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BAD KISSINGEN
Der Poker um Glück und Geschick
Die Poker-Karten werden neu gemischt: Ein Gerichtsurteil aus Köln könnte auch Auswirkungen auf die Spielbank Kissingen haben.
Foto: Roland Pleier | Die Poker-Karten werden neu gemischt: Ein Gerichtsurteil aus Köln könnte auch Auswirkungen auf die Spielbank Kissingen haben.
Von unserem Redaktionsmitglied Roland Pleier
 |  aktualisiert: 28.09.2012 12:03 Uhr

In der Kissinger Spielbank ist die Poker-Welt noch in Ordnung. „Letztendlich“, so fasst sich Direktor Otmar Lutz kurz, „gehen die Betreiber von Spielbanken davon aus, dass Poker ein Glücksspiel ist. Und weil's ein Glücksspiel ist, gehört es ins Casino.“ Gerade läuft eine Werbeaktion für neue Turniere an: Omaha-Poker und Texas Hold'em Rebuy-Turnier sind im Oktober angesagt. Die Gewinner werden ihr Preisgeld einstecken und steuerfrei nach Hause tragen. Ob dies so bleibt, ist jedoch fraglich. Denn ein anstehender Prozess sorgt für Wallung in der deutschen Pokerszene.

Pressemeldungen zufolge sollen Hunderte von Spielern Post vom Finanzamt bekommen haben. Sie sollen ihre Gewinne versteuern. Einer der Betroffenen allerdings wehrt sich: der ehemalige Lufthansa-Pilot Eddy Scharf aus Köln, einer der prominentesten deutschen Pokerspieler, der auch schon Poker-Sendungen im Sportkanal sport1 kommentiert hat.

Legal zocken

Scharf geht bei internationalen Wettbewerben an den Start. In Bad Kissingen saß er höchst wahrscheinlich noch nicht am grünen Tisch. Zumal Pokern hier – nach einer Episode vor gut zehn Jahren – erst wieder seit 2010 angeboten wird. Die Fantasie vom Schnellen-Geld-Machen, der Rummel von Fernseh-Übertragungen und die Inszenierung als strategisches Geschicklichkeitsspiel haben Poker populär gemacht. Doch weil die Rechtsprechung es als Glücksspiel einordnet, darf nur in staatlichen Casinos legal gezockt werden.

Ist es nun Glück oder Geschick, das man beim Pokern braucht? Das ist eine der zentralen Fragen in der aktuellen Auseinandersetzung zwischen. Denn allgemein gängig ist die Auffassung: „Gewinne aus Glücksspielen sind in Deutschland generell steuerfrei“, wie etwa auch Spiegel-Online schreibt. „Das ist ein Gschmarr“, hält der ehemalige Finanzbeamte Lutz dem auf gut Fränkisch entgegen. Richtig sei nur, dass Glücksspiel nicht unter eine der sieben Einkunftsarten falle, die im Steuergesetz genannt sind.

Genau das ist der Knackpunkt. Denn das Finanzamt Köln geht davon aus, dass Eddy Scharf und seine (semi-)professionellen Kollegen mit dem Kartenspiel eine gewerbliche Tätigkeit ausüben. Und diese wäre zu versteuern.

Nun hat Eddy Scharf, als Pilot mittlerweile im Ruhestand, laut Wikipedia bisher 1,3 Millionen Dollar an Preisgeldern eingespielt. Das wird das Häuflein Pokerspieler in Bad Kissingen nie zustande bringen. „Die Turniere hier sind sehr niedrig angesiedelt“, verdeutlicht Lutz.

Mit 100 Euro Einsatz ist man bei einem Turnier dabei. Nach etwa zwei Stunden Spiel streicht der Sieger den Löwenanteil des gesamten Einsatzes ein. An die Platzierten gehen kleinere Summen, einen kleinen Anteil behält die Spielbank ein.

So ein bis zwei Dutzend sind es, die an Wochenenden in die hiesige Spielbank kommen, viele von ihnen regelmäßig. „Das sind schon besondere Gäste“, beschreibt Lutz sie, „aber sehr angenehme. Sie tragen zur Belebung des Spielsaales bei.“

Bei Cash-Games wird mit zwei oder vier Euro gesetzt. „Da kommen keine riesigen Gewinne heraus“, betont der Spielbank-Direktor. In der Regel gehe ein Gewinner mit ein paar hundert Euro aus dem Saal, maximal mit einer vierstelligen Summe. „Ganz große Gewinne oder Verluste kann man nicht machen – das ist schon noch überschaubar.“

Die meisten verlieren

Glaubt man dem Anwalt von Eddy Scharf, gehen ohnedies 95 Prozent der Pokerspieler mit weniger Geld aus dem Casino heraus als sie mit hineingenommen haben. Wobei Scharf ja argumentiert: Wenn Pokern denn als Gewerbe eingestuft wird und Steuern auf Gewinne erhoben werden, dann müssten auch Verluste absetzbar sein.

In der Kissinger Praxis ist das alles bislang noch nicht relevant: Noch nie habe ein Pokerspieler eine Quittung verlangt über seinen Gewinn, um ihn ordentlich vor einem Finanzamt auszuweisen, erklärt Lutz. Umgekehrt hat auch das hiesige Finanzamt bisher keinerlei Anstalten gemacht, systematisch Steuern von Poker-Spielern eintreiben zu wollen, wie dessen Leiter Franz-Josef Weingart versichert.

Grundsätzlich teilt Weingart die Einschätzung seiner Kölner Kollegen: Wer sein Geld durch regelmäßiges Pokern verdient, müsste veranlagt werden. „Doch wo zieht man da die Grenze?“, sagt er. „Das ist eine kritische Frage.“

Die Grenzziehung zwischen Glück und Geschick wird auch in Fachkreisen heftig diskutiert. Strategie und Pokerface machen maximal 25 Prozent am Erfolg aus, sagt einer aus der Szene auf einer Poker-Plattform. Manche Pokervarianten würden selbst von eingefleischten Profis als reines Glücksspiel betrachtet, sagt Scharf.

In einem Interview mit suedkurier.tv holt er weiter aus: „Kurzfristig ist sehr viel Glück dabei, langfristig ist gar kein Glück dabei“, erläutert er. „Das Problem ist, dass die Leute das Kurzfristige verwechseln. Sie denken, kurzfristig ist nur eine Stunde oder vielleicht ein Tag – das kann schon etwas länger dauern.“

Mit großer Wahrscheinlichkeit werde der bessere Spieler gewinnen, sagt er weiter, und je länger dieser Zeitraum ist, „desto sicherer ist es auch“. Eine Steilvorlage fürs Finanzamt Köln. Sollte es bei dem Prozess mit dieser Argumentation Erfolg haben, so könnte das gravierende Folgen haben: Pokerspieler im Nebenberuf könnten auch ihre Ausgaben und Verluste steuermildernd geltend machen.

Poker auch im Internet?

Darüber hinaus stünden dann die Chancen gut, dass auch außerhalb von Casinos legal gepokert werden darf – auch im Internet. Das Ende von Poker-Wochenenden in der Bad Kissinger Spielbank wäre abzusehen. Doch Lutz juckt das kaum. Der Anteil von Poker am Bruttospielertrag, so der Spielbank-Direktor, sei hier ohnedies nur „sehr, sehr gering“.

 
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  • rudelq
    das wenn man sein Geldbeutel verliert als verlust abschreiben kann und der es findet als Gewinn am Finanzamt angeben muss zwinkern
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