Maßbach
"Draufgänger" im Theater Schloss Maßbach
Die Boulevardkomödie "Die beiden Draufgänger" von Neil Simon im Theater Schloss Maßbach hat das Zeug zum absoluten Sommerhit.
Er ist der ganze Stolz seines Vaters, seine einzig verbliebene Hoffnung, denn sein großer Bruder Alan hat sich schon zum "Gammler" entwickelt, lässt sich nur selten im Büro des Familienbetriebs blicken, in dem mit der Produktion von Wachsfrüchten viel Geld gemacht wird, mit hochglanzpolierten Abbildern des wirklichen Lebens: Genau nach diesem sehnt sich aber Buddy, der Jüngere, der brav zu Hause lebt und im väterlichen Geschäft arbeitet.
Bruder Alan ist für ihn der Inbegriff all dessen, was er sich unter dem wirklichen Leben vorstellt: Ausgehen, schicke Klamotten, Frauen, Sex, Abenteuer der Großstadt. Also zieht er sofort nach seinem 21. Geburtstag bei Alan ein, bringt dessen wohlorganisiertes Beziehungsgeflecht zwischen Langzeitfreundin Connie und Wochenendbekanntschaften wie Peggy durcheinander, den Vater in äußerste Rage und die Mutter in hektische Sorge.
"Come Blow your Horn" nannte Neil Simon sein erstes Stück, mit dem er 1961 den Broadway eroberte. Später wurde er zum meistgespielten amerikanischen Autor, mit Tony Awards überhäuft, dem Pulitzerpreis geehrt und auch mit unzähligen Filmvorlagen etwa für "Barfuß im Park" mit Robert Redford und Jane Fonda, "Ein seltsames Paar" mit Jack Lemmon und Walter Matthau oder "Trouble in Yonkers" mit Richard Dreyfuss weltberühmt.
"Die beiden Draufgänger" lautet der deutsche Titel von "Come Blow your Horn", und dem Fränkischen Theater Schloss Maßbach kann man nur dazu gratulieren, dass es diesen verschollenen Boulevardkomödien-Schatz gehoben hat. Er birgt schon alles, was Simons Stücke so bühnenwirksam, spannend und vergnüglich macht.
Für Schauspieler allerdings auch anstrengend, denn Regisseur Ingo Pfeiffer hat nicht nur die messerscharfen Dialoge und Running Gags in genau dem richtigen, also hohen Tempo inszeniert und keine Möglichkeit zu intelligenter Personen- oder Situations-Komik ausgelassen. Aber er hat in all dem Trubel auch dafür gesorgt, dass keine der Personen zur bloßen Karikatur verkommt, dass wir inmitten all der klingelnden Türsprechanlagen, Telefone und Türglocken die Möglichkeit haben, Neil Simons Charaktere zu beobachten. Vor allem die beiden Brüder, die nach ihren Fehlstarts im ersten Teil am Ende zu sich, ihren wirklichen Lebensentwürfen finden.
Neil Simon hat in einem Interview erzählt, wie mulmig die erste Aufführung im Beisein seiner wirklichen Familie für ihn war, denn der Kern der Geschichte ist autobiografisch, und Buddys Ausbruch zeigt seinen eigenen Weg zum Bühnenautor.
So ist das Stück nicht nur - wie bei Neil Simon garantiert - ein perfekt strukturiertes Dramenmeisterwerk mit vielen Bezügen und Rückbezügen, Leitmotiven und am Ende fast einer Stretta. Die mit allen Wassern gewaschene Boulevardkomödie hat das Potenzial, die Zuschauer ausgezeichnet zu unterhalten und zeigt echte Menschen mit Stärken und Schwächen, nicht nur Typen oder Klischees.
Und so nutzt Ingo Pfeiffer alle Möglichkeiten, um das Publikum mit genau herausgearbeiteten Gags zu amüsieren, schafft es, dass jeder neue Besucher mit Spannung erwartet wird und behält dennoch im Auge, dass es da um eine Entwicklungsgeschichte geht, eine Familiengeschichte, Schicksale, die zu einem am Ende fast rührenden Happy End inmitten des Trubels geführt werden.
Man fragt sich, warum gerade dieses Stück Simons so selten aufgeführt wird, denn abgesehen von dem merkwürdig altbackenen Begriff "Gammler" hat es so gar nichts Überholtes. Das Stück wirkt frisch und unmittelbar, obwohl Anita Rask Nielsen mit ihrem wie immer äußerst liebevoll eingerichteten Bühnenbild und Jutta Reinhard mit ihren Kostümen durchaus in ein 60er-Jahre-Ambiente führen.
Das Maßbacher Ensemble machte von Anfang an klar, wie wohl es sich in dieser Geschichte fühlt. So wohl, dass Franziska Theiner, die Alans Mithausbewohnerin, Möchtegern-Filmdiva und Gelegenheitspartnerin Peggy sehr animiert bei ihrem Überfall auf den kleinen Bruder, sehr schön naiv in ihrem Glauben an den angeblichen Hollywoodproduzenten spielt, auch den offenen Umbau in der Pause noch nutzt, um eine köstliche kleine Putzfrauenszene zu spielen. Silvia Steger bleibt als Connie Dayton immer verhalten, selbstkritisch und ernsthaft - ein klarer Gegenpol zur extrovertierten Peggy und zu Alans verkehrtem Leben mit den verkehrten Partnerinnen, vor denen die Eltern ihn doch retten wollen.
Marc Marchand ist in dieser Familienkrise ein imposanter, herrischer, im Vollgefühl seiner Wichtigkeit allen anderen gegenüber blinder Vater, der zwar lange nachsichtig war mit seinem älteren Sohn, aber hart gegen beide und seine Frau zuschlägt, sobald er seinen Betrieb in Gefahr sieht.
Susanne Pfeiffer versucht als beschwichtigend-betuliche Mutter durch mitleidheischende Krankheitsgeschichten bei ihren drei Männern Aufmerksamkeit zu bekommen und verharrt nicht nur zu Hause, sondern auch in Alans Apartment ständig im Gluckenmodus mit zwanghaftem Wäscheordnen und Familienmahlzeiten-planen.
János Kapitány spielt den seine Liebschaften, Freizeitbeschäftigungen und Geschäfts geschickt jonglierenden Alan mit cooler Leichtigkeit, seine vom Bruder aufgezwungene Gastgeber- und Lebenstrainerrolle sehr liebevoll und seine zerknirschte Umkehr zur richtigen Partnerin mit viel Überzeugungskraft.
So richtig vom Leder ziehen kann Benjamin Jorns als Buddy, denn er wandelt sich vom in Sachen Sex unerfahrenen und deshalb von Peggy Avancen zur Freude des Publikums ziemlich überfahrenen spätpubertär schüchternen Muttersöhnchen zum völlig lockeren, selbstsicheren, in eine passende Partnerin verliebten jungen Mann, der nun weiß, was er will. Und das machte er absolut überzeugend, auch bei den Tanzeinlagen zur Feier seiner Befreiung aus all den Zwängen seiner Jugend, was er mit seiner - schöner Gag! - Begegnung mit der angsteinflößenden Ideal-Tante Gustel unter Beweis stellen darf.
So ist den Maßbachern ein echter Sommerhit geglückt, rundum witzig, rundum plausibel, mit umwerfender Spielfreude von allen Beteiligten über die Bühne gebracht.
Bruder Alan ist für ihn der Inbegriff all dessen, was er sich unter dem wirklichen Leben vorstellt: Ausgehen, schicke Klamotten, Frauen, Sex, Abenteuer der Großstadt. Also zieht er sofort nach seinem 21. Geburtstag bei Alan ein, bringt dessen wohlorganisiertes Beziehungsgeflecht zwischen Langzeitfreundin Connie und Wochenendbekanntschaften wie Peggy durcheinander, den Vater in äußerste Rage und die Mutter in hektische Sorge.
"Come Blow your Horn" nannte Neil Simon sein erstes Stück, mit dem er 1961 den Broadway eroberte. Später wurde er zum meistgespielten amerikanischen Autor, mit Tony Awards überhäuft, dem Pulitzerpreis geehrt und auch mit unzähligen Filmvorlagen etwa für "Barfuß im Park" mit Robert Redford und Jane Fonda, "Ein seltsames Paar" mit Jack Lemmon und Walter Matthau oder "Trouble in Yonkers" mit Richard Dreyfuss weltberühmt.
Hohes Tempo
"Die beiden Draufgänger" lautet der deutsche Titel von "Come Blow your Horn", und dem Fränkischen Theater Schloss Maßbach kann man nur dazu gratulieren, dass es diesen verschollenen Boulevardkomödien-Schatz gehoben hat. Er birgt schon alles, was Simons Stücke so bühnenwirksam, spannend und vergnüglich macht.
Für Schauspieler allerdings auch anstrengend, denn Regisseur Ingo Pfeiffer hat nicht nur die messerscharfen Dialoge und Running Gags in genau dem richtigen, also hohen Tempo inszeniert und keine Möglichkeit zu intelligenter Personen- oder Situations-Komik ausgelassen. Aber er hat in all dem Trubel auch dafür gesorgt, dass keine der Personen zur bloßen Karikatur verkommt, dass wir inmitten all der klingelnden Türsprechanlagen, Telefone und Türglocken die Möglichkeit haben, Neil Simons Charaktere zu beobachten. Vor allem die beiden Brüder, die nach ihren Fehlstarts im ersten Teil am Ende zu sich, ihren wirklichen Lebensentwürfen finden.
Neil Simon hat in einem Interview erzählt, wie mulmig die erste Aufführung im Beisein seiner wirklichen Familie für ihn war, denn der Kern der Geschichte ist autobiografisch, und Buddys Ausbruch zeigt seinen eigenen Weg zum Bühnenautor.
So ist das Stück nicht nur - wie bei Neil Simon garantiert - ein perfekt strukturiertes Dramenmeisterwerk mit vielen Bezügen und Rückbezügen, Leitmotiven und am Ende fast einer Stretta. Die mit allen Wassern gewaschene Boulevardkomödie hat das Potenzial, die Zuschauer ausgezeichnet zu unterhalten und zeigt echte Menschen mit Stärken und Schwächen, nicht nur Typen oder Klischees.
Und so nutzt Ingo Pfeiffer alle Möglichkeiten, um das Publikum mit genau herausgearbeiteten Gags zu amüsieren, schafft es, dass jeder neue Besucher mit Spannung erwartet wird und behält dennoch im Auge, dass es da um eine Entwicklungsgeschichte geht, eine Familiengeschichte, Schicksale, die zu einem am Ende fast rührenden Happy End inmitten des Trubels geführt werden.
Frisch und unmittelbar
Man fragt sich, warum gerade dieses Stück Simons so selten aufgeführt wird, denn abgesehen von dem merkwürdig altbackenen Begriff "Gammler" hat es so gar nichts Überholtes. Das Stück wirkt frisch und unmittelbar, obwohl Anita Rask Nielsen mit ihrem wie immer äußerst liebevoll eingerichteten Bühnenbild und Jutta Reinhard mit ihren Kostümen durchaus in ein 60er-Jahre-Ambiente führen.Das Maßbacher Ensemble machte von Anfang an klar, wie wohl es sich in dieser Geschichte fühlt. So wohl, dass Franziska Theiner, die Alans Mithausbewohnerin, Möchtegern-Filmdiva und Gelegenheitspartnerin Peggy sehr animiert bei ihrem Überfall auf den kleinen Bruder, sehr schön naiv in ihrem Glauben an den angeblichen Hollywoodproduzenten spielt, auch den offenen Umbau in der Pause noch nutzt, um eine köstliche kleine Putzfrauenszene zu spielen. Silvia Steger bleibt als Connie Dayton immer verhalten, selbstkritisch und ernsthaft - ein klarer Gegenpol zur extrovertierten Peggy und zu Alans verkehrtem Leben mit den verkehrten Partnerinnen, vor denen die Eltern ihn doch retten wollen.
Marc Marchand ist in dieser Familienkrise ein imposanter, herrischer, im Vollgefühl seiner Wichtigkeit allen anderen gegenüber blinder Vater, der zwar lange nachsichtig war mit seinem älteren Sohn, aber hart gegen beide und seine Frau zuschlägt, sobald er seinen Betrieb in Gefahr sieht.
Im Gluckenmodus
Susanne Pfeiffer versucht als beschwichtigend-betuliche Mutter durch mitleidheischende Krankheitsgeschichten bei ihren drei Männern Aufmerksamkeit zu bekommen und verharrt nicht nur zu Hause, sondern auch in Alans Apartment ständig im Gluckenmodus mit zwanghaftem Wäscheordnen und Familienmahlzeiten-planen.
János Kapitány spielt den seine Liebschaften, Freizeitbeschäftigungen und Geschäfts geschickt jonglierenden Alan mit cooler Leichtigkeit, seine vom Bruder aufgezwungene Gastgeber- und Lebenstrainerrolle sehr liebevoll und seine zerknirschte Umkehr zur richtigen Partnerin mit viel Überzeugungskraft.
So richtig vom Leder ziehen kann Benjamin Jorns als Buddy, denn er wandelt sich vom in Sachen Sex unerfahrenen und deshalb von Peggy Avancen zur Freude des Publikums ziemlich überfahrenen spätpubertär schüchternen Muttersöhnchen zum völlig lockeren, selbstsicheren, in eine passende Partnerin verliebten jungen Mann, der nun weiß, was er will. Und das machte er absolut überzeugend, auch bei den Tanzeinlagen zur Feier seiner Befreiung aus all den Zwängen seiner Jugend, was er mit seiner - schöner Gag! - Begegnung mit der angsteinflößenden Ideal-Tante Gustel unter Beweis stellen darf.
So ist den Maßbachern ein echter Sommerhit geglückt, rundum witzig, rundum plausibel, mit umwerfender Spielfreude von allen Beteiligten über die Bühne gebracht.
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