Der Landkreis Bad Kissingen zählt zu den Gegenden, wo die CSU traditionell stark ist. Doch auch hier zeigt die derzeitige Erfolgswelle der Partei der Grünen Wirkung.
Auf etwas über 70 Mitglieder ist der Grünen-Kreisverband Bad Kissingen laut Tobias Eichelbrönner angewachsen. Es gebe wöchentlich Anmeldungen, sagt der Sprecher des Vorstands. Im Vergleich zu Städten wie beispielsweise Würzburg fällt die Mitgliederzahl natürlich gering aus. Wird aber die Ausgangslage im Landkreis berücksichtigt, ist der Zuwachs dann doch deutlich.
Denn wie Eichelbrönner erklärt, bewegte sich die Mitgliederzahl der Grünen im Landkreis meist um 50 herum. "Der tiefste Stand war so bei 46 Mitgliedern. Das war, als Hans-Josef Fell aus dem Bundestag flog", sagt Eichelbrönner. Im Jahr 2013 hatte es Fell aufgrund seiner Listenposition nicht mehr in den Bundestag geschafft.
Seit Herbst 2017 gibt es mit Manuela Rottmann nun wider eine Grüne-Bundestagsabgeordnete aus Hammelburg . Und seitdem sind die Grünen im Landkreis wieder sichtbarer geworden. Das liegt zum Beispiel an den Veranstaltungen, mit denen Rottmann und die Grünen im Landkreis unterwegs sind. Die Sichtbarkeit zu steigern, sei die Idee gewesen, erklärt die Bundestagsabgeordnete .
Die Veranstaltungen sollen dabei ein breites Meinungsspektrum abdecken und sich nicht nur an eine explizit grüne Zielgruppe richten. So war für einen Diskussionsabend über Glyphosat im vergangenen Jahr auch bewusst der Bauernverband eingeladen worden. Die Grünen hätten keine Angst, auch strittiger und konfliktreicher zu diskutieren, sagt Rottmann dazu. Die Veranstaltung damals im Hammelburger Pfarrzentrum hatte sehr viele Zuhörer angelockt.
Am Donnerstag, 22. August, kommt Tobias Lindner nach Langendorf. Der Grünen-Sprecher für Sicherheitspolitik im Verteidigungsausschuss spricht dort ab 19 Uhr über Friedenspolitik. Es handelt sich um eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Europa-Union. "Wir haben auch auf dem Lagerberg sehr für den Abend Werbung gemacht", sagt Rottmann.
Zu der Sichtbarkeit der Grünen trägt das Wahlkreisbüro der Abgeordneten ebenfalls stark bei. Es wurde vor mehr als einem Jahr in Hammelburg in zentraler Innenstadteinkaufslage eröffnet.
Büroleiter Fabian Hamák macht deutlich, dass es ein Wahlkreisbüro und kein Parteibüro ist und auf die Trennung geachtet werde. Trotzdem sind die Räumlichkeiten so etwas wie die zentrale Vertretung der Grünen im Landkreis - zumal es kein eigenes Büro des Kreisverbands gibt.
Mit vielen unterschiedlichen Anliegen kommen Menschen zu Hamák ins Büro - ganz unabhängig von Parteivorlieben. Er berichtet: "Wenn es einmal nur fünf Besucher am Tag sind, dann ist es ein äußerst ruhiger Tag." Was eher selten vorkommt. Denn sogar Touristen verirren sich ins Büro. Daher hält Hamák für sie einen Vorrat an touristischen Flyern der Stadt bereit
Bei den Besuchen gehe es häufig um "Lotsenarbeit", wie es Rottmann nennt: erklären, wer, wofür zuständig ist - Kommune, Land, Bund, EU. Die Erwartungen an die Grünen seien "riesengroß". Rottmann sagt: "Anders als früher wollen die Leute, dass die Grünen nun etwas ändern."
Davon bekommt Eichelbrönner zumindest in Form von Telefonanrufen etwas ab. Die hätten zugenommen. Die meisten Anrufer müsse er aber an die Naturschutzbehörde verweisen. Durch das Wachstum seien die Ehrenamtlichen zunehmend gefordert. Eichelbrönner berichtet, dass "Leute auf uns zukommen, die Grüne-Listen aufstellen wollen".
So könnten neben den Stammstädten Bad Kissingen und Hammelburg bei der Kommunalwahl 2020 in sechs weiteren Gemeinden Listen der Grünen zur Wahl stehen. Eichelbrönner zeigt sich zuversichtlich, es gebe Gespräche. Zwar traten außerhalb von Bad Kissingen und Hammelburg immer mal wieder vereinzelt Grüne in Gemeinderäten auf, aber dezidiert Grüne-Listen in dieser Breite, das wäre neu.
Das Trio Rottmann, Eichelbrönner, Hamák verbindet die Tatsache, dass sie aus Großstädten zurückgekehrt sind und die Vorteile des ländlichen Raums zu schätzen wissen. Gleichzeitig bringen sie Erfahrungen mit, wie manches funktionieren oder was besser laufen könnte. Daraus leiten sie den Anspruch ab, den ländlichen Raum neu zu gestalten, zum Beispiel beim Thema öffentlicher Nahverkehr .
Eichelbrönner nennt die Programmatik der Kreis-Grünen für die sechs Jahre nach der Kommunalwahl 2020: Die "Männerkultur", die sich herausgebildet habe, bei der schon alles vorbesprochen sei, weshalb es in Gemeinderäten keine Diskussionen gebe, soll aufgebrochen werden.