Eine Scheune bei Geroda. Es ist kalt, von außen betrachtet scheint winterliche Ruhe zu herrschen. Innen ein ganz anderes Bild: Zwei Frauen in mittelalterlicher Tracht. Ein Mann, der einen speziellen Lichtreflektor hochhält. Alle drei sind fixiert auf eine Frau, die schon vor Anstrengung schwitzt: Kerstin Junker, selbstständige Fotografin. An diesem Nachmittag entsteht in der Scheune das Material für eine Mittelalter-Ausstellung, die ab 28. März gezeigt werden soll. Und das ist richtig harte Arbeit.
„Annette, stell' das mal bei de' Füß'.“ – Kerstin Junker hat genaue Vorstellungen, was auf ihre Bilder soll und was nicht. Und so empfindet sie den Gemüsekorb im Arm ihres Models Annette Betz als störend. Der Korb mit Kohl, Karotten und Pastinake passt besser an die Füße, glaubt sie.
„Ich achte bei meinen Bildern auf die Balance zwischen gestellter Umgebung und natürlichem Eindruck“, sagt die Künstlerin. „Komponieren“ nennt sie das. Und so hat Junker lange vorher für die dreieinhalbstündige Fotosession geplant.
Die Models hat sie organisiert, deren historische Kostüme aus einem Verleih in Bischofsheim geholt, das Gemüse für den Korb extra im Supermarkt gekauft. Kamera und Zubehör gehören eh zur Berufsausstattung.
Nur die Scheune als Veranstaltungsort – die hatte Kerstin Junker nicht auf dem Plan: „Ursprünglich hatte ich vor, die Models auf einer Wiese mit Rhön-Schafen zu fotografieren. Doch dann kam der Wintereinbruch dazwischen.“
In der Tat ist es an diesem Tag ziemlich frisch und windig. Die Models Annette Betz und Melanie Spahn bibbern – trotz moderner Ski-Unterwäsche. Sie werden auch nicht richtig warm mit den Tieren, die doch die perfekte Kulisse bilden sollten.
Nach einer halben Stunde sagt die Fotografin: „Wir brechen ab. Das bringt nichts.“ Plan A ist gescheitert.
Gut, dass es Plan B gibt. Und auf den ist Rhönschäfer Ludwig „Lupo“ Schneider aus Geroda gekommen. Er hat seine Tiere zur Verfügung gestellt.
Bei seinem Elternhaus, erzählt er, gäbe es eine alte Scheune voller Heu. Vielleicht tauge die ja als Ort zum Fotografieren. Kerstin Junker: „Als ich dort eintrat, habe ich gleich gesehen: Licht und Umgebung passen.“
Also werden eine passende Stelle zum Fotografieren gesucht, das Heu zurechtgemacht, die Models ins rechte Licht gesetzt. Junker arbeitet immer ohne Blitz.
Der spontane Teil des Termins beginnt. Junker: „Man darf nie zu den Models sagen: 'Lacht mal.' Dann werden die Bilder verkrampft.“
Sie setzt auf kleine Tricks, um eine lockere Stimmung zu erreichen: „Manchmal reicht schon zu sagen: ,Erzähle mal einen Schlag aus der Jugendzeit'. Dann lachen die Models schon von alleine.“
Manchmal bemüht Junker auch ihren Vertrauten und Mitarbeiter Martin ,Marv' Dorn. Der habe es durch seine Art einfach drauf, die Stimmung aufzulockern.
Die Atmosphäre in der Scheune entspannt sich ziemlich schnell. Was an Marv, Rhönschäfer Lupo und daran liegt, dass die Models nicht mehr so arg frieren.
Endlich kann Kerstin Junker die Fotos machen, die sie sich vorstellt. 600 Stück sind es an diesem Tag – eine unterdurchschnittliche Zahl. Bei einem ganztägigen Termin im Sommer auf der Burg Brattenstein waren es 1000.
„Wenn bei einem Shooting 20 gute Bilder entstehen, ist das in Ordnung. Vier bis fünf schaffen es in die Ausstellung.“
Sechs Fototermine hat die Oberleichtersbacherin für die Fotoschau gemacht. Der in der Gerodaer Scheune ist der letzte.
„Die Bilder werden noch gesichtet und bearbeitet. Außerdem möchte ich noch einen Ausstellungskatalog und Ankündezettel machen“, sagt sie müde.
Das Fotografieren hat Kerstin Junker sehr angestrengt: „Währenddessen merke ich nicht einmal, dass ich Hunger und Durst habe. Aber hinterher bin ich total geschafft.“
Doch die Mühe soll sich lohnen. Immerhin wird die erstmalige Präsentation der Ausstellung mit Junkers Geschäftseröffnung zusammenfallen. Die Künstlerin hat sich erst am 1. Oktober komplett selbstständig gemacht, allerdings ohne festes Büro. Nebenberuflich arbeitet sie aber schon seit 2007 in der digitalen Fotobranche. Ihre Vorbilder: Anton Corbijn und Jim Rakete.
In ihrer Mittelalter-Ausstellung wirft Junker einen „romantischen Blick auf eine harte Zeit“. Die Idee hat sie schon einmal im vergangenen Jahr in einem Buchprojekt ähnlich umgesetzt und nun ausgebaut.
Ein bisschen möchte die Oberleichtersbacherin mit ihrer Schau aber auch Werbung machen. Für den, wie sie sagt, „schönsten Beruf der ganzen Welt.“