Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 war der Auslöser zur Gründung des Arbeitskreises „Energie“ in der Bad Kissinger Kreisgruppe des Bundes Naturschutz. „Es war für uns wie ein Weckruf. Wir waren eine Handvoll Mitstreiter und trafen uns immer in meinem Wohnzimmer“, erinnert sich der Vorsitzende Franz Zang (Bad Brückenau) an diese Anfänge.
„Es war damals schon klar, dass das Thema Energie einmal virulent sein würde und dass Atomenergie nicht die Lösung ist.“ Doch welche Dimension und Brisanz das Thema Energie eines Tages bekommen würde, sei damals noch nicht absehbar gewesen.
Windenergie lohnte sich nicht
Windenergie war eines der Themen, dem sich der Arbeitskreis widmete, erinnert sich Zang. Anfang der 90er Jahre wurden Messungen vorgenommen. „Es hätte sich damals nur auf dem Feuerberg und Kreuzberg gelohnt. Wir waren enttäuscht, unterhalb von 800 Metern hätte es sich nicht gelohnt. Das war der damaligen technischen Situation geschuldet.“
Sonnenenergie war schon vielversprechender. „Der Stand der Technik war mit den heutigen Möglichkeiten nicht annähernd vergleichbar.“ In den 1990er Jahren sei Solarenergie lediglich für Warmwasser sinnvoll gewesen. „ Photovoltaik war vor 2000 keine Option. Es war technisch nicht ausgereift und so teuer, dass es sich kaum jemand leisten konnte.“
Umbenennung zum Klima-Arbeitskreis
Heute sehe das komplett anders aus. Der Arbeitskreis Energie sei nicht mehr auf das ursprüngliche Thema der Energiegewinnung beschränkt, sondern sei ein Klima-Arbeitskreis. Die offizielle Umbenennung stehe in den nächsten Tagen an, für den 16. September sei ein Klimaschutztag in Hammelburg geplant.
Die großen Themen seien: Wohnen, Heizen , Mobilität und Ernährung. „Die Kreisgruppe beschäftige sich aktuell mit Alternativen zur Wärmepumpe. Auch das Kühlen von Räumen wird künftig eine große Rolle spielen“, verrät Zang, worum es im September gehen wird.
Veränderungen werden nötig sein
„Wir müssen alle Bereiche unseres Lebens elektrifizieren. Vom Haushalt über die Mobilität bis zur Industrie“, ist Zang überzeugt. Das werde Veränderungen mit sich bringen, die aber nicht unbedingt eine Einschränkung bedeuten müssen. „Wir müssen uns die Frage stellen, wie wollen wir in Zukunft gut leben und es bezahlen können.“
Zang habe Verständnis für die Aktivisten der „Letzten Generation“ und ihren Protest, auch wenn über die Mittel diskutiert werden könne. Die grundsätzliche Haltung, dass der Klimawandel viel umfassender ist, als das in den vergangenen Jahrzehnten wahrgenommen wurde, und entschlossen gehandelt werden müsse, unterstütze er. „Ich verstehe die Klimakleber, wenn sie sich Sorgen machen, dass ihnen ihre Zukunft und die weiterer Generationen gestohlen wird.“
Geringes Interesse der Bevölkerung?
„Vor 50 Jahren hatte kaum jemand das Wissen über die Folgen unseres Lebensstils. Diese Fragen aber werden zunehmend bestimmender, leider auch komplexer.“ Das bringe aber nicht automatisch mehr Menschen zum Bund Naturschutz. Zang muss feststellen, dass bei Veranstaltungen der Kreisgruppe zu solch brisanten Themen nicht die erhofften Mengen strömen. „Wirtschaftliche Interessen des Einzelnen stehen dem entgegen“, vermutet er.
Noch sei im Bewusstsein der Bevölkerung nicht angekommen, dass große Veränderungen notwendig seien, die auch Geld kosten werden.
Hier sieht Zang die Kommunen und Landkreise in der Pflicht, um die Bevölkerung durch kostenlose Beratungsangebote zu unterstützen. Er ist überzeugt, dass gerade zum Thema Sanierung, Renovierung und Heizen ein großer Bedarf bestehe.
Macht die Dächer voll
Die Ehrenamtlichen des Bund Naturschutz können dies nicht alles übernehmen. Was die Kreisgruppe seit 2008 anbiete, sei die Vermessung von Wohnhäusern mittels Wärmebildkamera, um Wärmeverluste aufzuzeigen. Die Kreisgruppe verfüge über ausgebildete Fachleute, die die Bilder „lesen“ können. Eine Beratung werde jedoch nicht übernommen. „Hauseigentümer können mit den Bildern zum Energieberater und Architekten gehen.“
Vor vier Jahren wurde die Aktion „Macht die Dächer voll“ gestartet, die Solarbotschafter stehen auch heute noch zur Beratung zur Verfügung.
Artenschutz ist Klimaschutz
Dass es in der Anfangszeit, den 1970er Jahren der Kreisgruppe, vorrangig um Artenschutz ging, ist für Zang kein Widerspruch. „Klimaschutz kann nicht unabhängig vom Artenschutz gesehen werden. Wir haben beim Bund Naturschutz Artenkenner, die wahrgenommen haben, wie sich die Populationen verändern.“
Durch Kartierungen und Dokumentationen seien schleichende Verschlechterungen wahrgenommen worden, wie der Rückgang der Geburtshelferkröte. „Wir haben die Veränderungen wahrgenommen und standen ihnen hilflos gegenüber.“
Erneuerbare Energien sind nur ein Baustein
Die Frage nach den Gründen trieb die engagierten Mitglieder um. „Zunehmend wurde klar, dass Energie nicht alles ist. Plötzlich wurden andere Knappheiten deutlich. Das ewige Flächenthema etwa. Bis dann in den letzten 15 Jahren klar wurde, dass der Anstieg der CO₂-Konzentration mit dem Ressourcenverbrauch zusammenhängt und die Erneuerbaren Energien nur ein Baustein von vielen für einen Ausstieg aus dem vorherrschenden System sind. Im Grunde sind wir heute wieder beim Artenschutz angekommen, dieses Mal aber auf andere Weise: Wir zählen die Verluste der Arten.“
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