Im Wohnzimmer von Claudia Wawerzinek beginnen sich langsam aber sicher die Päckchen zu stapeln. "Ich glaub, bis zum Wochenende wird es voll", sagt die Bad Brückenauerin und lacht. Wawerzinek sammelt in ihrer Wohnung derzeit Christstollen, Plätzchen und kleine Geschenkpäckchen. Diese wird sie am Samstag nach Ahrweiler in Rheinland-Pfalz bringen. Direkt in das im Juli vom Hochwasser zerstörte Gebiet.
In der vergangenen Woche war Wawerzinek selbst im Ahrtal, um sich vorab einen Überblick zu verschaffen. "Dort unten ist es ja immer noch furchtbar", sagt sie. "Es war deprimierend, diese Stadt zu sehen, die einmal wunderschön gewesen ist, um draußen zu sitzen und so. Und jetzt ist diese Stadt dreckig, kaputt, tot. Es sieht aus als hätte eine Bombe eingeschlagen. So stell ich mir Krieg vor." Sie habe eigentlich auch nach Dernau fahren wollen, berichtet sie. Dorthin dürfe man aber gerade nicht. "Da reißen sie ein Haus nach dem anderen ab."
Wohnung entkernt, jetzt Baustopp
Zu den Betroffenen der Flutkatastrophe , denen sie im Herbst eine Auszeit im Altlandkreis Bad Brückenau ermöglichte, steht Wawerzinek noch in engem Kontakt. Sie berichtet, dass Feuerwehrmann Rudolf Harzen wahrscheinlich nicht an der gleichen Stelle sein von der Flut zerstörtes und hernach abgerissenes Haus wieder aufbauen darf.
Auch Christel und Herbert Löffler-Gutmann, die die Flutnacht gemeinsam mit ihrem Nachbarn auf einem fremden Balkon ausgeharrt hatten, werden wohl nicht in ihre Eigentumswohnung zurückkehren können. "Sie hatten die Wohnung schon komplett entkernt und wollten in Kürze den Estrich verlegen", berichtet Wawerzinek. "Aber jetzt liegt die Wohnung in der Blauen Zone. Das bedeutet: Baustopp." Aufgrund des künftigen Hochwasserschutzes dürften im Haus der Löffler-Gutmanns im unteren Bereich keine Wohnungen mehr entstehen.
Ein wenig Ablenkung in der Weihnachtszeit
Die Sorgen sind immer noch der ständige Begleiter der Menschen im Flutgebiet. Umso wichtiger ist es, für ein wenig Ablenkung zu sorgen - gerade vor Weihnachten. Zu diesem Zweck fährt Wawerzinek am Samstag mit einer kleinen Gruppe aus dem Altlandkreis in Richtung Rheinland-Pfalz.
Auf dem Marktplatz in Ahrweiler wird sie das Weihnachtsgebäck und die Geschenke an die Menschen vor Ort und in der Umgebung verteilen. Auch die Big Band aus dem hessischen Schlüchtern reist mit an, wie sie berichtet, weswegen der ursprünglich für Dezember geplante Besuch etwas nach vorne verlegt wurde.
Anfang November hatte Wawerzinek einen Aufruf gestartet, um möglichst viele Christstollen, Plätzchen und Geschenkpäckchen zusammenzubekommen. Sogar aus Dresden sind inzwischen zwei Stollen eingetroffen, wie sie erzählt. Dennoch könnten es gerade bei den Christstollen noch ein paar mehr sein.
"Mein Traum waren ja 200 Stück, jetzt werden es wohl eher nur 100", sagt die Bad Brückenauerin. Vielleicht finden sich bis Ende der Woche aber auch noch ein paar großzügige Bäckerinnen und Bäcker oder Privatpersonen.
Christstollen nach Rezept der Großmutter
Mitgebacken hat auch der frühere Detterer Ortsbäcker Peter Hartmann . In weihnachtlichen Tüten mit blauem Rand lieferte er in der vergangenen Woche Christstollen bei Wawerzinek ab. Das Grundrezept stamme noch von seiner Großmutter, erzählt Hartmann, der inzwischen im Ruhestand ist. Früher habe er Christstollen und auch Bauernbrot von Detter aus an Kunden in ganz Deutschland verschickt. Jetzt für die Betroffenen der Flut mitzubacken, sei für ihn selbstverständlich gewesen.
Hartmann war es auch, der Wawerzinek auf die Idee mit den Christstollen und den Plätzchen brachte. Indirekt zumindest. Denn er hatte der Bad Brückenauerin seine Hilfe angeboten, wenn diese einmal gebraucht werde. "Weil er Bäcker ist, dachte ich mir plötzlich: Mensch, wir könnten doch Christstollen und Plätzchen für die Leute backen", erinnert sich Wawerzinek. Aus der Idee ist eine Hilfsaktion geworden, die ihre Kreise längst weit über den Altlandkreis hinaus zieht.
Wer spontan noch etwas beisteuern möchte, kann sich direkt bei Claudia Wawerzinek melden - unter 0151/563 041 42.