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Sulzthal
Am Reitplatz in Sulzthal: PET-Fasern flattern im Wind - schädlich oder nicht?
Der Sulzthaler Reitplatz "Auf der Steige" liegt in einem FFH-Gebiet. Ist die Tretschicht aus PET-Fasern und Sand bedenklich für Mensch, Tier und Umwelt?
Wie Baumwollfetzen liegen die PET-Fasern teilweise auf dem Reitplatz „Auf der Steige“ oberhalb von Sulzthal.       -  Wie Baumwollfetzen liegen die PET-Fasern teilweise auf dem Reitplatz „Auf der Steige“ oberhalb von Sulzthal.
Foto: Angelika Despang | Wie Baumwollfetzen liegen die PET-Fasern teilweise auf dem Reitplatz „Auf der Steige“ oberhalb von Sulzthal.
Angelika Despang
 |  aktualisiert: 26.11.2024 12:25 Uhr

Weiße, dünne Fäden schauen aus dem Sand und flattern im Wind. Wie kleine Wollfetzen liegen sie verteilt auf dem Boden des Reitplatzes „Auf der Steige“ über Sulzthal . Auch in umliegenden Grasbüscheln haben sich weiße Fasern verfangen. Was da umher weht, ist aber keine Wolle, sondern es sind Kunstfasern , mit denen der Sand des Reit- und Dressurplatzes vermischt wurde.

Klaus Keller, SPD-Gemeinderat in Sulzthal , macht sich Sorgen um die Umweltbelastung auf der Steige, denn der Reitplatz liegt in einem FFH-Gebiet mit Kiefernwäldern und Kalkmagerrasen.

FFH steht für Fauna-Flora-Habitat, der Schutzstatus wurde 1992 von der Europäischen Gemeinschaft zum Schutz der biologischen Vielfalt eingeführt.

PET-Fasern in der Tretschicht des Reitplatzes       -  PET-Fasern in der Tretschicht des Reitplatzes
Foto: Ralf Ruppert | PET-Fasern in der Tretschicht des Reitplatzes

Wie kann eine Behörde das zulassen?

„Es ist ja ein zertifizierter Belag für Reitplätze, aber die Fasern bestehen aus PET. Nach dem Winter kann man eine zwei Zentimeter dicke Schicht dieser Fasern wie Spinnenfäden auf dem Boden im umliegenden Wald finden“, sagt er.

Die Abkürzung PET steht für Polyethylenterephtalat. Das ist ein thermoplastischer Kunststoff aus der Familie der Polyester. Keller weiß, dass auf vielen Reitplätzen ein Faser-Sand-Gemisch als Tretschicht für die Pferde üblich ist, um die Eigenschaften des Reitbodens zu verbessern. Trotzdem fragt er sich: „Wie kann eine Behörde das zulassen, dass sich Kunststoff-Fasern in der Natur verteilen?“

PET in FFH-Gebiet

Auch Achim Neder aus Sulzthal hat sich beim Spazierengehen gewundert, welche Fasern dem Sand auf dem Reitplatz beigemischt wurden. Als Chemiker konnte er nachprüfen, aus welchem Material die Fasern bestehen: „Die konnten eindeutig als PET-Fasern identifiziert werden. Sie ließen sich aufschmelzen.“

Auch Neder ist bewusst, dass es diese Mischung häufig auf Dressurplätzen gibt, „aber in einem FFH-Gebiet? Die Fasern werden ja durch den Hufaufschlag immer mehr gebrochen und zerkleinert. Da reicht nur ein kleiner Windhauch aus und es verteilt sich über das ganze Gebiet.“

Der Reitplatz „Auf der Steige“ wurde 2019 neu gestaltet und über ein Leader-Programm im Rahmen von Sportförderung und Standortmarketing mit EU-Geldern gefördert. Die Firma Söder aus Kilianshof übernahm den Umbau. Laut ihrer Webseite wurden in Sulzthal eine Tragschicht, Reitgitter als Trennschicht und Reitsand mit Fasern verwendet.

Von der Naturschutzbehörde abgesegnet

Franz Menig, Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Sulzthal , der den Reitplatz „Auf der Steige“ betreibt, hält fest: „Die Erneuerungen wurden von der Naturschutzbehörde abgesegnet.“ Ansonsten sei er zufrieden mit dem Belag des Platzes.

Auch Sulzthals Bürgermeister August Weingart (CSU) betont, dass der Platz von der Unteren Naturschutzbehörde geprüft und genehmigt wurde, „deswegen sehe ich darin kein Problem. Der Reitplatz wird hervorragend genutzt und für sehr gut befunden.“ 2020 hätte es bereits Diskussionen im Gemeinderat über das Thema gegeben, inzwischen sei es aber abgeschlossen.

Die Untere Naturschutzbehörde ist dem Landratsamt zugeordnet. Auf Nachfrage erklärt die Pressestelle: „Der Eingriff in das FFH-Gebiet (Bau des Reitplatzes) wurde durch adäquate Kompensationsmaßnahmen (Herstellung von Kalkmagerrasen) ausgeglichen. Die Verwendung von Fasern zur Stabilisierung des Platzes ist bei Reitplätzen üblich. Das verwendete Produkt ist ökologisch unbedenklich.“ Eine Überprüfung auf PET-Fasern hätte nicht stattgefunden, da der Reitplatz im einfachen Baugenehmigungsverfahren genehmigt wurde und in derartigen Verfahren üblicherweise keine Überprüfungen durchgeführt werde.

Der Reitplatz „Auf der Steige“ im FFH-Gebiet unweit eines Biotops.       -  Der Reitplatz „Auf der Steige“ im FFH-Gebiet unweit eines Biotops.
Foto: Grafik: Dagmar Klumb, Quelle: geoportal.bayern.de | Der Reitplatz „Auf der Steige“ im FFH-Gebiet unweit eines Biotops.

Verteilung nicht möglich

Auf die Frage, was dagegen getan wird, damit sich die PET-Fasern nicht im umliegenden Wald und Magerrasen verteilen, antwortet das Landratsamt: „PET-Fasern sind mit dem Sand gebunden, sodass eine Verteilung nicht möglich ist.“

Peter Piel, bei der Unteren Naturschutzbehörde zuständig für Sulzthal, konkretisiert auf Nachfrage der Redaktion: „Im Rahmen eines Ortstermins am 10. Oktober 2023 wurden augenscheinlich lediglich zwei Flocken von PET-Fasern und diese ausschließlich am direkten Rand und nicht im weiteren Umfeld des Reitplatzes vorgefunden. Im Gegensatz dazu wurde eine Vielzahl an Zigarettenstummeln im Bereich des Reitplatzes entdeckt.“

Die Beobachtungen von Klaus Keller und Achim Neder erklärt er damit, dass sich dort auch Disteln befinden, deren Flugsamen den PET-Fasern ähneln. 

Keine Zerkleinerung

Auch was das Zerkleinern der PET-Fasern durch die Trittbelastung der Pferdehufe betrifft, sieht das Landratsamt keinen Grund zur Sorge: „Nach unserem Kenntnisstand werden die Fasern von den Pferdehufen nicht zerkleinert und können demnach nicht als Mikroplastik in die Umwelt gelangen.“ 

Dagegen warnt das Umweltministerium Baden-Württemberg in einer Broschüre vor Mikroplastik im Reitsport .

Demnach beinhalten geschätzt 60 Prozent aller in Deutschland vorhandenen Reitplätze zwischen einem und fünf Prozent Synthetik: „Ein Problem ist, dass die synthetischen Zuschlagstoffe nicht auf dem Reitplatz bleiben. Durch die mechanische Trittbelastung der Hufe werden sie zerkleinert und zerrieben. Mit den Pferdehufen oder Reitstiefeln werden sie in den Stall oder ins Freie getragen. Durch Wind und Regen gelangen sie in die Umwelt und ins Abwasser.“

Bedenken unbegründet

Darauf angesprochen, schränkt Peter Piel ein: „Eine verschwindend geringe Menge an Mikroplastik befindet sich in allen Landschaftsbereichen, in denen derartige Materialien zum Einsatz kommen – zum Beispiel Gummiabrieb von Schuhen, von Fahrzeugen, et cetera. Nach aktueller naturschutzfachlicher Einschätzung sind vom Reitplatz ausgehend keine Beeinträchtigungen der angrenzenden Kalkmagerrasen feststellbar – weder durch PET-Fasern noch durch etwaig auftretendes Mikroplastik. Seitens des fachlichen Naturschutzes sind die Bedenken hinsichtlich eines Umweltschadens an den zu erhaltenden Lebensraumtypen im FFH-Gebiet unbegründet.“

Dass es durch das Zerreiben des Faser-Sand-Gemisches Folgen für die Gesundheit von Mensch und Tier gibt, verneint das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL): „Auf Freiluftreitplätzen, die mit PET-haltigen Sandtretschichten ausgestattet sind, spielen Luftbelastungen durch Fasern oder Faserbestandteile keine gesundheitsrelevante Rolle, da die aus den Polymeren freigesetzten Kunststoffpartikel in der Atmosphärenluft stark verdünnt werden. Auch ein Eintrag in das Grundwasser ist nicht zu erwarten.“

Laufende Forschungen

Stefanie Arnhard, öffentlich bestellte Sachverständige für Reitanlagen und Stallgebäude  (IHK München), weist darauf hin, dass die Zerkleinerungsprozesse von Materialqualität, Pflege und Nutzungsintensität abhängen:

„Damit besteht die Gefahr, dass Material in die Umwelt gelangt und Partikelgrößen erreicht werden, die einen Einfluss auf die Gesundheit von Mensch und Tier haben können. Derzeit gibt es an verschiedenen Stellen Forschungen zu diesem Thema, sodass ich noch keine Aussagen über die tatsächliche Höhe des Risikos, die Häufigkeit von nachweislichen Gesundheitsschäden, eine kritische Menge, Langzeitfolgen und Konsequenzen treffen kann.“

 

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Kommentare
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  • Andrea Schmitt
    Klaus Keller und Achim Neder zu unterstellen, sie würden Distelsamen und Plastikmüll nicht unterscheiden können ist schon sehr dreist.
    Wenn ich eine Plastiktüte im Wald liegen lasse, ist das eine Ordnungswidrigkeit. Wenn ich PET-Fasern auf den Reitplatz kippe finden das alle Entscheidungsträger in Ordnung.
    Verstehe ich nicht.
    Michael Schmitt
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