
Es ging plötzlich ganz schnell. Von einem Moment auf den anderen. Fußball war nicht mehr wichtig. Davor schon, jetzt nicht mehr. Ein Mensch droht zu sterben. Es war kein Film, sondern die brutale Realität. Bastian Steuerwald (Elfershausen), Juliane Eppler (Mühlfeld) und Daniel Nagel (Arnshausen) wollten eigentlich mit ihrer Mannschaft nur einen sportlich erfolgreichen Freitagabend in Neumarkt in der Oberpfalz erleben. Es kam alles anders. Noch Tage später spürt man, wie aufgewühlt und emotional sie über die Ereignisse sprechen. Alle versuchen auf ihre eigene Weise, das Erlebte zu verarbeiten.
Das Spiel der U14-Förderliga zwischen dem gastgebenden ASV Neumarkt und dem FC 05 Schweinfurt war nicht unbedingt ein Knaller. Auf einem miserablen Platz trennten sich beide Teams torlos. Für den ASV Neumarkt war es das erste Unentschieden überhaupt. Insgesamt hat die Mannschaft bisher nur vier Punkte gesammelt. Der FC um Trainer Steuerwald steht da schon besser da. Mit 19 Punkten befindet er sich im gesicherten Mittelfeld der Förderliga.
Die Verantwortung nicht gescheut
Steuerwald ist ein Typ, der sich nicht vor Verantwortung scheut. Er geht selbstbewusst voran und ist ehrgeizig. Er selbst war ein erfolgreicher Fußballer und hat es in seiner aktiven Zeit bis zum damaligen Bezirksoberligisten FC Hammelburg geschafft. Später wurde er Trainer und coacht aktuell die U14-Junioren der Schnüdel.
Mit Daniel Nagel hat er einen Torwarttrainer an seiner Seite, der einen Baumaschinenhandel in Euerbach führt. Er war ebenfalls schon Juniorentrainer und kümmert sich jetzt um einige Junioren-Torhüter beiden 05ern. Häufig, aber nicht immer, ist Juliane Eppler aus Mühlfeld bei den Spielen dabei. Seit sie 16 Jahre alt ist, arbeitet sie als Arzthelferin. Die 39-Jährige wollte als Zuschauerin die Mannschaft unterstützen.
Der Schiedsrichter pfeift das Spiel ab. Fast im gleichen Moment bricht auf der gegenüberliegenden Seite ein Mann zusammen und bleibt regungslos liegen. Während andere wie erstarrt verharren, rennen Steuerwald, Eppler und Nagel sofort los. „Man ist gleich wie in einem Tunnel“, erinnert sich der Elfershäuser. Als sie beim bewusstlosen Mann angekommen sind, erkennt Arzthelferin Eppler augenblicklich die Situation. Sie drehen den über 100 Kilogramm schweren Mann auf den Rücken. „Er war total verkrampft und wir mussten seinen Mund öffnen, um zu sehen, ob er seine Zunge verschluckt hatte“, erzählt die 39-Jährige ganz routiniert.
Daniel Nagel setzt den Notruf ab
Währenddessen übernimmt Nagel den Notruf , schickt die umstehenden Leute weg und leitet Zuschauer an, den Krankenwagen zu lotsen. Und fordert einen Defibrillator an, der aus einem nahegelegenen Fitnessstudio gebracht wird. Nagel berichtet: „Viele fühlen sich total hilflos und sind wie erstarrt. Juliane und Bastian haben sich um den Mann gekümmert und ich habe organisiert.“ Ein glücklicher Umstand, wie sich später herausstellt. Eppler hat einen medizinischen Hintergrund und weiß, was zu tun ist. Die Vitalfunktionen wurden geprüft und schnell war klar, dass das Herz des Mannes nicht mehr schlägt. „Wir haben dann sofort mit der Wiederbelebung begonnen“, so die Mühlfelderin. Und am Ende des Gesprächs erzählt sie, dass schon vor einem halben Jahr eine Reanimation durchführen musste.
Es vergeht eine Ewigkeit
Steuerwald hilft ihr bei der Herzdruckmassage. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis der Defibrillator und der Notarzt da ist. „Wir haben ihn 15 Minuten lang wiederbelebt. Alleine wäre das nicht möglich gewesen“, berichtet Eppler. Der Muskelkater kommt bei Steuerwald einen Tag später. Inzwischen legen sie dem Mann den Defibrillator an. „Bei solchen Geräten muss man nur der Anleitung folgen, das schafft jeder“, ergänzt Eppler mit einer klaren Botschaft.
Später übernehmen der Notarzt und die Rettungskräfte die medizinische Betreuung. Ein Rettungshubschrauber landet, muss den Mann aber nicht ins Krankenhaus fliegen, weil er so weit stabilisiert werden konnte, dass ihn der Rettungswagen transportiert. Körperlich und mental erschöpft gehen die Drei zurück zum Team.
„Es war schon vorher ausgemacht, dass wir im Sportheim noch was essen“, sagt Steuerwald. Aber den Ersthelfern hat es zunächst den Appetit verschlagen. Erst als der Notarzt kommt und berichtet, dass der Mann stabil ist und eine Überlebenschance hat, kommt der Hunger wieder. „Es war wie eine Erlösung“, erinnert sich Steuerwald. Sofort waren auch Seelsorger vor Ort und betreuten, wenn nötig.
Die Mannschaften wurden ebenfalls informiert und so konnten alle mit einem annähernd guten Gefühl nach Hause fahren. Die Heimreise war ungewöhnlich still und ruhig für eine U14-Mannschaft. Erst als sich der Adrenalinspiegel im Körper senkte, kam das Erlebte im Kopf an. „Ich habe schlecht geschlafen“, berichtet Steuerwald.
Tage später kommt die erlösende Nachricht
Tage später kommt die erlösende Nachricht aus Neumarkt. Der Mann – er heißt Christian T. und ist 49 Jahre alt – lebt. Und es sind keine bleibenden Schäden erkennbar, wird Steuerwald informiert.
Das Trio hat perfekt harmoniert und ein Leben gerettet. Im Bruchteil einer Sekunde richtig gehandelt. Sie wollen nicht im Vordergrund stehen, sondern vielmehr eine Botschaft vermitteln. „Jede Hilfe ist besser als gar keine Hilfe“, meint Eppler.
In ihrem Heimatort will sie sich übrigens dafür einsetzen, dass ein Defibrillator angeschafft wird. Steuerwald hat seine Frau und seine Schwiegereltern gleich für einen Erste-Hilfe-Kurs angemeldet und Nagel wird beim nächsten Ersthelferkurs in seinem Betrieb von einem realen Fall berichten. Und vielleicht sehen sich die Retter und Christian T. wieder. Dann können sie seinen zweiten Geburtstag feiern.


