Fünf Verhandlungsstunden, vier Angeklagte, drei Verteidiger, zweimal Gefängnis und zweimal Geldstrafe – dies ist die Kurzfassung eines ungewöhnlichen Mammutprozesses am Bad Kissinger Amtsgericht. Doch tatsächlich erwies sich die Verhandlung als viel komplizierter und verworrener, so dass die erfahrene Richterin schließlich von einer „Räuberpistole“ sprach, was nicht nur sinnbildlich dem tatsächlichen Sachverhalt entsprach.
Letztlich ging es nicht nur um den Diebstahl eines Revolvers sowie dessen Tragens in der Öffentlichkeit und unsachgemäßen Aufbewahrens ohne waffenrechtliche Erlaubnis der Angeklagten, sondern auch um das Jagen ohne Jagdschein sowie Betrug und eidesstattliche Falschaussage.
Einbruch beim Jäger
Nach Anklageschrift soll der 24-jährige Handwerker im Herbst 2020 in den Zweitwohnsitz des mitangeklagten 60-jährigen Angestellten und Jägers eingebrochen und dessen Revolver gestohlen haben, um ihn später weiterzuverkaufen. Sein 23-jähriger Bekannter soll ihn in Kenntnis des geplanten Diebstahls zum Tatort und wieder nach Hause gefahren haben.
Zwei Tage später, dies ergab die Auswertung eines Chat-Verlaufs, verkaufte der 23-jährige „Fahrer“ diesen Revolver für 700 Euro an eine 32-jährige Angestellte, die sich, so ihre Aussage vor Gericht, von ihrem im Gefängnis einsitzenden Ex-Ehemann bedroht fühlte, was die Polizei anhand von WhatsApp-Nachrichten bestätigte. Das Geld übergab der 23-Jährige dem Dieb .
Nach einem vor Gericht nicht näher diskutierten Hinweis durchsuchte die Polizei im Juni 2021 das Anwesen des bestohlenen Eigentümers und stellte das Fehlen des Revolvers fest. Der 60-Jährige gab eidesstattlich zu Protokoll, der 24-Jährige habe ihn bestohlen und die Waffe an eine Frau weiterverkauft. Dies wisse er vom 23-Jährigen, der sich ihm gegenüber als Undercover-Informant der Polizei ausgegeben hatte. Als dieser die Frau zur Rückgabe aufgefordert habe, gab sie an, sie hätte die Waffe in den Main geworfen. Diese Aussage war unwahr, denn zu jenem Zeitpunkt war der Revolver noch bei der Mitangeklagten in Verwahrung.
Waffe zurück gekauft
Erst im Juli will der 60-Jährige von seinem Bekannten die Wahrheit erfahren haben. Daraufhin fuhren beide am selben Tag zur Mitangeklagten , um die Waffe zurückzukaufen. Der 23-Jährige erhielt vom 60-jährigen Eigentümer 800 Euro, zahlte der Frau aber nur 700 und behielt die Differenz für sich.
Eine Woche später versteckten die beiden den Revolver im Anwesen des 24-jährigen Waffendiebes, um ihm mit der strafrechtlichen Ermittlung „eins auszuwischen“, da der 60-Jährige, der dem jungen Dieb zuvor „wie einem Sohn“ vertraut hatte, nun von ihm enttäuscht war. Am selben Tag gab der 23-Jährige der Polizei einen Hinweis, wo die Waffe zu finden ist.
Verdächtiges Insiderwissen
Bei der Durchsuchung des Anwesens machte sich der Dieb im Gespräch mit einem Polizisten durch Spezialwissen über die aufgefundene Munition verdächtig. Erschwerend zum Diebstahl kam für den jungen Mann die Tatsache außerdem hinzu, dass er in den zwei Jahren zuvor mindestens viermal mit dem 60-Jährigen auf Jagd war, obwohl ihm bereits Ende 2020 der Jagdschein entzogen worden war.
Zu Beginn der Verhandlung hatte der 24-jährige Handwerker zugegeben, tatsächlich ohne Jagdschein mit seinem väterlichen Freund auf Jagd gewesen zu sein. Doch den Diebstahl des Revolvers stritt er ab. „Die Waffe ist mir untergeschoben worden.“ Sein jüngerer Bekannter leugnete ebenfalls den Diebstahl: „Ich habe ihn nur gefahren.“ Weitere Aussagen verweigerten beide.
Saftige Geldstrafen für Mittäter
Nach vierstündiger Verhandlung und Anhörung einer Zeugin sowie den Aussagen von zwei Polizeibeamten blieb der Staatsanwalt bei den in der siebenseitigen Anklageschrift gelisteten Vorwürfen und beantragte für den 24-jährigen Hauptangeklagten zwei Jahre und zehn Monate sowie für den 23-Jährigen Mittäter zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe. Für die 32-jährige Waffenkäuferin hielt er eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 35 Euro (3150 Euro) und für den 60-Jährigen 90 Tagessätze zu 80 Euro (7200 Euro) für angemessen.
Nachdem die Verteidiger der zwei Hauptangeklagten auf widersprüchliche Aussagen im Prozessverlauf verwiesen hatten („Es tun sich Fragezeichen über Fragezeichen auf“) beantragten beide für ihre Mandanten („Nicht schuldig im Sinne der Anklage.“) eine Freiheitsstrafe von „nicht mehr als einem Jahr zur Bewährung“.
Vorstrafen inklusive
Doch die Richterin folgte weitestgehend der Anklageschrift und verurteilte unter Einbeziehung laufender Vorstrafen den 24-jährigen Waffendieb zu zwei Jahren und drei Monaten, den 23-jährige Mittäter zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung.
Die Angestellte muss eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 20 Euro (1400 Euro) und der 60-Jährige Waffenbesitzer 60 Tagessätze zu 80 Euro (4800 Euro) an die Staatskasse zahlen. Alle Verurteilten tragen zudem die Kosten des Verfahrens.
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