Die Eintracht spielte am Abend europäisch. Gegen Helsinki. Dem Frankfurt-Fan aus Altengronau war’s egal. Er hatte – ausnahmsweise – was Besseres vor. Beim Infomarkt von Tennet wollte er wissen, warum die Starkstromleitung P43 doch bei ihm langkommt, nicht wie gedacht an der A7. Die Antwort hat mit Trinkwasser zu tun.
Dass das Gespenst der sogenannten Fulda-Main-Leitung die Region wieder verlässt, hofften wohl nur die Kühnsten der mehr als 200 Besucher in der Schulturnhalle. Darunter neben vielen Betroffenen aus dem Markt Zeitlofs etliche „Sinntaler“ und „Main-Spessartler“.
Strang A führt zwischen Orten hindurch
Die Streckenführung der P43 betrifft sie wieder, nachdem Tennet sich umentschieden hat. Nicht mehr die Route entlang der A7 schlägt der Übertragungsnetzbetreiber als Vorzugskorridor im Abschnitt B (Dipperz – Bergrheinfeld) vor, sondern eine westlichere Route.
Dieser „Strang A“ sieht so aus: Von Norden aus Hessen entlang der ICE-Trasse Fulda-Würzburg kommend, soll die P43 die Sinn bei Zeitlofs überqueren und der Gasleitung Sannerz – Rimpar folgen. Dabei werden Roßbach, Weißenbach und Detter passiert, ehe der Korridor in den Wald und zwischen Wartmannsroths Ortsteilen Heiligkreuz und Heckmühle sowie Völkersleier, Dittlofsroda und Waizenbach hindurch nach Main-Spessart und Bergrheinfeld führt.
Schutzgebiet als „Verbotstatbestand“
Die Tennet-Vertreter Thomas Wagner und Axel Puttkammer gaben sich alle Mühe, den Anwesenden das Umschwenken zu erklären. Alle bisherigen Korridorvarianten seien gleich geprüft worden, wobei nach Höhe des Konfliktpotenzials beziehungsweise Schwere des Raumwiderstands gewichtet wurde.
Ergebnis: Strang A über Zeitlofs und Wartmannsroth bietet sicher einige Hindernisse, die in der Topographie begründet sind : große Waldgebiete, Querungen von Flüssen, Flora-Fauna-Habitate.
Strang B an der A7 bietet davon vielleicht nicht so viel, dafür einen „Verbotstatbestand“: das Römershager Wasserschutzgebiet (WSG) unter der Rhönautobahn. Dessen drei Brunnen versorgen laut Stadtwerke Bad Brückenau samt Stadtteile und Eckarts mit Trinkwasser – insgesamt 7500 Menschen.
Durch dieses Gebiet käme Tennet laut Puttkammer nicht durch. Jegliche bauliche Anlagen und das Einrichten von Baufeldern seien dort verboten; gebohrt oder geschachtet werden dürfe nur bis zu einem Meter Tiefe – was für einen Starkstrommasten definitiv nicht ausreicht.
Schutzgebiet nicht überspannbar
Da das Wasserschutzgebiet sich über 1,5 Kilometer ausdehnt, sei es nicht überspannbar. Dazu bräuchte es drei bis vier Masten, die im WSG gründen, was wiederum nicht erlaubt ist. Es gibt Ausnahmen von der Regel: Eine Stromleitung darf durch ein WSG führen – wenn keine Alternative vorhanden ist, so Puttkammer. Doch die bestehe mit Strang A.
Manchem Besucher leuchtete nicht ein, warum die Autobahn mitten durchs WSG führen darf, die Stromtrasse aber nicht. Vor zehn Jahren sei an der A7 die Sinntalbrücke neu gebaut worden. Ihre Pfeiler fußen auf Fundamenten im WSG.
Autobahn genießt Bestandsschutz, Stromtrasse nicht
Puttkammer erklärte diesen Widerspruch damit, dass die Autobahn ja seit Jahrzehnten da ist, Bestandsschutz genießt. Die Fulda-Main-Leitung sei aber neu; da würden andere Kriterien gelten.
Beim Infomarkt in Gemünden Tage zuvor war behauptet worden, das Römershager WSG sei absichtlich erweitert worden, um Leitungen wie die P43 an der A7 zu verhindern. Dieser Vorwurf stand auch in Zeitlofs latent im Raum.
Birgit Imhof, Leiterin des Wasserwirtschaftsamtes in Bad Kissingen, sagt: „Das ist tatsächlich nicht zutreffend. Das Wasserschutzgebiet ist nicht zum 22. Dezember 2015 festgesetzt worden, um 2023 eine Leitung zu verhindern.“
Wasserschutzgebiet war zu klein
Das WSG sei zu klein gewesen, das Verfahren zu dessen Erweiterung vor 2010 gestartet worden; da habe niemand an Stromtrassen in dem Gebiet gedacht.
Selbst wenn sie rechtlich möglich wären: Imhof sähe Strommasten im WSG kritisch. An den Hängen bei Römershag herrsche karstiger klüftiger Untergrund. Eindringendes Oberflächenwasser und damit Verunreinigungen seien schnell bei den Brunnen. Besonders in der Bauphase sei die Gefahr dafür groß. Sollte das Trinkwasser wirklich verunreinigt werden, müsse man eine ganze Stadt mit Trinkwasser aus Tankwagen versorgen.
Keine bedeutenden wasserwirtschaftlichen Einwände bei Vorzugskorridor
Beim neuen Vorzugskorridor sieht Imhof „keine bedeutenden wasserwirtschaftlichen Belange“ berührt.
Einige Besucher des Infomarktes ersannen Vorschläge, wie man den Riegel WSG überwinden kann. Eine davon: die P43 einfach drumherum führen.
Truppenübungsplatz und Bebauung weitere Hindernisse
Das klappt nicht, so Puttkammer. Nördlich seien der Truppenübungsplatz Wildflecken und Naturschutzgebiete planerisch unüberwindbar, südlich die Bebauung zu dicht. Der Idee, ein Erdkabel oberirdisch durchs Tal zu verlegen und nur mit Ede zu bedeckcn, trat Thomas Wagner entgegen. Dies sei wieder eine unerlaubte bauliche Veränderung und die rechtliche Grundlage fehle.
Den Vorschlag, die Leitung unten an die Sinntalbrücke zu hängen, sieht Wagner als technisch kaum machbar. Autobahnbrücken seien dazu nicht angepasst.
Bundesnetzagentur kann auch anders entscheiden
Die Bundesnetzagentur ist nicht an den Tennet-Vorschlag gebunden. Wagner rechnet aber damit, das er zum Zuge kommt. „Wir planen im Vorschlagskorridor auf eigenes Risiko weiter.“ Von 6. November bis 5. Januar 2024 können Stellungnahmen eingereicht werden. Im Juni, wenn der Korridor steht, will Tennet den genauen Verlauf festlegen.
Der Infomarkt war vorüber. Der Altengronauer Frankfurt-Fan strebte heim, „noch ein paar Minuten Eintracht gucken“. Und Abschalten von der P43.
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