
Eva Matthies hört auf. Nach 18 Jahren gibt sie den Vorsitz des Vereins Kidro Niedrigschwellige Drogenhilfe ab.
Der Entschluss musste erst reifen, schließlich war sie all die Jahre über mit Leidenschaft bei der Sache. Sie setzte sich für die Arbeit eines Streetworkers in Sachen Drogen ein, machte sich stark dafür, dass Aussiedler sich in der Stadt besser zurechtfinden und initiierte ein Projekt, bei dem man arbeitslosen jungen Leuten mit problematischem Hintergrund wieder berufliche Perspektiven gibt.
Völlig arglos
„Dass ich das 18 Jahre lang mache, hätte ich damals nicht gedacht“, sagt die 63-Jährige und schüttelt sinnierend den Kopf. „Damals“ war Anfang der 90-er Jahre, als sie noch Kunsterzieherin an der Münnerstädter Hauptschule war und als Drogenkontaktlehrerin zum Treffen des Arbeitskreises Prävention nach Bad Kissingen kam. Freilich war da schon von der Notwendigkeit eines Streetworkers in der Kurstadt die Rede, denn rund um die Stadtpfarrkirche gab es eine offene Drogenszene und erste spektakuläre Todesfälle infolge Drogenkonsums machten Schlagzeilen.
Richtig bewegen konnte man in diesem Gremium jedoch nichts, erinnert sich Eva Matthies an die Arbeit. Eine Kontaktstelle musste her, am besten ein Verein, denn der war notwendig, um Fördergelder zu beantragen. Völlig arglos ließ sie sich da zur Vorsitzenden wählen, sagt sie heute und schmunzelt dabei.
„Immer nach Bedarf gearbeitet“
Das Streetworker-Projekt lief nach etlichen Hürden an. Unterstützen wollten die Kidro-Leute aber nur solche Jugendliche, die Hilfe zuließen und sich vornahmen, ein drogenfreies Leben zu führen.
„In der Rückschau gesehen, haben wir immer nach Bedarf gearbeitet“, sagt die Kidro-Frontfrau. Denn damals gab es dann auch in Sachen Wärmestube Förderbedarf, denn etliche Personen, die bei Kidro ein und aus gingen, kamen auch in die Wärmestube. Die Stadt übergab dem Verein sozusagen die kommissarische Aufsicht.
Weil die Räume im Nürnberger Haus trostlos waren, setzte sich Matthies zusammen mit den Wohlfahrtsverbänden bei der Stadt Bad Kissingen für einen Umzug ins benachbarte Streit-Haus ein. Dort hatte dann auch der Streetworker von Kidro sein Domizil.
Leicht war es nicht immer, sagt sie und macht klar, dass sie bei Politikern und Behörden oft Überzeugungsarbeit leisten musste. Hartnäckigkeit und eine gewisse „positive Penetranz“ waren notwendig, wie Matthies ihre Fähigkeit nennt, an einer Sache „mit 100 oder 200 Prozent“ dran zu bleiben. Dabei denkt sie unter anderem auch an das Projekt Kissinger Weg aus Drogen (Kwadro), das sie 2003 beim Bundesamt für Migration nach zähen Verhandlungen an Land zog.
Das eigentliche Vereinsziel, die Drogenarbeit, verband sich da mit der Integration von Aussiedlern. Mit Albert Köpplin zog man sozusagen das große Los, denn der Streetworker fühlte sich längst nicht nur für die Beratung zuständig. Er ging tatkräftig in die Praxis, leierte zum Beispiel in einer alten Halle auf dem Gelände der ehemaligen US-Kaserne einen Sporttreff für junge Leute an und stellte eine Sambo-Mannschaft zusammen.
2006 lief Kwadro aus. Ein Anschlussprojekt zu beantragen, war nicht möglich. Also ließ sich Eva Matthies eben etwas anderes einfallen: Ein völlig anderes Projekt mit neuer Zielrichtung. Das „Kissinger Integrationsprojekt“ (KIP) wurde 2007 geboren. Als drei Jahre später die Fördermittel des Bundes dafür ausliefen, ließ Matthies wieder mal nicht locker, bis schließlich das Arbeitsamt finanziell in die Bresche sprang.
Was Matthies mit ihrem Kidro-Team in der Kurstadt alles bewegte, findet Oberbürgermeister Kay Blankenburg „sensationell“. Sie hat erkannt, was hier im Argen liegt und Veränderungen durchgedrückt, sagt der OB anerkennend.
„Außergewöhnlich engagiert“
Landrat Thomas Bold findet sie „außergewöhnlich engagiert“, vor allem, wenn man bedenkt, dass sie alles ehrenamtlich machte. Zudem habe sie immer die Fähigkeit an den Tag gelegt, Politikern die Notwendigkeit des Handelns für Kidro zu vermitteln.
Die „tägliche Action“ wird ihr am meisten fehlen“, sagt Matthies, dazu die Arbeit im Team, das flexible Agieren aus dem Augenblick heraus und vor allem die Vertrauensbasis, die sie mit zahlreichen jungen Leuten aufgebaut hat. „Meine Jungs und Mädels“ pflegt sie die jungen Leute liebevoll zu nennen, die sie unter ihre Fittiche nahm. Und die wiederum haben sie schon lange zu ihrer „großen Schwester“ ernannt.
Klar, dass Matthies der Abschied von Kidro nicht leicht fällt. Tapfer beteuert sie aber, dass sie sich darauf freut, wenn der Zeitdruck weg ist und sie nicht mehr „zu hundert Prozent funktionieren“ muss. Und dann hat sie noch ein humoriges Zitat Karl Valentins parat: „Wer am Ende ist, kann von vorn anfangen. Denn das Ende ist der Anfang von der anderen Seite.“