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LKR. BAD KISSINGEN/SCHWEINFURT
Der psychiatrischen Klinik entgangen
Wolfgang Dünnebier
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:39 Uhr

Drei von ursprünglich 17 Monaten Gefängnis erspart sich ein 59-Jähriger, der vergangenes Jahr vom Amtsgericht Bad Kissingen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und andere vorausgegangene Straftaten verurteilt worden war.

Dem Angeklagten war auf seinem bisweilen stark vermüllten Grundstück mehrfach die Tierhaltung verwehrt worden war. Bei einer Kontrolle nach einem Verstoß 2015 streckte er drei Beamten der Polizeiinspektion Bad Kissingen und dem Amtsveterinär eine Schreckschusspistole entgegen. Einer der Polizisten, die davon ausgehen mussten, dass es sich um eine scharfe Waffe handelt, gab daraufhin drein Warnschüsse ab.

Als der Mann die Waffe niederlegte, zog er einen Flaschenöffner aus der Hosentasche. Möglicherweise hatte er den Öffner mit einem ebenfalls einsteckenden Cuttermesser verwechselt. Damit hätte er den offiziellen Besuchern auf seinem Grundstück Schaden zufügen können. Erforderlich wurde die neue Verhandlung jetzt vor der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt, weil der Anwalt des Verurteilten beim Bundesgerichtshof erfolgreich Revision eingelegt hatte. Er war nicht damit einverstanden, dass die Richterin in der Kurstadt zusätzlich zum Widerstand Nötigung strafverschärfend geltend machte. Seine Begründung: Nötigung sei schon im Widerstand enthalten.

Länger als das Amtsgericht 2016 beschäftigte sich das Landgericht nun mit der Frage, ob der Angeklagte in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden soll. Noch einmal rollte das Gericht zur Klärung der Schuldfähigkeit das Vorleben des von Alkoholmissbrauch gezeichneten Frührentners auf.

Er war schon öfters durch Beleidigung und Bedrohung von Nachbarn aufgefallen und hatte sich bereits 2012 gegen den Besuch des Amtsveterinärs gewehrt. 14 unterschiedliche, teils einschlägige Einträge verzeichnet das Bundeszentralregister. Fünf mal hat es zwischen 2003 und 2015 an seinem Haus gebrannt.

Der Verteidiger und die Bewährungshelferin konstatierten dem Mann eine gewisse Läuterung in den vergangenen beiden Jahren. Bei der ersten Gerichtsverhandlung zu dem Widerstand war er durch seine Ungepflegtheit aufgefallen. Aus dem gleichen Grund hatte er auch die 100 Arbeitsstunden in einem Altenheim nicht antreten können, zu denen er in einer anderen Sache verurteilt worden war.

„Eigentlich bräuchte er einen Betreuer“, sagte die Bewährungshelferin. Doch dagegen hatte er sich immer gewehrt, obwohl es ihm kaum gelingt, in seinen Papieren Ordnung zu halten. 30 000 Euro von der Versicherung zur Regulierung eines Brandschadens waren auf ominöse Weise von dem Grundstück verschwunden.

Leben in der eigenen Welt

Der eingesetzte Gutachter bescheinigte dem Mann als Folge seines Alkoholkonsums eine gestörte Impulskontrolle. Es fehle ihm an Planungsfähigkeit, er lebe in seiner Welt und er fühlte sich rund um Haus und Hof immer gleich angegriffen. Weitergehende Reaktionen könne man nicht ausschließen.

Eine Gefährdung der Allgemeinheit sei denkbar, folgerte der Staatsanwalt. „Mit allen Menschen hat er Probleme“, machte er geltend. Letztlich habe sich der Mann immer durch äußere Faktoren zurückhalten lassen, wie das letztlich klare Kommando von den auftretenden Polizisten. Auch wegen der ungünstigen Sozialprognose plädierte der Staatsanwalt dafür, die ursprüngliche Freiheitsstrafe beizubehalten.

Die Richtern dagegen sieht gewisse Anzeichen der Besserung. zumal der Angeklagte versichert, seinen Alkoholkonsum reduziert zu haben. Für erneutes Auftreten von Tieren auf seinem Grundstück sei er nicht verantwortlich, meinte der Angeklagte auf entsprechende Vorhaltungen. Er könne nichts dafür, wenn Katzen darüber laufen. Im übrigen handele es sich um Wildtiere, wie Igel.

Schließlich verhängte die Richter unter dem Aspekt verminderter Schuldfähigkeit 14 Monate Gefängnis. Eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus lehnte sie ab. „Das ist eine der einschneidensten Rechtsfolgen und kann sehr lange dauern“. Sie dürfe nicht bei beliebigen Straftaten verhängt werden.

Die mögliche Begehung erheblicher rechtswidriger Taten erwartet die Richterin im Gegensatz zu dem Gutachter nicht. Der Angeklagte habe die zur Ahndung anstehenden Taten begangen, wenn er sich um Haus und Hof beeinträchtigt gefühlt habe. „Das gewählte Strafmaß drückt aus, dass wir das nicht auf die leichte Schulter nehmen“, führte die Richterin an. Die Schwelle zur Unterbringung sieht sie aber nicht überschritten, zumal es bei keinem der bisherigen Stadttaten eine erhebliche Gefährdung oder seelische und körperliche Beeinträchtigung der jeweils Beteiligten gegeben habe.

Allerdings müsse sich der Angeklagte bewusst darüber sein, dass bei weiteren Vorkommnissen eine Unterbringung im Raum steht. „Und dann reden wir von mehreren Jahren“, mahnte sie.

 
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