Der Krieg in der Ukraine zeigt einmal mehr, wie eng das Geflecht der gegenseitigen Abhängigkeiten ist und was passiert, wenn an einer Stelle das entstandene Netz reißt. Besonders sensibel reagiert dabei der Lebensmittelsektor, wie an den explodierenden Getreidepreisen abzulesen ist. Die Folgen sind noch gar nicht absehbar aber weltumspannend und treffen auch die regionale Landwirtschaft. Wir sprachen mit zwei Akteuren aus dem konventionellen und ökologischen Landbau, die ganz unterschiedlich betroffen sind.
Volker Schmitt gehört zu den Großerzeugern im Bereich Getreide- und Ölsaatenanbau. Vom Hauptsitz in Münnerstadt aus führt der Landwirt noch fünf weitere Betriebe in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In seinem Büro im Herzen der Stadt leuchtet ein Bildschirm, auf ihm ein Diagramm mit der Preisentwicklung des Weizens in der jüngsten Vergangenheit. "Der Markt ist vor allem vor dem Hintergrund zu sehen, dass Russland und Ukraine weltweit für ein Drittel der Getreideexporte verantwortlich sind", erläutert Schmitt. So erklärt sich der Sprung am Einmarschtag der russischen Armee. Von da an steigt die Kennlinie mit kurzen Ausschlägen nach oben und unten steil bis zu einem Preis, der etwa dem Doppelten des Niveaus der Vorjahre entspricht.
"Für den Erzeuger ist die Entwicklung auf den ersten Blick erfreulich", stellt Schmitt fest, bei genauerem Hinsehen unterscheiden sich jedoch Gewinner und Verlierer. Die Kurve bildet in erster Linie die Preisentwicklung der Ernte 2021 ab, führt Schmitt aus. Kleine oder mittlere Erzeuger haben bis zum Kriegsausbruch aber längst ihre Ernte verkauft - zum damals üblichen Preis -, sie profitieren also nicht von den höheren Margen ihrer Produkte. Großerzeuger können durch eigene Lagerkapazitäten oder bessere Lieferbedingungen im Vorteil sein. In jedem Fall profitiere der Handel.
Dünger extrem teuer geworden
Ob groß oder klein, eine andere Entwicklung ist für alle Erzeuger jedoch höchst unangenehm: Ausgelöst von den steigenden Energiepreisen haben sich die Düngemittelpreise innerhalb von zwei Monaten etwa verfünffacht. Familienbetriebe schlucken zähneknirschend diesen Brocken häufig und zehren von der Substanz, Großbetriebe können dagegen rasch in eine wirtschaftliche Schieflage gelangen, wenn sie plötzlich Kredite für mehrere Millionen Euro aufnehmen müssen, um den Kunstdünger zu bezahlen. Glück hatte der, der sich schon vorzeitig mit den notwendigen Düngemitteln - die zu einem beträchtlichen Teil aus der Ukraine stammen- eingedeckt hatte.
Zu sagen, wohin die Reise geht, wäre rein spekulativ, hält Schmitt fest. Aktuell scheint der Getreidepreis sich langsam wieder nach unten zu bewegen. Er kann Betrieben nur empfehlen, genau durchzurechnen, ob der Ernteerlös die Kosten für Produktionsmittel - Dieselpreise gingen ja ebenfalls stark nach oben - auffangen. Überlegungen, jetzt schon einen Teil der Ernte 2022 zu verkaufen, wären außerdem angebracht.
Bio-Getreide weniger betroffen
Wie sich die Situation auf dem Biosektor gestaltet, erläutert Öko-Landwirt Eberhard Räder. Der Bastheimer hat 1999 seinen Betrieb umgestellt und ist vor allem im Bereich Getreide- und Sonnenblumenanbau sowie Schweinemast tätig. Außerdem betreibt er eine Biogasanlage, an die auch über ein Nahwärmenetz öffentliche und private Gebäude in Bastheim angeschlossen sind. Das Kreistags- und ehemalige Vorstandsmitglied im Bundespräsidium des Naturlandverbands bekommt nach eigenen Worten die Folgen des Ukrainekriegs weniger zu spüren. Dadurch dass Ökoprodukte eher in der Region vertrieben werden, seien sie deutlich von den Geschehen auf einem globalen Markt weniger beeinflusst. So hätten sich die Preise für Bio-Getreide kaum verändert, so dass sich konventionell und ökologisch erzeugter Weizen nun fast auf dem gleichen Preisniveau bewegen.
Auch die Entwicklung auf dem Düngemittelmarkt treffe den Ökolandbau nicht übermäßig, da naturgemäß auf den Einsatz von chemischen Substanzen verzichtet wird und die Versorgung mit Nährstoffen über den Einsatz von natürlichen Stickstoffbringern erfolgt. Der Aufschlag bei Futtermittelpreisen treffe ihn ebenfalls kaum, weil er auch in dieser Hinsicht selbst Erzeuger sei. Nicht verschont sei er von der Entwicklung der Dieselpreise und den Engpässen und Preisaufschlägen im Maschinenbau, die zu erheblichen Lieferproblemen von Ersatzteilen und landwirtschaftlichen Geräten führten.
Die allgemeine Verteuerung der Lebensmittel bekämen jedoch die Direktvermarkter zu spüren. Hatten während der Coronakrise Verbraucher stärker auf Qualität gesetzt, werde nun wieder mehr nach dem Preis geschaut und eher beim Discounter eingekauft.
Jetzt Missstände beheben
Grundsätzlich ist für Räder spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, über künftige Prioritäten in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nachzudenken. Jetzt müssten Missstände und Probleme wie Verschwendung von Lebensmitteln, der hohe Fleischkonsum, die übermäßige Futtermittelproduktion und der Betrieb von Biogasanlagen, die auf Basis von Mais arbeiten, massiv angegangen werden. "Die Krise ist eine Chance, neue Wege einzuschlagen, die dringend beschritten werden müssen", wünscht sich Räder.