Das Lob des einen Discounters für den anderen - es fiel überschwänglich aus. In der wahrscheinlich ersten Video-Livekonferenz in der Geschichte des Bad Brückenauer Stadtrats würdigte Stefan Schmidl vom Aldi-Logistikzentrum in Helmstadt (Landkreis Würzburg) die geplante Ansiedlung eines dm-Drogeriemarktes vis-à-vis der Aldi-Filiale in der Kissinger Straße als "ideale Kombination", als "harmonisch" und "gut zueinander passend".
Zusammenarbeit schon 250 Mal
Für diese Ansiedlung haben sich beide Ketten zusammengetan. "Wir sind uns sehr einig", so Schmidl. Und zwar darüber, dass in der nordöstlichen Ecke des Aldi-Geländes ein 650 Quadratmeter umspannender Flachbau mit Gründach und Photovoltaik-Anlage entstehen soll. Dafür müssten 25 der 93 Autostellplätze weichen.
Laut Schmidl, beim Lebensmittel-Discounter in Helmstadt für die Filialentwicklung zuständig, gibt es die Kombination dm/Aldi schon 250 Mal. Sie funktioniere sehr gut; die Angebote würden sich ideal ergänzen. Er spricht von "One-stop-Shopping". Das bedeutet, Kunden kommen einmal aufs Gelände, stellen ihr Auto ab und nutzen fußläufig die Sortimente beider Märkte.
Kunden müssten nicht mehr weit fahren
Speziell für Bad Brückenau würde die dm-Ansiedlung laut Schmidl eine "Attraktivitätssteigerung" bedeuten. Dieser Frequenzbringer für die Stadt könnte den regionalen Einzelhandel stärken.
Kunden aus diesem Bereich würden bewusst den Weg zur 30 Minuten entfernten nächstgelegenen Filiale der Drogeriekette wählen, um dort einzukaufen. Das müssten sie bei Ansiedlung eines Marktes in der Kissinger Straße nicht mehr (Recherche der Redaktion: Der nächste dm liegt in Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis), ein ziemliches Gegurke über Straßen in Rhön und Bergwinkel).
625 Quadratmeter Verkaufsfläche
Dem wachsenden Online-Handel, speziell bei Lebensmitteln, will der Aldi-Mann ein Schnippchen schlagen. In Deutschland stehe der mit 1,5 bis 1,8 Prozent zwar noch am Anfang; im wichtigen Referenzmarkt England liege der Anteil aber schon bei rund zehn Prozent.
Von dm selbst war kein Vertreter im Stadtrat zugegen, dafür der Planer des Marktes, Claus Finzel. Er ging auf Details des Gebäudes ein. Von den 650 Quadratmetern Gesamtfläche sollen 625 Verkaufsfläche sein, wie man es von dm kenne mit Fotostation, Kinderecke und barrierefreiem Kunden-WC. Im hinteren Bereich seien ein kleines Lager, sozialräume für die Belegschaft und WCs angesiedelt.
Zimmermann kritisiert Standort außerhalb der Kernstadt
Die Anlieferung erfolge ein bis maximal zweimal pro Woche über die Südseite. Auf dem Parkplatz zwischen Aldi und dm würden die Stellplätze gedreht. Der Strom von der PV-Anlage sei zur Eigennutzung im Gebäude gedacht. Das geplante Gründach gleiche die wegfallenden Bäume ökologisch aus.
Stadträtin Adelheid Zimmermann (FDP) fragte, was sicher viele Bad Brückenauer und Gäste bewegt: Warum kommt der dm nicht in die Kernstadt. Dies wäre dort "eine Super-Niederlassung". Während die Innenstadt veröde, habe man außerhalb ein großes Einkaufsgelände.
Schmidl: prinzipiell nicht in Zentren von Kleinstädten
Stefan Schmidl sprach für dm: Zimmermanns Argumente seien nachvollziehbar; doch die Drogeriekette gehe - wie Aldi - prinzipiell nicht in Zentren von Kleinstädten; das habe auch für Bad Brückenau nie zur Diskussion gestanden. "Der Kunde nimmt das am Ende des Tages nicht an."
Wie der Lebensmittel-Discounter brauche auch dm viele Parkplätze. Die Einkäufe seien in beiden Märkten relativ groß; Kunden wöllten nicht mit ein oder zwei Tüten weit zum Auto laufen müssen.
Übelacker: Reichen verbleibende Parkplätze aus?
Dieter Seban (CSU) fand die Kombi von Aldi und dm prinzipiell gut. Neben dem Rossmann in der Sinnaustraße komme damit ein weiteres Drogerie-Angebot in die Stadt, das fußläufig erreichbar sei. Mit dem neuen Markt werde keine neue Fläche versiegelt, sondern nur der Aldi-Raum verdichtet. Auch Seban hofft, dass der dm mehr Menschen nach Bad Brückenau und speziell die Innenstadt lockt.
Heribert Übelacker (CSU) äußerte Sorge, dass die verbliebenen 68 Parkplätze nicht ausreichen könnten. Laut Schmidl zeigt die Erfahrung aus 250 Markt-Kombinationen, dass die Zweifel unbegründet sei. Die Unternehmen würden sich selbst schaden, wenn die Kunden nicht ausreichend Raum für ihre Fahrzeuge hätten.
Bauantrag soll Anfang 2025 folgen
David Fronczek (SPD) fragte nach möglichen Konflikten zwischen Fahrradfahrern und insbesondere dem abbiegenden Autoverkehr an der Kissinger Straße. Planer Claus Fitzel sieht die nicht, genauso wenig wie eine besondere Hochwasserlage. Es müsse schon viel passieren, bis das Wasser der Sinn über das leicht ansteigende Grundstück hoch zu den Märkten laufe.
Einen Bauantrag haben weder Aldi noch dm für ihr gemeinsames Projekt eingereicht. Fitzel schätzt, dass das Anfang 2025 geschehen wird. Dann liege alles weitere bei den Behörden. Der Bau des Drogeriemarktes könnte rund sechs Monate in Anspruch nehmen.