Bad Kissingen
Der Vieldeutende
Für Sir John Eliot Gardiner stand Rafael Payare am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Er konnte ihn vertreten, aber nicht ersetzen.
Man hatte sich natürlich gefreut, nach 30 Jahren Kissinger Sommer auch einmal den Großmeister der englischen Dirigenten, Sir John Eliot Gardiner, einmal im Regentenbau live am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks erleben zu können. Aber nicht wegen Brexit, sondern wegen eines kurzfristigen Krankenhausaufenthaltes musste er absagen. Für ihn kam der 33-jährige Venezolaner Rafael Payare. Er wird in den Medien als "einer der aufregendsten Dirigenten seiner Generation" gehandelt. Da muss es mindestens zwei dieses Namens geben. Oder es war anders gemeint.
Erstaunlich, dass die Münchner ausgerechnet an ihn geraten sind; als Dirigent konnte er nicht wirklich überzeugen, denn es fehlte bei ihm ein wesentlicher Aspekt: Payare ist einer, der ausschließlich auf Einsätze und Rhythmus dirigiert, und das in einer völlig überzogenen Form, die eher verwirrt als klärt. Zum einen ist seine Schlagtechnik ungünstig: Er schlägt meistens von unten nach oben, was keine präzisen Punkte setzt, oder er deutet auf die betroffenen Musiker. Die sehen nur eine Hand oder einen Finger auf sich zukommen: Was will ihnen das sagen?
Zum anderen, und das war Payares großer Irrtum, muss man einem Mitglied des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks nicht erklären, wann sein Einsatz kommt. Sie wissen das auch ohne ihn und regeln das im Übrigen untereinander. Wer beobachten konnte, wie sich etwa Konzertmeister Radoslaw Szulc und Erster Solobratscher Hermann Menninghaus buchstäblich hinter Payares Rücken abstimmten, konnte dessen Bemühen für rührend halten. Er hätte, statt zu zeigen, wie gut er Partituren lesen kann, besser die Chance nutzen sollen, seine persönliche Handschrift in die Interpretationen zu bringen, Wann steht er schon vor so einem Orchester.
So eröffnete er mit Rossinis "Barbiere"-Ouvertüre vorsichtig betulich. Dass es trotzdem ein vergnüglicher Einstieg wurde, lag daran, dass die Münchner wissen, wie man auch bei langsamerer Gangart Humor, Drama und Frische gestaltet, wann ein Crescendo gut tut.
Bei Mozarts G-dur-Klavierkonzert KV 453 erlebte man einen ungewohnten Piotr Anderszewski. Er tat etwas ganz Seltenes: Er wendete sich mehrmals dem Orchester zu. Er spielte seinen Part blitzsauber, mit wunderbar klarem Anschlag, mit schönen Farben, und er bekam entsprechende Antworten vom Orchester. Man wäre zufrieden gewesen, wenn man nicht gewusst hätte, was man mit diesem Personal machen kann, wenn man es mit ein paar Ideen fordert. So stellte sich, wenn auch auf höchstem Niveau, rasch sogar berechenbare Gewöhnung ein.
Johannes Brahms' 4. Sinfonie dirigierte Rafael Payare auswendig. Das weckte kurz die Hoffnung, dass er jetzt mehr Zeit für die Gestaltung haben würde. Was sich änderte: Jetzt schaute er die Musiker an. Es überraschte nicht, dass es trotzdem eine herausragende Aufführung wurde, die den großen romantischen Geist dieses Werkes spiegelte, die weite Bögen spannte, die klare Strukturierungen entwickelte und tiefe Emotionen erzeugte. Da wusste man wieder, warum man dieses Orchester so sehr schätzt.
Blieb nur die Frage, wessen Interpretation die Münchner an diesem Abend gespielt haben: Mariss Jansons, Lorin Maazel, Colin Davis? Rafael Kubelik liegt schon zu weit zurück.
Das Ärgerliche an dem Konzert war letztlich, dass es mal wieder Wasser auf die Mühlen derer war, die so gerne fragen: "Wozu braucht man eigentlich einen Dirigenten?"
Erstaunlich, dass die Münchner ausgerechnet an ihn geraten sind; als Dirigent konnte er nicht wirklich überzeugen, denn es fehlte bei ihm ein wesentlicher Aspekt: Payare ist einer, der ausschließlich auf Einsätze und Rhythmus dirigiert, und das in einer völlig überzogenen Form, die eher verwirrt als klärt. Zum einen ist seine Schlagtechnik ungünstig: Er schlägt meistens von unten nach oben, was keine präzisen Punkte setzt, oder er deutet auf die betroffenen Musiker. Die sehen nur eine Hand oder einen Finger auf sich zukommen: Was will ihnen das sagen?
Zum anderen, und das war Payares großer Irrtum, muss man einem Mitglied des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks nicht erklären, wann sein Einsatz kommt. Sie wissen das auch ohne ihn und regeln das im Übrigen untereinander. Wer beobachten konnte, wie sich etwa Konzertmeister Radoslaw Szulc und Erster Solobratscher Hermann Menninghaus buchstäblich hinter Payares Rücken abstimmten, konnte dessen Bemühen für rührend halten. Er hätte, statt zu zeigen, wie gut er Partituren lesen kann, besser die Chance nutzen sollen, seine persönliche Handschrift in die Interpretationen zu bringen, Wann steht er schon vor so einem Orchester.
So eröffnete er mit Rossinis "Barbiere"-Ouvertüre vorsichtig betulich. Dass es trotzdem ein vergnüglicher Einstieg wurde, lag daran, dass die Münchner wissen, wie man auch bei langsamerer Gangart Humor, Drama und Frische gestaltet, wann ein Crescendo gut tut.
Bei Mozarts G-dur-Klavierkonzert KV 453 erlebte man einen ungewohnten Piotr Anderszewski. Er tat etwas ganz Seltenes: Er wendete sich mehrmals dem Orchester zu. Er spielte seinen Part blitzsauber, mit wunderbar klarem Anschlag, mit schönen Farben, und er bekam entsprechende Antworten vom Orchester. Man wäre zufrieden gewesen, wenn man nicht gewusst hätte, was man mit diesem Personal machen kann, wenn man es mit ein paar Ideen fordert. So stellte sich, wenn auch auf höchstem Niveau, rasch sogar berechenbare Gewöhnung ein.
Johannes Brahms' 4. Sinfonie dirigierte Rafael Payare auswendig. Das weckte kurz die Hoffnung, dass er jetzt mehr Zeit für die Gestaltung haben würde. Was sich änderte: Jetzt schaute er die Musiker an. Es überraschte nicht, dass es trotzdem eine herausragende Aufführung wurde, die den großen romantischen Geist dieses Werkes spiegelte, die weite Bögen spannte, die klare Strukturierungen entwickelte und tiefe Emotionen erzeugte. Da wusste man wieder, warum man dieses Orchester so sehr schätzt.
Blieb nur die Frage, wessen Interpretation die Münchner an diesem Abend gespielt haben: Mariss Jansons, Lorin Maazel, Colin Davis? Rafael Kubelik liegt schon zu weit zurück.
Das Ärgerliche an dem Konzert war letztlich, dass es mal wieder Wasser auf die Mühlen derer war, die so gerne fragen: "Wozu braucht man eigentlich einen Dirigenten?"
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