
"Die Geburtsstunde der Oerlenbacher Gespräche schlug nicht hier in der Hegler Halle, sondern im kleinen Pfarrheim der Gemeinde", erinnert Polizeidirektor Ralf Wiegand, Leiter des Bundespolizeiaus- und -Fortbildungszentrums Oerlenbach an das Jahr 1999. Die Idee, das 50-jährige Jubiläum des Grundgesetzes der Bundesrepublik als Anlass für ein Bekenntnis von Gemeinde und dem damaligen Bundesgrenzschutz zu dessen Werten zu nehmen, ist aber auch 20 Jahre danach so aktuell, wie es ein Jahr vor der Jahrtausendwende war. Die Liste der Gastredner an die Bürgermeister Franz Kuhn in seiner Begrüßung erinnert, zeigt den Stellenwert, den die Oerlenbacher Gespräche inzwischen erreicht haben.
Videobotschaften
Die ehemalige Ministerpräsidenten Günter Beckstein, Bayern und Erwin Teufel, Baden Württemberg, waren ebenso zu Gast in Oerlenbach wie Bundespräsident a.D. Roman Herzog. Eine außergewöhnliche Geste der Anerkennung zeigen Landtagspräsidentin a.D. Barbara Stamm, Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, FDP - alle waren Redner in Oerlenbach - mit pointierten, persönlichen Videobotschaften. Auch Siegfried Erhard, damaliger Bürgermeister grüßt als Mitbegründer der Gesprächsreihe von der Leinwand. Sich für die Werte unserer freien demokratischen Grundordnung einzusetzen lohnt sich, ist aus diesen Botschaften herauszuhören. Diese Werte öffentlich zu machen, ist eine der Botschaften des Abends und es herrscht auch ohne Nationalhymne eine fast feierliche Stimmung unter den Gästen. Dazu tragen auch die jungen Polizistinnen und Polizisten bei, die in Oerlenbach ausgebildet werden. In ihren schmucken Uniformen unterstreichen sie den festlichen Rahmen.
Wehrhafte Demokratie
Die Festrede des Parlamentarischen Staatssekretärs des Inneren Stephan Mayer, CSU ist eine angemessen unpolitische Würdigung des Grundgesetzes und ein flammender Appell, dessen Werte auch in schwierigen Zeiten zu bewahren. "Aus der Vergangenheit gelernt, stabil, gerecht und fortschrittlich", nennt er das Grundgesetz. Modern deshalb, weil inzwischen 65 Änderungen die sich wandelnden Verhältnisse abbilden. "Es ist jetzt doppelt so dick wie vor 70 Jahren und es muss sich jetzt bewähren, wo die Individualisierung, die Polarisierung, die Stärkung der Ränder die Fliehkräfte nach außen beschleunigt". Die einzelnen Freiheitsrechte und das gesellschaftliche Miteinander abzuwägen und in Einklang zu bringen ist Verpflichtung, die uns das Grundgesetz auferlegt. Die Demokratie muss Kräften gegenüber, die andere Gesellschaftsformen wollen, auch wehrhaft bleiben. Das ist originäre Aufgabe der Bundespolizei, die an den Bahnhöfen, Flughäfen oder auf hoher See präsent ist, Objekte des Bundes schützt, Bundesländer und Behörden unterstützt und Kriminalität bekämpft.
Grenzpolizeiliche Aufgaben kommen dazu, in einem Land, das von neun Ländern in Frieden und Freundschaft umgeben ist. Es sind auch 30 Jahre, dass die Mauer gefallen ist und aus dem Grenzschutz die Bundespolizei geworden ist. Europa ist ein Segen, aber die Außengrenzen nach dem "Schengener Abkommen" zu schützen, ist über die Beteiligung an "Frontex" Aufgabe der Bundespolizei. Den angehenden Polizistinnen und Polizisten ruft er zu "Ihr macht keinen Job, ihr habt einen hochattraktiven Beruf, schützt Werte und Grundsätze". Die Verrohung, nicht nur der Sprache im Internet, sondern auch die Zunahme der Gewalt gegen die Polizei, sei eine Herausforderung für die Gesellschaft. Deshalb habe die Polizei die Rückendeckung des Staats verdient.
Auch die Fragen aus dem Publikum beantwortet Stephan Mayer sehr sachlich und erschöpfend. Er sieht eine stark wachsende Bundespolizei durch weitere Aufgaben und Anforderungen, denn Bundespolizisten überwachen inzwischen 40 Prozent der Fläche der gesamten Bundesrepublik. Wegen der dazu notwendigen Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sieht Mayer den Standort Oerlenbach in den nächsten Jahren nicht gefährdet.