Kirche als Baustelle betrachten und aus diesem Bild Kraft und Ermutigung ziehen: Dazu hat Benediktinerpropst Martin Werlen die rund 100 Teilnehmer beim diözesanen Priestertag Mitte Oktober in Bad Bocklet ermutigt. „Die Baustelle ist ein schönes Bild. Denn man kann sie stets nur gemeinsam bewältigen. Und Jesus pflegte Beziehungen zu Menschen, die Baustellen in ihrem Leben hatten“, betonte der Mönch in seinem Vortrag. Außerdem sei jede Baustelle ein Zeichen der Hoffnung, da nur dort gebaut werde, wo man an eine Zukunft glaube, heißt es in einer Pressemitteilung des Bistums Würzburg.
Bischof Franz Jung feierte im Anschluss mit den Priestern in der Pfarrkirche Sankt Laurentius eine Messe. In seiner Predigt erklärte er, dass viele Priester und Bischöfe angesichts der Unsicherheit der Gegenwart wie Jona daran dächten, wegzulaufen. „Aber Gott bringt uns genau dorthin, wo er uns haben möchte. Vor Gott können wir nicht weglaufen.“
Seine Erfahrungen bei der Generalsanierung der Propstei Sankt Gerold im Vorarlberg schilderte Werlen im Kursaal von Bad Bocklet den versammelten Priestern. Der Priester, Jahrgang 1962, ist seit 1983 Mönch der Abtei Einsiedeln im Kanton Schwyz. Von 2001 bis 2013 stand er dieser als Abt vor und gehörte in dieser Zeit auch der Schweizer Bischofskonferenz an. „Ich wollte vor der Wahl eine festgelegte Amtsdauer haben, denn ich möchte nicht dem im Weg stehen, was ich selbst bewegt habe.“ Seit 2020 leitet er die zu seinem Orden gehörende Propstei Sankt Gerold im Vorarlberg.
Brandschutzvorgaben und defekte Wasserleitungen machten kurz nach seinem Wechsel dorthin eine Generalsanierung notwendig – im laufenden Betrieb, da nur dann Einkünfte generiert werden können. „Das war natürlich nicht ganz einfach. Denken Sie nur daran, wie gut sich eine Baustelle und ein Seminar für Stille miteinander vertragen.“
Die ältesten Teile der Propstei stammen aus dem elften Jahrhundert. Vor der Renovierung sei dort ein Raum für die Heißmangel genutzt worden. „Wir haben ihn zur Curia, zum Raum für Seelsorgegespräche umgebaut. Dafür musste auch ein behindertengerechter Zugang geschaffen werden.“ Das habe einiges an Gesprächsbedarf mit dem Denkmalschutz provoziert. „Manchmal muss man aber etwas an Räumen verändern, damit der Kontakt zum modernen Mensch erhalten bleibt.“
Eine historische Glockengußanlage sei bei den Arbeiten zum Vorschein gekommen. Diese sei archäologisch dokumentiert, dann aber wieder verschüttet worden. „Was keinen Zweck mehr erfüllt, wird auch nicht mehr gebraucht.“ Er kritisierte, dass viele Kirchen in der Ausstattung aus vergangenen Jahrhunderten hängengeblieben seien. „Dabei sind Künstler wichtige Seismographen der Gegenwart.“ Werlen gab zu bedenken, dass viele Künstler, deren Werke heute als spirituell tiefgründig gelten, zu ihrer Zeit stark angefeindet worden seien, zum Beispiel Caravaggio .
Werlen ermutigte, Heiligen gerecht zu werden, indem ihre Figuren statt auf irgendwelchen Podesten dort platziert werden, wo sie in den Baustellen des Lebens ihren Platz gehabt hätten. Er berichtete davon, wie ansprechend viele Besucher der Propstei es empfunden hätten, als eine Pietà plötzlich inmitten eines Schuttcontainers aufgestellt wurde. „So mancher hatte da Tränen der Ergriffenheit in den Augen.“ Auch die Krippe sei jeweils unter Verweis auf den aktuellen Baustand jeweils am Weihnachtsfest mit passenden Elementen gestaltet worden. So diente einmal ein Zelt als Unterschlupf für die Heilige Familie. „Ein schönes Bild, denn im griechischen Originaltext heißt es: Und das Wort hat Zelt genommen…“
Auch im Blick auf den geringen Priesternachwuchs deutete der Benediktiner das Bild von der Baustelle . „Wenn wir im Gottesdienst von der Kirche als ‚Haus voll Glorie‘ singen, welche Leute kommen dann ins Priesterseminar?“ Priester sollten sich und ihr Wirken nicht so wichtig nehmen. Vielmehr regte Werlen an, sich ein Vorbild am tschechischen Komponisten Antonín Dvorák zu nehmen. Als dieser längst in London, Wien, New York und Moskau als begnadeter Komponist gefeiert wurde, habe er von sich selbst gesagt: „Ich bin nur ein schlichter tschechischer Musikant.“
Die Kirche als Baustelle zu verstehen, mache wirklich Freude. Viele bauten an einer Baustelle mit und hätten dabei mitunter auch gegenläufige Interessen. „Die Runden Tische bei der gegenwärtigen Synode in Rom, an denen Kardinäle und Bischöfe sich auch mit Frauen austauschen, sind für mich ein positives Beispiel einer guten Streitkultur. Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen: Ich verliere als Bauherr keine Autorität, wenn ich mit meinen Handwerkern zusammen an einem Tisch esse – im Gegenteil.“ pow/red