Beim Teutates!!! Wer es immer noch nicht glaubt, dem sei gesagt: Das Zentrum der Marktgemeinde Bad Bocklet ist Steinach – jedenfalls zur Faschingszeit! Über fünf Stunden präsentierte der Heimatverein mit seiner „Verflixten Sieben“ an zwei Abenden ein abwechslungsreiches Programm unter dem Motto „Die spinnen, die Rhöner“ mit wirbelnden Gardetänzen und scharfzüngigen Büttenreden, mit viel Spaß und mancher Spitze gegen das Staatsbad und den fränkischen Fastnacht-Verband.
Ohne Fasching geht es nicht
„Ohne en Fasching, doa sen mer uns äänich, geht“s efoch net, … doa in Stänich.“ Mit selbstbewussten Versen erinnerte Sitzungspräsident Andreas Alles noch einmal an die im vergangenen Jahr in den Mai verschobenen Büttenabende und die damaligen Helau- und Narrenkappen-Verbote des Fastnachts-Verbands. „Verbote, Tipps und Hinweise gab's zu Hauf. Dankschön. Mit Verlaub, doa sch... mer drauf!“
Drastisch wetterte „Eulenspiegel“ Andreas Freibott, zweiter Vorstand des Heimatvereins , getreu dem Motto des Abends diesmal als römischer Centurio nicht nur gegen das kleine „Dorf der Unbeugsamen“, sondern gleich gegen ganz Germania. Anfangs noch in einem latinisierten Kauderwelsch die Gäste verwirrend, wechselte der Möchtegern-Römer schnell in altfränkischen Dialekt und zog in einem eindrucksvollen Rückblick über alles her, was im vergangenen Jahr sein Missfallen erregt hatte.
Kein Meter nach Süden
Vor allem die Idee von Geschäftsleiter Thomas Beck , wegen befürchteten Gasmangels die Henneberghalle nicht zu heizen, sondern die Steinacher Büttenabende in der Bad Bockleter Wandelhalle abzuhalten, erregte seinen Zorn: „Denn in em Punkt, doa sen mir uns änich: Ken Meter gen Süden! Mir sen vo Stänich!“
Wenn auch die Steinacher sich in vielem einig sind, über Nachbarn wird doch ganz gern hergezogen – natürlich nur im Fasching. Einige Beispiele lieferten Jacqueline Dünisch und Liane Hemmert wieder in ihrem alljährlichen „Stänicher Außenreport“.
Renovieren statt Urlaub
An Unerfreuliches während der Pandemie erinnerten frech wie immer mit Sketch und Gesang die Kellerbachspatzen. Statt in Urlaub zu fahren durften die Ehemänner daheim die Wohnung renovieren. Aber die Lockdowns ersparten den Männern wenigstens lästige Einkaufsfahrten: „Die Fraa bestellt täglich bei Amazon nur. Packt aus und packt ei, und schickt wieder retour.“
Fast wie in der DDR
Es hätte wirklich etwas gefehlt, wenn die Steinacher nicht auch gegen Bürgermeister Andreas Sandwall ( CSU ) gestichelt hätten. „Unser Sandwall hat scho gesocht: Wenn die Bagger oorücke, klebt er sich mit die Händ auf die Fahrbahn vor die Bröacher Brücke fest. Jawoll! Des is Aktivismus. Andi der Che Guevara vom Vogelkundepfad.“ Als einziger Kandidat zur heuer kommenden Bürgermeister-Wahl fühlten sich die Kellerbachspatzen an DDR-Zeiten erinnert.
Fast schien es im Verlauf der fünf Stunden, dass in Liedern, Sketchen und Büttenreden kein Thema aus Politik und Gesellschaft ausgespart blieb. So war Kabarettist Fredi Breunig das herausragende Beispiel für den Mangel an Pflegepersonal. Als gelernter Gas- und Wasser-Installateur schien er qualifiziert genug, um zur Krankenschwester umgeschult zu werden. So konnte er – oder sie – über erste Erlebnisse im Krankenhaus berichten und die Vielsprachigkeit ausländischer Ärzte und Mitarbeiter anprangern.
Vertreter vertritt Chefarzt
Er sei als „Aborigine aus der Rhön“ der einzige, der die hiesigen Patienten richtig versteht. Auch die Qualifikation des Personals könnte besser sein: „Neulich war der Chefarzt in Urlaub. Da mussten sie einen Vertreter einstellen. Also, ein Arzt wäre besser gewesen.“ Auch mit Steinacher Patienten hat er seine Erfahrungen machen müssen: „Bei den Stänichern fragt man sich, wie die roten Blutkörperchen in den Alkohol gekommen sind.“
Gezielte Nachwuchspflege
Erfreulich ist die gezielte Nachwuchspflege bei den Steinacher Narren. So konnte Präsident Alles neben altbewährten Mitwirkenden mit den „Bambinis“ (sechs bis zehn Jahre) und den „Wilden Hühnern“ (zehn – 14 Jahre) wieder zwei Kindergarden mit 23 Mädchen und einem Jungen präsentieren.
Doch gut gemeinte Nachwuchsförderung kann für manchen auch Nachteile bringen. Denn die drei Nachwuchsnarren Nils Schmitt, Nico Wehner und Simon Bühner stellten mit ihrem in feinstem Hochdeutsch verfassten Antrag die aktuelle Besetzung des Präsidenten-Amtes sehr in Frage, „da der derzeitige Amtsinhaber permanent die deutsche Sprache vergewaltigt“ und der Siebener-Rat „schon rein optisch eine Zumutung ist“.
Gelassener Präsident
Das geniale Bühnenbild werde durch die davor sitzenden Pappnasen nur verschandelt. Präsident Alles nahm es gelassen und bot den drei jungen Narren für die Dauer ihres Auftritts Plätze im Präsidium an, wo sie prompt hemmungslos über die Steinacher Welt herzogen.
Nach dem umjubelten Abgang der drei Nachwuchsnarren versäumte der amtierende Präsident allerdings, über deren formvollendeten Antrag abstimmen zu lassen. Hatte er etwa Angst um seinen eigenen Posten? Egal.
Aufgrund dieser Unterlassung werden die Steinacher jedenfalls auch im nächsten Jahr mit denselben „Pappnasen“ vor einem dann neuen Bühnenbild vorlieb nehmen müssen. Es gibt Schlimmeres.