zurück
LKR Bad Kissingen
Migrationsberatung im Landkreis Bad Kissingen: Ein Drittel weniger Geld für Integration
Die Anzahl an Flüchtlingen steigt, und doch plant die Bundesregierung, die Mittel für Migrationsberatung zu kürzen. Kissinger Beratungsstellen fragen: Wie soll das funktionieren?
lDie Pläne der Ampelkoalition die Mittel für Migrationsberatungen zu kürzen wirkt sich auch im Landkreis Bad Kissingen aus .       -  lDie Pläne der Ampelkoalition die Mittel für Migrationsberatungen zu kürzen wirkt sich auch im Landkreis Bad Kissingen aus .
Foto: Sebastian Gollnow/dpa | lDie Pläne der Ampelkoalition die Mittel für Migrationsberatungen zu kürzen wirkt sich auch im Landkreis Bad Kissingen aus .
Angelika Despang
 |  aktualisiert: 05.11.2024 17:16 Uhr

Laut eines Haushaltsentwurfs der Bundesregierung für 2024 soll der Etat für die Migrationsberatung von erwachsenen Zugewanderten um rund ein Drittel gekürzt werden. Genauso müssen die Asylverfahrensberatung und die Psychosozialen Zentren mit Kürzungen rechnen.

Im Landkreis Bad Kissingen gibt es nur zwei Stellen, an die sich Geflüchtete und Migranten bei Beratungsbedarf wenden können: die Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas und der Solwodi Verein. Letzterer ist für eine bestimmte Zielgruppe; Solwodi hilft Frauen, die Opfer von Menschenhandel, Zwangsheirat und Gewalt geworden sind. Beide Stelle sind nicht direkt von den Kürzungen betroffen, merken aber indirekt deren Folgen.

Beratung fördert Integration

„Hier wird wirklich an der falschen Stelle gespart“, sagt Jutta Ort, die seit neun Jahren die Teamleitung der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas innehat. „Je mehr Türen den Flüchtlingen geöffnet werden, desto leichter kommen sie in Deutschland an und desto schneller finden sie einen Arbeitsplatz – was ja auch für die Bundesrepublik wichtig ist“, so Jutta Ort.

Menschen, die nach Deutschland kommen, werden oftmals von der Flut an Formularen und Anträgen überfordert. „Manche kommen aus Ländern, in denen sie noch nie einen Brief bekommen haben“, erklärt die Erziehungswissenschaftlerin. Dann zu unterscheiden, was wichtig ist und was nicht, ist kein leichtes Unterfangen.

„Diese Leute an die Hand zu nehmen ist immens wichtig, damit Integration gelingen kann“, ist Ort überzeugt. Ohne Beratung würden die Menschen noch viel länger in der Luft hängen, kein Deutsch lernen und ohne Arbeit sein. Das frustriere.

Auch wenn ihre Beratung nicht unter die Kürzungen fallen, da sie nicht von einem Bundesprogramm gefördert wird, spüren sie und ihr Team, dass anderorts Stellen wegfallen. Beispielsweise war die Migrationsberatung der gfi (Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration) in Bad Kissingen eine große Entlastung für das Caritas-Team – seit Anfang des Jahres ist sie aufgelöst. „Wir merken die steigende Belastung deutlich. An manchen Tagen laufen hier bis zu zwanzig Ratsuchende durchs Büro, samt Kindern“, berichtet Ort.

Potenzielle Fachkräfte übergangen

Um wichtige Kleinigkeiten, wie der Schwimmkurs fürs Kind, kann sich dann nicht mehr gekümmert werden, „obwohl so ein Kurs das Kind in die deutsche Gesellschaft einbringt.“ Hinzu kommt die steigende Anzahl an Flüchtlingsunterkünften , um deren Bewohner sie sich ebenfalls kümmern.

Ein entscheidender Punkt ist auch, dass die Berater die Flüchtlinge dann nicht mehr so gut kennenlernen: „Dann können wir sie auch nicht mehr in passende Jobs und Ausbildungsplätze vermitteln, weil wir ihre Fähigkeiten nicht kennen.“ Wenn dann zum Beispiel die Pflegefachschule anruft und nach möglichen Azubis fragt, kann nicht zielgerichtet vermittelt werden. „Dadurch werden potenzielle Fachkräfte verpasst.“ Die Deutschland bitter nötig hat – erst im Juni hat der Bundestag eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen, die vorsieht, dass ausländische Fachkräfte leichter ins Land kommen.

Wollen arbeiten - dürfen aber nicht

Auch der Solwodi-Verein in Bad Kissingen, der Frauen und Kinder mit Gewalterfahrung berät, spürt fehlende, weitere Beratungsstellen . „Wir merken, dass verstärkt alleinreisende und alleinerziehende Frauen an uns weiter geleitet werden, bei denen wir nicht unbedingt die erste Anlaufstelle sind“, berichtet Leiterin Renate Hofmann. Und das, obwohl die angekündigten Kürzungen noch nicht umgesetzt sind, denn „das Beratungsangebot wurde bereits in den letzten Jahren drastisch reduziert.“ 

 Hofmann hat mit Frauen zu tun, die Schlimmes erleiden mussten und für die es enorm wichtig ist, dass ihr soziales Umfeld neu aufgebaut wird. „Über Sprachkenntnisse und eine Arbeitsstelle erfahren sie Stärkung und Selbstbewusstsein und können in Deutschland ankommen.“ Viele würden gerne arbeiten, dürfen es aber nicht. „Das lange Warten auf eine Aufenthaltsgenehmigung ist ein Unding.“

Hofmann kann nicht verstehen, wie einerseits Fachkräfte ohne Sprachkenntnisse mit großem Aufwand ins Land geholt werden, andererseits Migranten, die Deutsch sprechen und sich in einer Qualifizierungsmaßnahme befinden, in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden. 

Angespannte Situation

Einen Grund für die Mittelkürzung in der Migrationsberatung sieht Hofmann in den hohen Ausgaben während der Corona-Pandemie, aber auch in den bevorstehenden Wahlen: „Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass die Städte und Gemeinden mit den Flüchtlingen an ihre Grenzen kommen. Aber durch verkürzte Aussagen der Politik, steigt die Unruhe in der Bevölkerung und die Situation für ausländische Menschen wird zunehmend angespannter.“ Zudem werde viel Last auf Ehrenamtliche abgeladen.

 

Wenn Sie mehr über die Lage von Flüchtlingen wissen möchten, lesen Sie hier:

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Berater
Beratungsstellen
Caritas Bad Kissingen
Deutsche Sprache
Deutscher Bundestag
Flüchtlingsheime
Zwangsehen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top