
„Menschlich“ lautete der Titel der Ausstellung der Künstlerin Sabine Bach jüngst im Nüdlinger Rathaus. Bach ist dafür bekannt, dass sie auch urkomische Figuren comicartig nachzeichnet. Jedoch: Zu viel Menschlichkeit war offenbar für einige zu viel. Denn: Ein Werk, auf dem unverkennbar ein Penis abgebildet wurde, musste auf Befehl von Bürgermeister Harald Hofmann abgehängt werden – die Penis-Posse von Nüdlingen.
Drei Figuren, zwei Penisse
Die Ausstellung fand Anfang Mai statt, erst jetzt wird bekannt, was sich im Hintergrund abspielte. Es geht vor allem um ein Werk, das drei Figuren zeigt: Eine Figur mit Totenschädel, die zwar Weste und Fliege trägt, aber dafür keine Unterhose, weshalb der Penis zwischen den Beinen baumelt. In der Mitte eine Frau, ordentlich bekleidet und rechts daneben eine nackte Figur samt Brüsten und Penis .
Der Stein des Anstoßes waren die gut erkennbaren männlichen Geschlechtsteile. Wie zu hören ist, hatte sich ein Besucher der Ausstellung darüber beschwert, dass ausgerechnet dieses Werk direkt vor dem Eingang der Bibliothek hin – und da dann Kinder damit konfrontiert sind, wenn sie auf dem Weg sind, sich Kinderbücher auszuleihen.
Auf dem Weg zur Bibliothek
Die Entscheidung, das Werk abzuhängen, fällte Bürgermeister Harald Hofmann . Er steht nach wie vor dazu: „Ein Bild war ein bisschen zu sehr künstlerisch. Das war genau auf dem Weg zur Bibliothek, wo viele Kinder sind. Ich habe angeordnete, einen anderen Platz zu finden.“
Dass es aber im Gemeindehaus keinen adäquaten Platz mehr für das große Werk gab, wird Kurator und Bilbiotheksleiter Hubert Ziegler später einwerfen.
"Das darf ich, denn ich bin der Bürgermeister"
In einem Zeitalter, in dem Kinder und Jugendliche im Netz tagtäglich mit Nacktheit konfrontiert sein können, bis hin zu brutalsten Pornofilmen: Glaubt er wirklich, dass ein Comic-Penis Kinder verstören könnte? „Ob es die Kinder irritiert oder nicht – ich habe die Entscheidung getroffen. Und zwar ohne Rücksprache mit irgendwem. Das darf ich, denn ich bin der Bürgermeister und habe hier das Hausrecht.“
Ob er über Zensur nachgedacht hat? „Über die künstlerische Freiheit habe ich mir wenig Gedanken gemacht“, sagt er. „Ich habe ja nicht gesagt: Das muss weg. Sondern: Es braucht einen anderen Platz.“
Und damit wurde der Problem-Penis zum Problem von Hubert Ziegler, Bibliotheksleiter und Kurator der Ausstellung . „Wir hatten dann keinen Platz mehr, um das Werk zu zeigen, das ganze Rathaus war voller Kunst von Sabine Bach. Übrigens auch im Einwohnermeldeamt mit Penis-Abbildung – das war eine wunderbare Ausstellung eines streitbaren Geists“, sagt er.
"Zensur, die darf nicht stattfinden"
Er respektiert die Entscheidung des Bürgermeisters. „Es ist sein Recht und er hat das Hausrecht. Dass er versucht zu verhindern, Gefühle von Menschen zu verletzen, verstehe ich.“ Nur: „Es geht mir um die Zensur, die darf nicht stattfinden. Kunst muss frei sein. Ich hätte gerne gewusst, wie viele Menschen sich an dem Werk tatsächlich gestört haben – vor allem Kinder haben ja oft eine ganz andere, offene Herangehensweise an Körperlichkeiten.“ Dass es keine Diskussion gegeben hat, störe ihn. Wobei er einschränkt: „Wenn wir die Diskussion geführt hätten, dann wäre auch ein Shitstorm möglich gewesen.“
Daneben empfindet er es als „bigott“, wenn jemand Probleme mit der Darstellung von Geschlechtsteilen hat. „Auch in Nüdlingen werden Kinder gezeugt und diese Menschen sollten wissen, welche Körperteile man dafür braucht und wie die aussehen.“

Und was sagt Sabine Bach, die Künstlerin? „Ich war überrascht von der Zensur, dachte mir aber auch: Okay…Nüdlingen… In Berlin wäre das eine andere Hausnummer gewesen. Im Einwohnermeldeamt haben sie meinen Penis verteidigt, das fand ich stark.“ Und sie sagt: „Die Darstellung ist sehr abstrakt, stilisiert – haben die Menschen in Nüdlingen keine Brüste, keine Penisse?“ Und: "Wer Sabine Bach engagiert, sollte wissen, was Sabine Bach macht."
Ein Witzbold zog dem Penis eine Turnhose an
Dass das Thema intern im Rathaus und im Gemeinderat viele bewegt und auch amüsiert hat, zeigt ein Foto, das in sozialen Netzwerken die Runde macht: Jemand hat offenbar heimlich aus Kopierpapierblättern eine Turnhose gebastelt und sie dem Kunstwerk angezogen. Vielleicht hätte das dem Schamgefühl einiger mehr entsprochen – und der Lacher über die Penis-Posse wäre noch größer geworden.
Ein Angemerkt zum Thema gibt es hier:
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Provokation und Diskussion gehört dazu.
Persönlich finde ich die Bilder abstoßend und niveaulos. Teilweise vielleicht aus Komplexen heraus als Befreiung? Aber dem Bürgermeister kann ich nur zustimmen und für das Eingreifen danken!
Und Bach hin oder her, wenn gefällt....