
Es stand unter keinem allzu guten Stern, das Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin . Ursprünglich sollte Tugan Sokhiev, der das Orchester bereits von 2012 bis 2016 als Chefdirigent leitete, als Gastdirigent auftreten. Er musste jedoch kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen. Glücklicherweise wurde ein geeigneter Ersatz gefunden, der das geplante Programm eins zu eins übernehmen konnte: Markus Poschner , der als Generalmusikdirektor des Bruckner-Orchesters Linz (seit 2016) schon von Amts wegen zu einem international anerkannten Bruckner-Deuter werden musste.
Aber dann kam am Sonntagmorgen auf der A 9 in der Nähe von Greiz der Lastzug, der die Instrumente und Fräcke des Orchesters transportierte, von der Fahrbahn ab, und der Anhänger kippte um. Zum Glück war alles gut verpackt und gesichert. Nur ein paar Blechblasinstrumente bekamen kleinere Beulen, die relativ leicht zu beheben sind und die vor allem die Spielfähigkeit nicht beeinträchtigten. Die Sachen erreichten ihr Ziel noch rechtzeitig, die Musik konnte beginnen.
Ein Frühwerk von Clara Schumann
Wenn man das Konzert von der Gewichtung her betrachtet, dann hatte es zwei sehr unterschiedliche Teile. Das Leichtgewicht kam zuerst: das selten aufgeführte Klavierkonzert a-Moll von Clara Schumann . Historisch korrekter wäre ja … von Clara Wieck, denn als sie mit ersten Skizzen begann, war sie 13 Jahr alt; fertig wurde das Konzert zwei Wochen vor ihrem 16. Geburtstag. Da war sie Robert Schumann zwar schon zugetan, aber noch nicht mit ihm verheiratet. Das passierte fünf Jahre später.
Es war jetzt durchaus ein Verdienst der Aufführung, dass man hören konnte, warum das Konzert kein Leuchtturm geworden ist. Clara Schumann hat wunderbare Stücke geschrieben für Klavier, Kammermusik und Stimmen. Aber Orchesterkompositionen waren ihre Sache nicht so sehr. Davon hat sie sich schon sehr früh wieder zurückgezogen, und das a-Moll-Konzert hat als einziges seiner Gattung überlebt. Sie schrieb das Konzert nicht für den Nachruhm, sondern für sich, und sie wollte damit zeigen, was sie in ihren jungen Jahren pianistisch schon so alles draufhatte. Und das war eine ganze Menge.

Musik einer verliebten Sechszehnjährigen
Oder anders gesagt: Nicht nur der Solopart, sondern auch der Orchesterpart sind enorm schwer geworden, denn in jungen Jahren hält man Tempo und virtuosen Druck für besonders spektakulär. Und so hatte der Solist Jean-Frédéric Neuburger in den beiden, sich stark ähnelnden, etwas kontrastarmen Ecksätzen gut zu tun, sich durchzuwühlen, sich gegen das Orchester zu behaupten. Da gab es für beide nur wenige Atempausen.
Athletisch und technisch beeindruckend, aber man hätte sich von Neuburger etwas mehr Kontaktaufnahme mit dem Orchester gewünscht und auch einen differenzierten, nicht immer nur nüchtern-trockenen Anschlag. Schließlich spielte er die Musik einer verliebten Sechzehnjährigen.
Emotional und intellektuell
Das kam ein bisschen zur Geltung im langsamen Mittelsatz, in dem es sich Clara freilich leicht gemacht hat. Da kam nach Mischa Meyers fast ein bisschen melancholisch gestalteten Cellosolo nur das Klavier, kein Orchester, das er nach einem Cellobeschluss in den letzten vier Takten wieder zum Attacca-Übergang in den letzten Satz einstieg. Ansonsten: Klaviersonate. Vielleicht hatte Clara bemerkt, dass es verdammt schwer ist, langsame und trotzdem spannende Klaviermusik zu schreiben, vielleicht fehlte ihr da nicht nur handwerkliche, sondern auch etwas Lebenserfahrung, Aber hier konnte Neuburger dafür auch etwas die Emotionalität blühen lassen.
Der zweite Teil war der große Kontrast. Bei Anton Bruckners 4. Sinfonie , der „Romantischen“ – ein Beiname, der schon Großes verspricht – merkte man vom ersten Ton an, dass Markus Poschner und das Orchester wirklich drin waren, dass jeder wusste, wohin die Reise durch die Romantik gehen sollte. Poschner arbeitete mit starken dynamischen Kontrasten, wobei er durchaus auch an die Grenzen ging.
Aber es gelang ihm auch, klare Strukturen zu schaffen, die das monumentale Werk durchdringbar und viele Emotionen und Assoziationen weckten. So konnte man, wenn man wollte, den einsamen Hornruf des Beginns durch das ganze Werk verfolgen. Man konnte sich von den alptraumhaften Trauermarschrhythmen des Andante beeindrucken, von den Ländlerrhythmen des Scherzos amüsieren und vom Blitz und Donner und Sturm erschrecken lassen. Unterm Strich eine ebenso emotionale wie intellektuelle Interpretation, die zu hören Spaß machte.
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