kommt es doch nicht so schlimm. Auf die Frage in der Generalprobe, wer von den beiden voraussichtlich das Konzert überleben wird, verteilte Jens Peter Maintz Beruhigungspillen: "Es wird niemand tot aus dem Saal getragen. Wir schießen mit unseren Instrumenten daneben, aber gezielt."
Seit 28 Jahren spielen die beiden als Duo zusammen. Das klingt so, als hätten sie ihre ersten Celli mit Sandkastenförmchen gebacken. Aber Jens Peter Maintz wird dieses Jahr 50, und Wolfgang Emanuel Schmidt ist vier Jahre jünger. Tatsächlich haben sie sich in ihrer Studentenzeit bei einem Meisterkurs kennen gelernt und als "Cello Duello" seitdem zusammen musiziert.
Die Jahre der Zusammenarbeit merkt man schon bei den ersten Takten des Concertino C-dur für zwei Violoncelli und Orchester von Leopold Hofmann. Der 1738 geborene Wiener ist heute eigentlich nur noch deshalb bekannt, weil Wolfgang Amadeus Mozart ihn nach seinem Ableben - er kränkelte bereits - als Domkapellmeister am Stephansdom beerben sollte. Dummerweise starb Mozart aber 15 Monate vor Hofmann. Dessen Nachfolger wurde dann Johann Georg Albrechtsberger.
Hofmann war zu Lebzeiten sehr geschätzt. Nur Joseph Haydn bezeichnete ihn als Prahlhans. Man kann ihn verstehen angesichts des Doppelkonzerts. Denn der große Kreator scheint er nicht gewesen zu sein. Seine Musik erweist sich hier als etwas formelhaft und sich in Wiederholungen erschöpfend. Herausragend war da eigentlich nur das Trio des Menuets, als das Orchester plötzlich schweigt, als nur die beiden Celli sich einen Dialog lieferten und Katrin Triquart, die Frau für Sonderaufgaben am 16-Fuß, mit ihrem Kontrabass eine dritte Stimme darunterlegte.
Dass daraus insgesamt ein echter Genuss wurde, lag an der Ausführung. Jens Peter Maintz und Wolfgang Emanuel Schmidt spielten mit einem Atem - und einem wunderbar zusammenpassenden Timbre der beiden Instrumente - und mit raumgreifendem, engagiertem Strich. Das Orchester ließ sich kongenial auf diese Spielfreude ein, und so entstand eine kreative Spannung, die man in dieser Musik eigentlich nicht erwartet hätte.
Es gibt nicht allzu viel Literatur für zwei Celli - auch wenn die Cellisten das immer wieder tapfer bestreiten. Wie auch Wolfgang Emanuel Schmidt: "Wenn Sie noch 200 Jahre leben könnten, würden Sie erleben, dass das Cello-Duo das Streichquartett überflüssig gemacht hat", verkündete er optimistisch und wies damit auf eine zunehmende Produktion der Komponisten hin. Aber schon das zweite Stück war eine Bearbeitung. 1792 schrieb der Argentinier Gian Carlo Menotti eine Suite für zwei Violoncelli und Klavier, die Hans Kusttovny später orchestriert hat. Sie ist eine seltsamen Musik, weil Menotti zwar an den Regeln der Tonalität festhielt, aber nicht unmodern wirken wollte und die melodischen Linien rhythmisch so verschob, dass sie zur Aufgabe wurden: für die Musiker, und zwar für alle, die sich außerordentlich konzentrieren müssen - wobei die Solisten durch die Bearbeitung die Erleichterung haben, nicht mehr so ausgestellt zu sein wie mit Klavierbegleitung. Und für den Zuhörer, der, hat er sich eine melodische Linie ausgewählt und will ihr folgen, sofort von allen Seiten melodisch attackiert wird. Nicht unbedingt eine schöne, Ohrwürmer generierende Musik, aber eine höchst spannende, die offene Ohren fordert. Unverständlich, dass Gian Carlo Menotti von der Musikkritik des öfteren als sentimentaler Nachfahre Giacomo Puccinis bezeichnet wurde. Wollte man ihn stilistisch verorten, müsste man ihn zumindest bei dieser Suite in die nähe von Benjamin Britten rücken.
Ja und dann die Zugabe! Übrigerns auch eine Bearbeitung, denn Nicolo Paganini hat seine "Moses-Fantasie " für Violine solo sowie für Streichquartett geschrieben. Maintz und Schmidt haben sie für zwei Celli bearbeitet - als Betrag zum Abschlusskonzert jener berühmten Meisterklasse vor 28 Jahren. Und sie haben die Variationen offenbar ein bisschen angereichert, denn was eine Violine kann, treibt zwei Celli nicht unbedingt an ihre Grenzen. Und virtuos grenzwertig war diese Zugabe. Da entfachten die beiden ein Feuerwerk an Höchstschwierigkeiten unter Wahrung des musikalischen Ausdrucks. Da merkte man endgültig, wie gut die beiden aufeinander eingespielt sind, wie sie immer genau wissen, was der andere macht, wie sie sich aufeinander verlassen können - und müssen. Und man merkte so ganz nebenbei, wie, unter technischen Aspekten, harmlos die beiden vorausgegangenen Werke waren.
Und was gab es ansonsten? Zu Beginn zunächst die Sinfonie B-dur MA43 von Antonio Rosetti. Das ist verständlich. Denn seit Johannes Moesus Chef des Brückenauer Orchesters ist, hat es sich sozusagen zum Spezialisten für den Kapellmeister des Fürsten zu Oettingen-Wallerstein entwickelt. Die Sinfonie war ein Selbstläufer, ganz locker und luftig musiziert, wie ein Stimmungsbild aus dem Rokoko, mit großem Schwung und Gespür für die Pointen und für dynamische Kontraste. Ein wunderschöner einstieg in ein Neujahrskonzert.
Die Serenade für Streichorchester op. 1 des Amerikaners Samuel Barber war als Werk ein bisschen problematisch. Komponiert war es als Streichquartett, das durchaus wirkungsvoll ist. Aber dann hat Barber selbst die Orchesterfassung herausgegeben und damit den individuellen Klang der vier Instrumente nivelliert. Da musste sogar Johannes Moesus ganz schön arbeiten, um den Klangflächen der Musik Strukturen zu geben und die Durchhörbarkeit sicherzustellen.
Zum Abschluss erklang Joseph Haydns Sinfonie Nr. 64 A-dur - den Beinamen "Temopra mutantur" kann man getrost vergessen, er gibt keinen Sinn. Für das Orchester noch einmal die Gelegenheit, mit seinem typischen Ton, der nicht auf glatten Perfektionismus, sondern auf Lebendigkeit zielt, den Witz und die unkonventionelle Fantasie des Komponisten und die Heiterkeit der Tonart zu demonstrieren. Das Genusskonzert endete mit einer Zugabe - natürlich ein Satz von Rosetti.
Wenigstens kann dem Publikum nichts angehängt werden. Aber seltsam ist es schon. Denn die beiden Cellisten Jens Peter Maintz und Wolfgang Emanuel Schmidt betonen doch eigentlich immer, Freunde zu sein. Und so ist auch das Konzert überschrieben. Wie passt ein Duell dazu?
Vielleicht kommt es doch nicht so schlimm. Auf die Frage in der Generalprobe, wer von den beiden voraussichtlich das Konzert überleben wird, verteilte Jens Peter Maintz Beruhigungspillen: "Es wird niemand tot aus dem Saal getragen. Wir schießen mit unseren Instrumenten daneben, aber gezielt."
Seit langem als Duo unterwegs
Seit 28 Jahren spielen die beiden als Duo zusammen. Das klingt so, als hätten sie ihre ersten Celli mit Sandkastenförmchen gebacken. Aber Jens Peter Maintz wird dieses Jahr 50, und Wolfgang Emanuel Schmidt ist vier Jahre jünger. Tatsächlich haben sie sich in ihrer Studentenzeit bei einem Meisterkurs kennen gelernt und als "Cello Duello" seitdem zusammen musiziert.Die Jahre der Zusammenarbeit merkt man schon bei den ersten Takten des Concertino C-dur für zwei Violoncelli und Orchester von Leopold Hofmann. Der 1738 geborene Wiener ist heute eigentlich nur noch deshalb bekannt, weil Wolfgang Amadeus Mozart ihn nach seinem Ableben - er kränkelte bereits - als Domkapellmeister am Stephansdom beerben sollte. Dummerweise starb Mozart aber 15 Monate vor Hofmann. Dessen Nachfolger wurde dann Johann Georg Albrechtsberger.
Nur Joseph Haydn schimpfte
Hofmann war zu Lebzeiten sehr geschätzt. Nur Joseph Haydn bezeichnete ihn als Prahlhans. Man kann ihn verstehen angesichts des Doppelkonzerts. Denn der große Kreator scheint er nicht gewesen zu sein. Seine Musik erweist sich hier als etwas formelhaft und sich in Wiederholungen erschöpfend. Herausragend war da eigentlich nur das Trio des Menuets, als das Orchester plötzlich schweigt, als nur die beiden Celli sich einen Dialog lieferten und Katrin Triquart, die Frau für Sonderaufgaben am 16-Fuß, mit ihrem Kontrabass eine dritte Stimme darunterlegte. Dass daraus insgesamt ein echter Genuss wurde, lag an der Ausführung. Jens Peter Maintz und Wolfgang Emanuel Schmidt spielten mit einem Atem - und einem wunderbar zusammenpassenden Timbre der beiden Instrumente - und mit raumgreifendem, engagiertem Strich. Das Orchester ließ sich kongenial auf diese Spielfreude ein, und so entstand eine kreative Spannung, die man in dieser Musik eigentlich nicht erwartet hätte.
Griff zur Bearbeitung
Es gibt nicht allzu viel Literatur für zwei Celli - auch wenn die Cellisten das immer wieder tapfer bestreiten. Wie auch Wolfgang Emanuel Schmidt: "Wenn Sie noch 200 Jahre leben könnten, würden Sie erleben, dass das Cello-Duo das Streichquartett überflüssig gemacht hat", verkündete er optimistisch und wies damit auf eine zunehmende Produktion der Komponisten hin. Aber schon das zweite Stück war eine Bearbeitung. 1792 schrieb der Argentinier Gian Carlo Menotti eine Suite für zwei Violoncelli und Klavier, die Hans Kusttovny später orchestriert hat. Sie ist eine seltsamen Musik, weil Menotti zwar an den Regeln der Tonalität festhielt, aber nicht unmodern wirken wollte und die melodischen Linien rhythmisch so verschob, dass sie zur Aufgabe wurden: für die Musiker, und zwar für alle, die sich außerordentlich konzentrieren müssen - wobei die Solisten durch die Bearbeitung die Erleichterung haben, nicht mehr so ausgestellt zu sein wie mit Klavierbegleitung. Und für den Zuhörer, der, hat er sich eine melodische Linie ausgewählt und will ihr folgen, sofort von allen Seiten melodisch attackiert wird. Nicht unbedingt eine schöne, Ohrwürmer generierende Musik, aber eine höchst spannende, die offene Ohren fordert. Unverständlich, dass Gian Carlo Menotti von der Musikkritik des öfteren als sentimentaler Nachfahre Giacomo Puccinis bezeichnet wurde. Wollte man ihn stilistisch verorten, müsste man ihn zumindest bei dieser Suite in die nähe von Benjamin Britten rücken.
An der Grenze des Spielbaren
Ja und dann die Zugabe! Übrigerns auch eine Bearbeitung, denn Nicolo Paganini hat seine "Moses-Fantasie " für Violine solo sowie für Streichquartett geschrieben. Maintz und Schmidt haben sie für zwei Celli bearbeitet - als Betrag zum Abschlusskonzert jener berühmten Meisterklasse vor 28 Jahren. Und sie haben die Variationen offenbar ein bisschen angereichert, denn was eine Violine kann, treibt zwei Celli nicht unbedingt an ihre Grenzen. Und virtuos grenzwertig war diese Zugabe. Da entfachten die beiden ein Feuerwerk an Höchstschwierigkeiten unter Wahrung des musikalischen Ausdrucks. Da merkte man endgültig, wie gut die beiden aufeinander eingespielt sind, wie sie immer genau wissen, was der andere macht, wie sie sich aufeinander verlassen können - und müssen. Und man merkte so ganz nebenbei, wie, unter technischen Aspekten, harmlos die beiden vorausgegangenen Werke waren.
Kontroverser Rahmen
Und was gab es ansonsten? Zu Beginn zunächst die Sinfonie B-dur MA43 von Antonio Rosetti. Das ist verständlich. Denn seit Johannes Moesus Chef des Brückenauer Orchesters ist, hat es sich sozusagen zum Spezialisten für den Kapellmeister des Fürsten zu Oettingen-Wallerstein entwickelt. Die Sinfonie war ein Selbstläufer, ganz locker und luftig musiziert, wie ein Stimmungsbild aus dem Rokoko, mit großem Schwung und Gespür für die Pointen und für dynamische Kontraste. Ein wunderschöner einstieg in ein Neujahrskonzert.Die Serenade für Streichorchester op. 1 des Amerikaners Samuel Barber war als Werk ein bisschen problematisch. Komponiert war es als Streichquartett, das durchaus wirkungsvoll ist. Aber dann hat Barber selbst die Orchesterfassung herausgegeben und damit den individuellen Klang der vier Instrumente nivelliert. Da musste sogar Johannes Moesus ganz schön arbeiten, um den Klangflächen der Musik Strukturen zu geben und die Durchhörbarkeit sicherzustellen.
Zum Abschluss erklang Joseph Haydns Sinfonie Nr. 64 A-dur - den Beinamen "Temopra mutantur" kann man getrost vergessen, er gibt keinen Sinn. Für das Orchester noch einmal die Gelegenheit, mit seinem typischen Ton, der nicht auf glatten Perfektionismus, sondern auf Lebendigkeit zielt, den Witz und die unkonventionelle Fantasie des Komponisten und die Heiterkeit der Tonart zu demonstrieren. Das Genusskonzert endete mit einer Zugabe - natürlich ein Satz von Rosetti.
Themen & Autoren / Autorinnen