Viele Fotos gibt es nicht vom Mürschter Appollon. Aber auch so ist der Mythos geblieben: von einer Disko der besondern Art mit einem Publikum von ausgeflippt bis ganz normal; von ewigen Kämpfen um die Existenz der Diskothek; von einfach guter Musik außerhalb des damaligen Hitparaden-Geschmacks. Jens Ritter war gerade 17 Jahre alt, als er 1985 im Appollon als DJ seine ersten Platten auflegte. Das Appollon war damals für ihn ein Stück zweites Daheim. "Man wusste, da ist immer jemand da", sagt der heute 51-jährige Lehrer. Das gefiel auch Iris Bildhauer. Man habe dort einfach immer Leute getroffen, bestätigt die Münnerstädterin.
Ein bisschen Verrucht war das Appollon, eine ehemalige Turnhalle, schon. Manch älterer Mitbürger sprach von einer Lasterhöhle, denn natürlich wurde draußen vermutet, dass dort nicht nur Marlboro und Gauloises geraucht wurden.Kifferdisko war der unfreundliche Spitzname.
So bildete sich bereits unmittelbar nach der Eröffnung 1981 eine Initiative gegen die Disko, auch weil im Mischgebiet Diskotheken eigentlich nicht erlaubt sind. Es waren vor allem Anwohner an der Zent, die um ihre Nachtruhe fürchteten. Andere kritisierten die problematische Lage, weil die B 19 das Musiklokal von den Parkplätzen trennte und nicht jeder den sicheren Fußweg über die Brücke nahm. Ganz unberechtigt war diese Kritik nicht, wie sich 1986 zeigte. An einem Wochenende im Juni gab es drei Verletzte, die beim Überqueren der Bundesstraße von Autos erfasst wurden.
Die Jugend, die ihrerseits um ihre Wochenend-Heimat bangte, konterte Anfang 1981 auf ihre Art: Sitzstreik und Demo an der Zentstraße sowie lange Diskussionen mit den Gegnern. So einfach wollten die Jugendlichen dieses Domizil nicht verlieren. Schließlich war es die Zeit, als gerade weitere beliebte, alternative Musiklokale in der Rhön geschlossen wurden.
Unterstützung erhielt die Jugend von der "Aktionsgemeinschaft für eine Diskothek in Münnerstadt ". Rainer Kirch hatte sie 1981 mitinitiiert und Unterschriften gesammelt, auch weil er eine Tochter hat, die damals langsam ins Disko-Alter kam. Er fand es gut, dass die jungen Leute im Ort bleiben konnten. "Wir hatten schnell ein paar Hundert Unterschriften zusammen", so Kirch im Rückblick. Die Unterschriften gingen sogar an den Petitionsausschuss des Landtags. Das Appollon erhielt schließlich eine Genehmigung. Iris Bildhauer glaubt, dass auch ihre Eltern froh waren, dass sie in Münnerstadt in die Diskothek gehen konnte. Eine ständige Hängepartie war der Betrieb trotzdem; 1988 war wegen der baurechtlichen Probleme endgültig Schluss.
Solange jedoch kam die Jugend mit Begeisterung, eigentlich alle Gruppen mit Ausnahme der nicht gern gesehnen Popper. Alternative, Punks, Baghwan-Jünger, aber natürlich auch ganz normale junge Leute waren Dauergäste im Appollon. Hier wurde ihre Musik aufgelegt. Und stylen musste sich keiner, um eingelassen zu werden. Hinzu kam, so Iris Bildhauer und Jens Ritter, dass es keinen Eintritt kostete. Das alles hatte sich bis hinauf in die Rhön herumgesprochen.Aber letztendlich war es vor allem die Musik, die zog.
"Von Led Zeppelin konnte man so ziemlich alles spielen", erinnert sich Jens Ritter. Zum Plattenauflegen kam er eher durch Zufall. Er hatte sich als Besucher immer Songs gewünscht. Das hat den damaligen DJ so genervt, dass er den Vorschlag machte, der 17-jährige solle doch selbst auflegen. Das hat er dann auch gemacht, meist zwei- oder dreimal pro Woche.
Ein bisschen Hippie-Zeit und der Rock der 1970er lebten im Appollon weiter; 1980er Rock, Punk oder Independent-Musik wurden ebenfalls gespielt. Live-Konzerte gab es immer mal wieder. "Die waren leider immer zu wenig besucht", bedauert Jens Ritter bis heute. Alvin Lee , Wishbone Ash, Uriah Heep oder Hermann Brod standen im Appollon auf der Bühne.
Meist war die Atmosphäre in der Disko friedlich. Barfuß-Tanzen war eine zeitlang ziemlich angesagt.Allerdings ließ das nach, als es unter einigen Gästen üblich wurde, leere Gläser einfach fallen zu lassen. Discofox auf der Tanzfläche war im Appollon tabu. Hat es doch mal ein Pärchen gewagt, habe er sofort eine andere Platte aufgelegt, lacht Jens Ritter, und zwar einen Song, der garantiert nicht Discofox geeignet war. Und noch etwas war anders, erinnert sich Iris Bildhauer: Keiner hat sich gekümmert, ob man erst 15 oder schon 18 Jahre alt war. Heutzutage wäre das undenkbar.