Nach 96 Jahren verliert die Kissinger Innenstadt ein festes Kuriosum ihrer Geschäftswelt: Zum 1. Oktober schließt das „Bürsten-Lädele“.
„Alte Unterlagen, die wir gefunden haben, belegen, dass sich seit etwa 1860 ein Geschäftsbetrieb in dem Haus befand“, erzählt Monika Schmidt, die das Geschäft für ihre Mutter Anna Schumacher weiterführt. Der Onkel ihrer Großmutter, Georg Schaub, hatte das Haus samt dem Laden 1917 erstanden und seitdem wird der Bürstenladen an der Ecke Badgasse und Bachstraße im Familienbesitz geführt.
Der letzte Verkaufstag wird nun der 30. September sein. „Meine Mutter ist im Pflegeheim und das Ersparte ist aufgebraucht, sodass wir das Haus verkaufen mussten“, erklärt Monika Schmidt wehmütig die Geschäftsaufgabe. Einen neuen Laden in der Kissinger Innenstadt anzumieten wäre jedoch zu teuer. „Bei den Kosten für die Miete würde nichts mehr übrig bleiben“, erläutert Schmidt.
Viele Kissinger bedauern das Ende des Ladens. „Selbst der Oberbürgermeister kam hier vorbei und bedauerte, dass noch ein Traditionsgeschäft schließt“, erzählt sie und fügt an, dass schließlich auch Kay Blankenburg Kunde war. Zum Schluss bietet Monika Schmidt die Ware nun mit 50 Prozent Ermäßigung an: „Das lockt auch Leute herein, die hier sonst nie etwas gekauft haben.“
Früher hat das Lädele vor allem von den Kurgästen gelebt. Einheimische kamen eher selten. Schuld daran war die Qualität der Ware, wie Monika Schmidt berichtet: „Wenn sich ein Kissinger etwas gekauft hat, dann hat dies so lange gehalten, dass er zehn bis 15 Jahre nichts mehr gebraucht hat.“ Viele Stammkunden hatte sie auch im Norden der Republik, die sich regelmäßig Ware mit der Post schicken ließen oder auf der Durchreise in der Kurstadt Halt machten.
Frisierbedarf und Kölnisch Wasser
„Ganz früher hatten wir auch Kosmetikbedarf und Toilettenartikel“, schwelgt Schmidt in Erinnerungen. Zu diesen Zeiten kamen die Kunden noch mit ihren Parfümflaschen ins Geschäft, um sie wieder mit Kölnisch Wasser auffüllen zu lassen. Mit dem Aufkommen der Drogeriemärkte konnte das Lädele jedoch nicht mehr mithalten.
Vor allem kamen die Menschen zur Besitzerin Anna Schumacher aber wegen der Bürsten. Zwischen 200 und 300 verschiedene Bürsten führte das Geschäft. Egal, welche Bürste der Kunde wollte – Anna Schumacher hatte sie da. „Badebürsten, Wurzelbürsten, Handbürsten – man muss sie einfach da haben“, erklärt Monika Schmidt. Dazu zählten auch der Spinnenkopf, die Urinflaschenbürste oder die Zahnbürste aus Dachshaar. Auch die Rasierpinsel waren sehr gefragt: „Ich habe Rasierpinsel für 23 Euro und für 195 Euro“, erklärt Schmidt.
Zu ihrer Stammkundschaft zählten früher die Stadt und heute noch die Kurverwaltung, die sich im Frühjahr zum Abschrubben der weißen Bänke die richtigen Besen holt. „Zum Schluss war vor allem das Vermessungsamt einer meiner treuesten Kunden“, freut sie sich.
Was bis zum Ende des Monats nicht weg ist, will Monika Schmidt am liebsten auf einem Markt verkaufen, denn im Internet möchte sie die Waren ungern anbieten: „Ich berate die Leute lieber. Ich verkaufe ihnen alles, aber es bringt ja nichts, wenn der Kunde nicht zufrieden ist.“
Kontakt mit den Menschen
Der Vertreter, der das Kissinger Bürsten-Lädele mit Nachschub versorgte, versicherte Schmidt, dass sie das einzige Bürstengeschäft in Unterfranken führt. Damit ist es nun vorbei. „Es war nichts, womit man Geld verdienen konnte, aber der Kontakt mit den Menschen war das Wichtigste.“ Sie ist sich sicher, dass ihr in der Zukunft der Kontakt mit den Menschen fehlen wird – und hat auch schon eine neue Geschäftsidee: einen echt fränkischen Imbiss.
