
Eine Ära geht zu Ende: Waltraud Pabst, die letzte Wirtin der Traditionsgaststätte "Zum Schondratal" verlässt die Heckmühle , nachdem das Gasthaus 183 Jahre in Familienbesitz war. Die Heckmühle , 1320 erstmals erwähnt als "die Hecken und Mühln", Thüngenscher Lehenbesitz von Fulda, gehörte schon immer zu dem Ort Völkersleier.
Ein wild romantischer Bachlauf schlängelt sich durch nahezu unberührte Natur durch das liebliche Schondratal. Über der Mündung vom Wildweibstein, wo der Feuerbach in die Schondra fließt, steht das älteste Gasthaus des Mühlengrundes. 1873 erbaute Georg Pabst die Wirtschaft für die örtlichen Köhler, Handwerker auf der Walz, Wanderer, Postboten, die von Fulda kamen oder Ausflügler aus der Region.
1902 übernahm Sohn Michael das Gasthaus . Er starb jedoch bereits mit 24 Jahren. Seine Witwe Barbara heiratete 1907 Karl Müller und führte gemeinsam mit ihm das Gasthaus weiter.
In den 1920er Jahren erlebte das Gasthaus als begehrtes Speiselokal und Ausflugsziel seine Glanzzeiten. Gerne kamen Gäste aus Frankfurt, um sich in der ländlichen Gegend zu erholen. Das größte Abenteuer der Städter war die Pirsch. Einmal einen kapitalen Hirsch in freier Wildbahn zu beobachten. Der Wunsch konnte meist erfüllt werden. Nach dem Abendessen und etlichen Maß Bier ging es in den Wald. Aussichtsvoll waren die Vollmondnächte, in denen das Wild angeblich am besten zu sehen sei. Und tatsächlich, in nicht allzu weiter Entfernung sah man einen stolzen Hirsch, wenn auch nur kurz. Die Gäste grölten vor Begeisterung und verscheuchten das Wild. Zurück im Gasthaus trank man, meist bis zum Morgengrauen, auf die Sichtung des kapitalen Tieres. Niemandem fielen die beiden lauschenden und grinsenden Burschen am Tisch auf - oder das Geweih an der Wand. Nur die Decken, die sich die Burschen überwarfen, um sich als kapitaler Hirsch zu tarnen und sich dann am verabredeten Ort zu zeigen, ließ der Wirt bis zur nächsten "Pirsch mit Erfolgsgarantie" verschwinden.
Vor 20 Jahren war Schluss
1932 übernahm Georg Pabst, Sohn aus erster Ehe, den Besitz. Drei der fünf Generationen trugen den Vornahmen Georg. Dessen Sohn Hermann heiratete 1965 seine Waltraud, gebürtig aus Volkers nahe Bad Brückenau. Kennen lernten sie sich in der Aspenmühle, damals war das Ausflugslokal noch eine kleine Hütte, in Oberleichtersbach. Gemeinsam führten sie den Betrieb 34 Jahre, renovierten, erweiterten mit Anbauten und richteten Fremdenzimmer ein.
1999 erfolgte die unvermeidliche Schließung aus gesundheitlichen Gründen. 55 Jahre arbeitete und lebte Waltraud Pabst in diesem Haus. Noch heute steht sie am Ofen in der Küche, dem Herzstück des Gasthauses , der noch immer zum Kochen oder zum Heizen im Einsatz ist.
Bis zu 20 Pensionsgäste wurden bei Vollpension bestens bekocht. Hinzu kamen noch viele Tagesgäste. Dabei schwelgt Waltraud Pabst in Erinnerungen. Noch heute kommen Ehemalige Gäste aus dem Frankfurter Raum zu Besuch und erinnern sich beim Schwätzchen gerne an die gemeinsame Zeit.
Mit vielen Erinnerungen im Gepäck nimmt Frau Pabst nun endgültig Abschied vom Wirtsleben. In der Hand hält sie eine Postkarte ihrer Schwiegereltern vom 3.2.1943 per Feldpost an: Georg Pabst Reserve Lazarett in Wien. "Lieber Schorsch u. Papa! Viele Grüße aus der Heimat sendet Dir Lena und Kinder. Geht uns allen noch gut, hoffen Dergleichen auch von Dir. Nochmals Grüße Lena" Der Schwiegervater lag mit einer schweren Kriegsverletzung im Lazarett, von der er sich nie ganz erholte.
Lange Zeit fanden sich keine neuen Betreiber für das idyllische Anwesen in Heckmühle . Nach zehn Jahren entschied sich nun ein Käufer aus Frankfurt für das ehemalige Gasthaus "Zum Schondratal". Das Ehepaar wird die Traditionsgaststätte nach Umbauarbeiten künftig als Wohnhaus nutzen. Waltraud Pabst freut sich indessen auf ihr neues Domizil in Diebach, wo sie mit ihrem Lebensgefährten im schönen Saaletal nahe Hammelburg ihren Ruhestand genießen wird. Sie sagt: "Es war eine schöne und harte Zeit. Doch der Kontakt mit den vielen netten Gästen ließ mich in all den Jahren nichts vermissen. Einziger Beigeschmack waren die schmerzhaften Füße, die nach anstrengenden langen Arbeitstagen zum Alltag gehörten. Auf die hätte ich gerne verzichtet! "