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Bad Brückenau
Bad Brückenau: Die Opfer des Medzentrum-Desasters
Äußerlich hat sich seit der Insolvenz der Betreiber des Medzentrums Bad Brückenau Anfang 2024 nichts getan. Auch das Erdgeschoss bleibt teilweise leer. Aber hinter den Kulissen passierte einiges.
Medzentrum Bad Brückenau: Insolvenz fordert Opfer       -  Die Insolvenz des Betreibers des Medzentrums in Bad Brückenau fordert Opfer.
Foto: Steffen Standke | Die Insolvenz des Betreibers des Medzentrums in Bad Brückenau fordert Opfer.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 16.03.2025 02:30 Uhr

Annähernd 77 Jahre. Solange gab es die Firma Knüttel in Bad Brückenau. Jetzt nicht mehr. Im September 2024 entschied Geschäftsführer Mathias Knüttel, auch den letzten verbliebenen Unternehmensteil, die Elektroinstallation, abzuwickeln. Hauptgrund: die mangelnde Aussicht, am Medzentrum geleistete Arbeiten je angemessen vergütet zu bekommen.

Acht Millionen Euro investiert

Rückblick: Mit großem Tamtam war am 16. August 2023 das Ärzte- und Sanitätshaus eröffnet worden. Acht Millionen Euro hatte die Medzentrum Bad Brückenau GmbH & Co. KG als Bauherrin in das dreistöckige Gebäude investiert. Sie gehörte zur IWG Holding AG in Gießen, einem Projektentwickler, unter dessen Dach mehrere Medzentren in ganz Deutschland entstanden und betrieben wurden.

Groß waren die Hoffnungen, dass das neue Haus auch Ärzte von außerhalb in die kränkelnde Kurstadt ziehen könnte. Einen ersten Dämpfer gab es, als das fest eingeplante Medizinische Versorgungszentrum der benachbarten Franz-von-Prümmer-Klinik (heute Hescuro) nicht mit einziehen wollte.

Gebäude wird nie ganz voll

Auch sonst füllte sich das Gebäude mit seinen 1.700 Quadratmetern vermietbarer Fläche schleppend. Einige lokale Ärzte zogen kurz vor der Eröffnung dorthin um; das Sanitätshaus Haas (ehemals Richter) folgte im Herbst 2023. Doch im ersten Obergeschoss blieb ein großer Raum frei – bis heute. Eine fürs Erdgeschoss angedachte Bäckerei, ein Bistro und selbst eine Apotheke realisierten sich ebenfalls nicht.

Dann die Insolvenz der IWG Holding AG im September, die neben anderen Unterfirmen zum Jahreswechsel 2023/24 auch die Medzentrum Bad Brückenau GmbH & Co. KG mit sich riss.

Geld fehlt, um Betrieb weiterzuführen

Viele Firmen aus Bad Brückenau und Umgebung hatten da schon Material und Arbeitskraft in das Gebäude gesteckt. Mathias Knüttel beziffert den Gegenwert der von seiner Elektro-Sparte erbrachten Leistungen mit rund 100.000 Euro. Dieses Geld fehlte der kleinen Firma mit ihren fünf Mitarbeitern, um den Betrieb in einer auch allgemein wirtschaftlich schwierigen Zeit fortführen zu können. Denn die Rücklagen waren durch die Corona-Krise so stark geschrumpft, dass ein Ausgleich der entstandenen Zahlungslücke nicht möglich gewesen sei, so der Geschäftsführer.

Zwei Gläubiger-Versammlungen vor Gericht hat es gegeben, seitdem die Medzentrum Bad Brückenau Insolvenz angemeldet hat – eine im September und eine Mitte Dezember 2024. Schon beim ersten Termin war Knüttel klar, „dass, wenn überhaupt, mit einem sehr geringen Betrag im niedrigen Prozentbereich gerechnet werden kann“. Also weit weniger als 10.000 Rückzahlung aus der Insolvenzmasse, weil auch größere Gläubiger bedient werden müssen.

Knüttel-Elektroinstallation in Liquidation

Für den Chef des Familienunternehmens bedeutete das, dass er seine Mitarbeiter und sich selbst in die Arbeitslosigkeit schicken und seine kleine Firma auflösen muss. Seit wenigen Wochen ist die Knüttel Elektroinstallation in Liquidation. Das Ende einer langen Firmengeschichte, denn Ende Januar 2024 schloss schon der Knüttelsche Elektroladen, der als erster in Brückenau Fernseher verkaufte.

Stadtwerke übernehmen restliche Firmenräume 

Immerhin: Mathias Knüttel konnte die verbliebenen Räume der Elektroinstallation an die Stadtwerke Bad Brückenau veräußern. Nach seinen Informationen sollen dort Lager und Büros einziehen. Die Stadtwerke hatten vergangenes Jahr bereits das vorherige Ladengeschäft übernommen.

Zumindest reicht der Erlös aus dem jetzigen Verkauf der Geschäftsräume, um noch auf dem Knüttelschen Gebäudeteil liegende Verbindlichkeiten zu bedienen. „Aber das war ursprünglich nicht der Plan“, sagt der über das Ende der Familientradition traurige Mathias Knüttel.

Sparkasse Bad Kissingen Hauptkreditgeber und -gläubiger

Als Hauptgläubiger der Bad Brückenauer Medzentrum-Gesellschaft gilt die Sparkasse Bad Kissingen. Auf die Anfrage dieser Redaktion antwortet das Kreditinstitut ausführlich, aber mit einer Entschuldigung. Man sei „gesetzlich verpflichtet, Kundendaten und Details zu Kreditverträgen vertraulich zu behandeln“. Daher könne man nur „eingeschränkt uns vorliegende Informationen veröffentlichen“.

Die Sparkasse Bad Kissingen bestätigt, Hauptkreditgeber des Medzentrum Bad Brückenau GmbH & Co. KG gewesen zu sein. „Zur Höhe unserer Forderung dürfen wir keine Angaben machen.“ Noch sei die Liquidation der Medzentrum-Gesellschaft nicht erfolgt. Dieser Akt der Auflösung und Löschung aus dem Handelsregister stehe am Ende eines Insolvenzverfahrens, sei aber aktuell nicht erfolgt.

Sparkasse wird vorrangig bedient

Auch die Gläubigerversammlungen im September und Dezember bestätigt die Sparkasse. Diese seien jedoch nicht öffentlich; die Inhalte unterlägen der Vertraulichkeit. Nur Personen, die ein berechtigtes Interesse hätten, dürften an solchen Versammlungen teilnehmen, darunter der Insolvenzverwalter, die Schuldnerin, Gläubiger und das Insolvenzgericht.

„Die Sparkasse erhält als Grundschuldgläubigerin vorrangig den Verwertungserlös der Immobilie abzüglich der für die Verwertung und Verwaltung angefallenen Kosten“, heißt es weiter. Dies sei gesetzlich so in der Insolvenzordnung vorgegeben.

In anderen Worten: Das Bad Kissinger Kreditinstitut wird in dem Insolvenzverfahren bevorzugt bedient. Andere, sogenannte „ungesicherte Gläubiger“ würden aus einer „auf nicht besicherte Forderungen zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse quotal entsprechend der Höhe ihrer Forderungen berücksichtigt“.  Insgesamt gibt es wohl 33 Gläubiger.

Bedauern für die Handwerksbetriebe

Die Sparkassen-Verantwortlichen sehen sich mit den weiteren Gläubigern in einem Boot. „Es ist grundsätzlich nicht im Interesse der Sparkasse Bad Kissingen, dass andere Gläubiger ‚leer ausgehen‘, allein deshalb, weil potenziell auch Kunden unseres Hauses betroffen sein können.“ Als Gläubiger bedauere man die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des betroffenen Unternehmens (Medzentrum, der Verfasser) und damit verbunden die Auswirkungen auf die anderen Gläubiger, einschließlich der regionalen und überregionalen Handwerksbetriebe.

Kaufinteressent legte Angebot für Medzentrum vor

Dem Vernehmen nach soll der Wert des Medzentrums zunächst auf 2,3 Millionen Euro angesetzt worden sein. Ein potenzieller Käufer soll zwei Millionen Euro für das Medzentrum geboten, sein Angebot aber zurückgezogen haben. „Es gibt und gab mehrere Interessenten für die Immobilie“, schreibt die Sparkasse dazu. Es sei auch richtig, dass mit einem dieser Interessenten die Vertragsverhandlungen mit dem Insolvenzverwalter kurz vor dem Abschluss gestanden hätten. „Dieser Interessent hat sich jedoch für eine andere Immobilie entschieden.“

Weitere potenzielle Investoren würden sich noch in der Sondierungsphase befinden beziehungsweise hätten noch keine finale Entscheidung getroffen, heißt es weiter. Konkrete Zahlen nennt die Sparkasse nicht. Ebenfalls dem Vernehmen nach soll das Medzentrum-Gebäude nun auch unter zwei Millionen Euro veräußert werden können.

Olson-Mitarbeiter müssen auf Weihnachtsgeld verzichten

Die Medzentrum-Insolvenz habe „meine Käuz’ ihr Weihnachtsgeld gekostet“, sagt Sascha Olson vom gleichnamigen Malerbetrieb aus Schondra. Knapp 50.000 Euro an Forderungen stünden noch aus. Dass es nicht mehr sind, liege daran, dass seine Firma immer zeitnah abgerechnet habe, so Olson. „Jetzt geht es noch um die Schlussrechnung.“

Dass er jemals Geld für die erbrachten Leistungen erhält, glaubt der Firmenchef nicht. Wenn, dann nur ganz wenig. Olson bedankt sich bei seinen rund 30 Mitarbeitern; allein hätte er die Krisensituation nicht gemeistert.

Rückzahlungsquote sinkt immer weiter

Rund 60.000 Euro schulden die zahlungsunfähigen Medzentrum-Macher noch der Firma Prause Baudekoration aus Bad Brückenau. In der ersten Gläubiger-Versammlung vor Gericht habe es noch geheißen, die zu erwartende Rückzahlung liege im zweistelligen Prozentbereich, berichtet Inhaber Wolfram Bauer. Beim zweiten Termin sei die Quote auf ein bis vier Prozent gesunken. „Sicher muss man gucken, was die Vermarktung des Gebäudes erbringt.“

Ursprünglich sei von 870.000 Euro die Rede gewesen, die sich aus staatlichen Geldern speisen würden, berichtet Bauer. Aus diesem Topf sollten die Ansprüche der 33 Gläubiger bedient werden. Allerdings bekäme die Sparkasse davon auch einen Anteil, so der Firmeninhaber. Es könne noch lange dauern, bis überhaupt Geld fließe,

Bauer: „Ärztehaus hat der Stadt nichts gebracht.“

Wolfram Bauer ist „traurig, wie die Sache gelaufen ist“. Das neue Ärztehaus hab der Stadt Bad Brückenau gar nichts gebracht. Die alte Praxis Nelkenstock beispielsweise stehe jetzt leer. Von den Verantwortlichen und Gratulanten von früher sehe man jetzt nichts mehr. Die Firma Prause habe durch die Medzentrum-Pleite „ein Jahr keinen Überschuss erwirtschaftet“. Existenzgefährdend sei das aber nicht.

 

 
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  • Roland Albert
    Das ist das grösste Manko der kleineren Handwerksbetriebe: Sie rechnen zu spät ab und sterben meist in Hoffnung…
    Wir rechnen mittlerweile zeitnah nach Bauabschnitten ab. Fliesst hier kein Geld oder kommt es zu Verspätungen, wechseln wir während der Bauphase schon in Vorkasse.
    Steht mittlerweile in meinen Werkverträgen und wird mit Auftragserteilung anerkannt.
    Die Kosten für die Ausfallbürgschaft sind marginal gegenüber dem, was sich im Nachgang wie hier lesen lässt.
    Auch bei uns war das ein Lernprozess, dieser ging auch mit einem Wechsel zu einer anderen Bank einher, denn die hiesigen Kreditinstitute sind alles andere als verlässliche Kooperationspartner.
    Mein Mitgefühl gilt den sogenannten Kleinen, die zumeist auf das gute im Menschen hoffen.
    Das Umdenken muss dahingehend einsetzen, dass GmbHs zuweilen keine verlässlichen Geschäftspartner sein wollen.
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