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Bad Kissingen
Details entdecken beim Kissinger Denkmaltag
Großes Interesse zeigten die Besucher an den Stationen des Denkmaltages in Bad Kissingen, etwa auf dem jüdischen Friedhof in der Bergmannstraße.
Stadtheimatpfleger Peter Kaidel (rechts) erzählte aus der Geschichte des jüdischen Friedhofs.  Fotos: Sigismund von Dobschütz       -  Stadtheimatpfleger Peter Kaidel (rechts) erzählte aus der Geschichte des jüdischen Friedhofs.  Fotos: Sigismund von Dobschütz
| Stadtheimatpfleger Peter Kaidel (rechts) erzählte aus der Geschichte des jüdischen Friedhofs. Fotos: Sigismund von Dobschütz
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 19.08.2022 07:40 Uhr
Großen Andrang gab es am Sonntag anlässlich des 25. Tages des offenen Denkmals. Einwohner und Gäste der Kurstadt besichtigten Räumlichkeiten und Anlagen, die sonst kaum zu betreten sind. Seit 1993 können Kulturinteressierte in Deutschland an jedem zweiten Sonntag im September "Denkmalschutz live" erleben.

Außer dem Museum Obere Saline mit den Wohnräumen des Reichskanzlers Otto von Bismarck durfte diesmal das seit 1928 als Rathaus genutzte Stadtschloss der Familie Heußlein von Eußenheim sowie der seit 1817 bestehende jüdische Friedhof in der Bergmannstraße besichtigt werden.

Schon seit dem 13. Jahrhundert seien Juden in Kissingen ansässig gewesen, ließ Stadtheimatpfleger Peter Kaidel, der nach jüdischem Brauch eine Kippa auf dem Kopf trug, seine Zuhörer wissen. Früher seien die Toten auf dem Friedhof in Pfaffenhausen (Hammelburg) beigesetzt worden.

Erst nach der bayerischen Judenemanzipation von 1813 kauften die in Bad Kissingen zu einigem Wohlstand gekommenen Juden weit außerhalb der damaligen Stadtgrenzen ein Grundstück für ihren Friedhof, der 1932 noch erweitert wurde. Das letzte Begräbnis fand dort 1941 statt. Nach der letzten Deportation Kissinger Juden am 24. April 1942 wurde der Friedhof geschlossen. Kaidel: "Heute gibt es hier noch 488 Grabstellen." Auf dem Rundgang zeigte er die Grabstätte der Familie Ehrlich, die wegen eines Urnengrabes außerhalb der Friedhofsmauern lag, da nach jüdischem Glauben ein Leichnam nicht verbrannt werden darf. Später wurde die Grabstätte dann doch in den Friedhof eingefriedet.

Eine andere Besonderheit, so erfuhren die Friedhofsbesucher, ist die Grabstätte von Josef und Renia Weissler. Weissler hatte nach dem Krieg im früheren jüdischen Gemeindehaus an der Promenadestraße im Obergeschoss einen Betsaal eingerichtet und war dort Vorbeter gewesen. Nur mit Ausnahmegenehmigung war es möglich geworden, mehr als 40 Jahre nach offizieller Schließung des Friedhofs beide Eheleute dort beizusetzen.

"Dies ist doch ein Stück Kultur unserer Stadt", nannte Elisabeth May als Grund, endlich einmal den jüdischen Friedhof zu besuchen. Seit 25 Jahren lebt sie nun schon in der Stadt, "doch hier war ich nie". Noch niemals auf einem jüdischen Friedhof war auch Kurgast Kerstin Muhr. Sie wollte sich bei ihrem Friedhofsbesuch mit der ihr fremden Religion vertraut machen und suchte auf den Grabsteinen nach kleinen Steinen, wie sie es im Abspann des Film "Schindlers Liste" gesehen hatte. Doch nur auf einem alten Grabstein fand sie solche Steinchen. Besonders beeindruckt war Muhr von der Inschrift auf dem Grabstein des jüdischen Philantropen Michael Nassatisin (1876-1931). "Einen so schönen Nachruf habe ich noch nie gelesen."

Zur selben Zeit führte Hilla Schütze durch die historischen Räume des jetzt als Rathaus genutzten Stadtschlosses. Im Ratssaal, der noch zu Zeiten des letzten Eigentümers Karl Lochner von Heußlein und dessen Ehefrau Bertha als Festsaal genutzt worden war, wies sie auf die bunte Stuckdecke hin. Historische Informationen zu dem ab 1709 vom Fuldaer Dombaumeister Johann Dientzenhofer erbauten Schloss verband Schütze, die in ihrer Kindheit mit den Lochner-Kindern befreundet war, mit humorigen Anekdoten. So hätten die Kindern bei Liederabenden der Mutter im Nachthemd zwischen den geräumigen Flügeltüren zum Festsaal gelauscht, bis sie doch entdeckt und ins Bett geschickt wurden.

Mit 59 Jahren starb 1927 der Arzt Karl Lochner von Eußenheim. Da die Kinder zum Studium das Elternhaus verließen, verkaufte die erst 44-jährige Witwe ihr Schloss im Frühjahr 1928 an die Stadt, die es gern erwarb, war doch das alte Rathaus am Marktplatz zu klein geworden. Noch heute erinnert in einer dunklen Nische im Durchgang zum Rathausinnenhof eine steinernes Relief an die 1590 von Christoph von Schletten erbaute Schlettensche Kemenate. Dieses Anwesen war 1634 an die Familie Heußlein von Eußenheim gegangen und musste 1709 dem Schlossbau weichen.
 
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