Bad Kissingen
Der schnelle Fall eines Medienmächtigen
Das Stück "Öffentliches Eigentum" zeigt, wie schnell der Fehltritt eines bekannten Medienmannes durch die Medien publik gemacht werden kann.
Schon immer hat die Literatur, vor allem das Drama, sich der Extremsituationen des menschlichen Lebens angenommen. Und was wäre eine extremere Situation als der Sturz eines Mächtigen, Hauptthema der altehrwürdigen Tragödie? Vom am Ende entmachteten und blinden König Ödipus in der Antike bis zu Shakespeares König Lear, der hilflos durch die Ödnis irrt, bis zum gefeierten Feldherrn Othello, der durch die Intrige Jagos zum Mörder an seiner geliebten Frau wird. Der junge britische Bühnenautor Sam Peter Jackson weiß, wo heutzutage solche allbekannten, vom Volk verehrten Großen sitzen: in den Medien, und dort zu allererst im Fernsehen. Sein zu stürzender Großer ist der langjährige Nachrichtensprecher Geoffrey Hammond, der, verehrt von seinem Publikum und mit Preisen der Medienwelt überhäuft, glaubt, dass seine homosexuellen Neigungen neben seiner wohlanständigen Ehe ein zwischen ihm und seinem Pressesprecher Larry wohlgehütetes Geheimnis sind. Er vertraut Larry de Vries blind, was ihm wie Othello zum Verhängnis wird.
Sam Peter Jacksons Stück war in London ein Riesenerfolg, unter der Regie des Shakespeare-Spezialisten und früheren Hamburger Schauspielchefs Peter Bogdanov holte es Dieter Hallervorden in seiner Eigenschaft als Intendant des Berliner Schlossparktheaters zur Deutschlandpremiere an seine Bühne.
"Öffentliches Eigentum" ist ein Kammerspiel für drei Schauspieler, in dem es nicht nur um die im Moment sehr aktuelle Darstellung der enormen Fallhöhe eines Medienmächtigen geht, dessen Privatleben nach einem Fehltritt "öffentliches Eigentum" wird. (Fast täglich werden neue Fälle von Weinstein bis Wedel inklusive Demontage der der sexuellen Übergriffe Überführten publik.) Autor Jackson macht den Zuschauern den heiklen Inhalt von Hammonds Treffen mit einem 16-Jährigen in seinem Auto in kurzen Szenen klar, und blendet immer vor der expliziten Darstellung der sexuellen Handlungen aus. Er zeigt, wie der sonst so vorsichtige Geoffrey sich mit dem doch sehr jungen, in seiner Offenheit sympathischen Mann in seinem Auto auf Zärtlichkeiten einlässt, was von einer Gruppe von Paparazzi fotografiert wird. Sein Sex mit Jamie ist legal, sein Saubermann-Image allerdings in höchster Gefahr. Und an diesem Image setzt die Intrige an, deren Aufdeckung der Zuschauer immer einen Schritt eher als Geoffrey selbst im zweiten Teil des Stückes zu durchschauen lernt. Und erkennen kann, wie raffiniert Jackson die anfangs so klar und geradlinig erscheinende Geschichte konstruiert hat.
Es geht in diesem Gegenwartsdrama natürlich um die Macht der Medien und dem trug Regisseur Bogdanov auch durch Einsatz der technischen Mittel des Mediums Fernsehens Rechnung. Der Bildschirm im Hintergrund des Wohnzimmers von Larry de Vries, in das sich Geoffrey Hammond vorbei an den Horden von Reportern im Wartestand vor dem Haus gerettet hat, beherrscht die meisten der kurzen Szenen. Zum einen zeigt er die Vorbereitung der Verteidigungs- oder Entschuldigungsreden Geoffreys direkt für das Publikum, zu anderen macht er aber sehr eindrücklich klar, wie blitzschnell die Nachricht von Geoffreys Fehltritt in alle Haushalte gelangt ist, während er mit seinem PR-Mann Larry im Vordergrund noch Lösungsstrategien diskutiert. Ein sehr witziger Gag als Dreingabe war, dass Theaterchef Dieter Hallervorden und Hape Kerkerling die TV-Sprecher auf dem Bildschirm geben und als alte Nachrichtenprofis sichtbar genüsslich den Niedergang Hammonds angesichts der riesigen Schlagzeilen der Regenbogenpresse über seinen Skandal durchhecheln. Das macht dessen Bedrohtheit genauso sinnfällig wie die vor der Tür lauernden Reporter, deren Anwesenheit sich insgesamt durch etwas mehr Lautstärke hätte zeigen können.
Das Stück ist natürlich ein gefundenes Fressen für Vollblutschauspieler. Mit den aus dem Fernsehen als Ikonen in allen Köpfen präsenten Herren Rainer Hunold und Ulrich Gebauer waren der ebenso gutmütige und vorsichtige wie auch selbstbewusst-zielstrebige Nachrichtenstar Hammond und sein von vornherein etwas undurchsichtiger Mann für die Publicity Larry de Vries hervorragend besetzt. Sie konnten das Tauziehen zwischen den zwei siegesbewussten, weil mit allen Wassern gewaschenen Medienprofis zum Vergnügen der meisten Zuschauer mit viel Überzeugungskraft und sehr realistisch wirkendem Spiel rüberbringen. Das gute Timing der Spielszenen wurde lediglich durch die kurzen Vorhangpausen beeinträchtigt (auch bedingt durch die ins Auge springende Schäbigkeit des Kissinger Theatervorhangs vor der blanken Medienwelt - Blackouts wären da vielleicht weniger störend gewesen). Dass Homosexualität und (hier nur gespielte) Zärtlichkeiten zwischen Männern für manche Zeitgenossen noch immer ein Tabuthema zu sein scheinen, ließ sich durch einen Zwischenruf aus dem Publikum erahnen. Die Schauspieler hatten kein Problem damit. Und sie störten sich auch keineswegs am schnoddrigen Jargon der Fernsehleute, verwendeten genussvoll die durchaus authentisch klingenden Begriffe aus dem Sexual- und Kriminalbereich, die Medienvertreter im privaten Austausch genussvoll und mit nicht wenig Zynismus verwenden, um sich immer wieder zu beweisen, wie nahe sie an der Sprache "des Volkes" sind. Da hat Sam Peter Jackson seinen Fernsehkollegen sehr genau "aufs Maul geschaut", was manche Kissinger Zuschauer allerdings ein wenig fremdeln ließ. Und der Dritte im Bunde, Florian Appelius? Der war laut Facebook-Eintrag sehr stolz auf seine Premiere 2018 mit den beiden berühmten Kollegen in Berlin, ist allerdings trotz seiner Jugend kein unbeschriebenes Blatt, hat schon den Grimme-Preis bekommen wie auch an allen großen Wiener Bühnen einschließlich dem Burgtheater gespielt.
So konnte sich das Theaterringpublikum von drei wunderbaren Schauspielern in einem Gegenwartsstück mit großer Aktualität unterhalten und sich gleichzeitig zum Nachdenken über die Skrupellosigkeit der Medienwelt und die Gnadenlosigkeit ihres Publikums anregen lassen. Es dankte der Berliner Truppe mit kräftigem und langem Applaus.
Sam Peter Jacksons Stück war in London ein Riesenerfolg, unter der Regie des Shakespeare-Spezialisten und früheren Hamburger Schauspielchefs Peter Bogdanov holte es Dieter Hallervorden in seiner Eigenschaft als Intendant des Berliner Schlossparktheaters zur Deutschlandpremiere an seine Bühne.
"Öffentliches Eigentum" ist ein Kammerspiel für drei Schauspieler, in dem es nicht nur um die im Moment sehr aktuelle Darstellung der enormen Fallhöhe eines Medienmächtigen geht, dessen Privatleben nach einem Fehltritt "öffentliches Eigentum" wird. (Fast täglich werden neue Fälle von Weinstein bis Wedel inklusive Demontage der der sexuellen Übergriffe Überführten publik.) Autor Jackson macht den Zuschauern den heiklen Inhalt von Hammonds Treffen mit einem 16-Jährigen in seinem Auto in kurzen Szenen klar, und blendet immer vor der expliziten Darstellung der sexuellen Handlungen aus. Er zeigt, wie der sonst so vorsichtige Geoffrey sich mit dem doch sehr jungen, in seiner Offenheit sympathischen Mann in seinem Auto auf Zärtlichkeiten einlässt, was von einer Gruppe von Paparazzi fotografiert wird. Sein Sex mit Jamie ist legal, sein Saubermann-Image allerdings in höchster Gefahr. Und an diesem Image setzt die Intrige an, deren Aufdeckung der Zuschauer immer einen Schritt eher als Geoffrey selbst im zweiten Teil des Stückes zu durchschauen lernt. Und erkennen kann, wie raffiniert Jackson die anfangs so klar und geradlinig erscheinende Geschichte konstruiert hat.
Es geht in diesem Gegenwartsdrama natürlich um die Macht der Medien und dem trug Regisseur Bogdanov auch durch Einsatz der technischen Mittel des Mediums Fernsehens Rechnung. Der Bildschirm im Hintergrund des Wohnzimmers von Larry de Vries, in das sich Geoffrey Hammond vorbei an den Horden von Reportern im Wartestand vor dem Haus gerettet hat, beherrscht die meisten der kurzen Szenen. Zum einen zeigt er die Vorbereitung der Verteidigungs- oder Entschuldigungsreden Geoffreys direkt für das Publikum, zu anderen macht er aber sehr eindrücklich klar, wie blitzschnell die Nachricht von Geoffreys Fehltritt in alle Haushalte gelangt ist, während er mit seinem PR-Mann Larry im Vordergrund noch Lösungsstrategien diskutiert. Ein sehr witziger Gag als Dreingabe war, dass Theaterchef Dieter Hallervorden und Hape Kerkerling die TV-Sprecher auf dem Bildschirm geben und als alte Nachrichtenprofis sichtbar genüsslich den Niedergang Hammonds angesichts der riesigen Schlagzeilen der Regenbogenpresse über seinen Skandal durchhecheln. Das macht dessen Bedrohtheit genauso sinnfällig wie die vor der Tür lauernden Reporter, deren Anwesenheit sich insgesamt durch etwas mehr Lautstärke hätte zeigen können.
Das Stück ist natürlich ein gefundenes Fressen für Vollblutschauspieler. Mit den aus dem Fernsehen als Ikonen in allen Köpfen präsenten Herren Rainer Hunold und Ulrich Gebauer waren der ebenso gutmütige und vorsichtige wie auch selbstbewusst-zielstrebige Nachrichtenstar Hammond und sein von vornherein etwas undurchsichtiger Mann für die Publicity Larry de Vries hervorragend besetzt. Sie konnten das Tauziehen zwischen den zwei siegesbewussten, weil mit allen Wassern gewaschenen Medienprofis zum Vergnügen der meisten Zuschauer mit viel Überzeugungskraft und sehr realistisch wirkendem Spiel rüberbringen. Das gute Timing der Spielszenen wurde lediglich durch die kurzen Vorhangpausen beeinträchtigt (auch bedingt durch die ins Auge springende Schäbigkeit des Kissinger Theatervorhangs vor der blanken Medienwelt - Blackouts wären da vielleicht weniger störend gewesen). Dass Homosexualität und (hier nur gespielte) Zärtlichkeiten zwischen Männern für manche Zeitgenossen noch immer ein Tabuthema zu sein scheinen, ließ sich durch einen Zwischenruf aus dem Publikum erahnen. Die Schauspieler hatten kein Problem damit. Und sie störten sich auch keineswegs am schnoddrigen Jargon der Fernsehleute, verwendeten genussvoll die durchaus authentisch klingenden Begriffe aus dem Sexual- und Kriminalbereich, die Medienvertreter im privaten Austausch genussvoll und mit nicht wenig Zynismus verwenden, um sich immer wieder zu beweisen, wie nahe sie an der Sprache "des Volkes" sind. Da hat Sam Peter Jackson seinen Fernsehkollegen sehr genau "aufs Maul geschaut", was manche Kissinger Zuschauer allerdings ein wenig fremdeln ließ. Und der Dritte im Bunde, Florian Appelius? Der war laut Facebook-Eintrag sehr stolz auf seine Premiere 2018 mit den beiden berühmten Kollegen in Berlin, ist allerdings trotz seiner Jugend kein unbeschriebenes Blatt, hat schon den Grimme-Preis bekommen wie auch an allen großen Wiener Bühnen einschließlich dem Burgtheater gespielt.
So konnte sich das Theaterringpublikum von drei wunderbaren Schauspielern in einem Gegenwartsstück mit großer Aktualität unterhalten und sich gleichzeitig zum Nachdenken über die Skrupellosigkeit der Medienwelt und die Gnadenlosigkeit ihres Publikums anregen lassen. Es dankte der Berliner Truppe mit kräftigem und langem Applaus.
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