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REITERSWIESEN
Der Minnesänger von Ritanswisen
Erhard Scholl
 |  aktualisiert: 19.09.2016 03:31 Uhr

Adlig zu sein, bedeutete im Mittelalter nicht automatisch ein Leben im Reichtum. Viele Ritter und auch mancher Graf konnten aus ihren Lehen kaum genug aufbringen, um ihren eigenen Verpflichtungen nachzukommen. Otto von Botenlauben hatte das Glück, in eine der mächtigeren Adelsfamilien geboren zu werden. Er kam als dritter Sohn von Poppo VI. von Henneberg und Sophie von Istrien, aus dem Haus Andechs-Meranien, zur Welt.

Die Henneberger waren zu Ottos Zeiten das dominierende Adelsgeschlecht im Nordosten Frankens und im Süden Thüringens – das nach ihnen auch als Henneberg-Franken bezeichnet wird. Aus der Familie mit dem Stammsitz auf der namensgebenden Henneburg, stammten mehrere der Würzburger Bischöfe und auch das Würzburger Burggrafenamt hatten sie für 300 Jahre, etwa von 1050 bis 1350, inne.

Neben diesem ausgedehnten Herrschaftsgebiet im Fränkischen hatte das Henneberger Adelsgeschlecht auch innerhalb des Reiches ansehnlichen Status, was sich beispielsweise an der Ehe von Ottos Tante mit dem Halbbruder von Kaiser Barbarossa, Konrad von Staufen, zeigt. Eine weitere Vermählung in königliche Verwandtschaft war weniger rühmlich: Ein Neffe Ottos von Botenlauben heiratete die Schwester Wilhelms von Holland – des Gegenkönigs zu Friedrich II.

Noch bedeutender als die väterliche Verwandtschaft war die mütterliche Linie: Andechs-Meranien. Diese Adelsfamilie befand sich zu Lebzeiten Ottos auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Aus dem heutigen Oberbayern stammend, konnten sich die Andechser durch geschickte Heiratspolitik und die Nähe zu den Staufern, weit darüber hinaus ausbreiten. In Unter- und Oberfranken gelangten sie, meist durch Heirat oder Erbe, an Besitztümer zwischen Schweinfurt, Bamberg und Coburg. Großvater und Vater von Ottos Mutter Sophie waren nahezu ständige Begleiter Barbarossas auf dessen Italienzügen. Belohnt wurden sie mit der Markgrafschaft Istrien, Besitzungen in Tirol, darunter die wichtige Passstraße über den Brenner und schließlich mit einem Herzogstitel.

Damit waren Ehen in den höchsten Adelskreisen möglich: Sowohl König Philipp II. von Frankreich wie auch Andreas II., König von Ungarn, heirateten Nichten Sophies.

Nicht nur im Weltlichen lieferten die Andechser Stoff für Geschichtsbücher. Otto von Botenlauben war Zeitgenosse von zwei Frauen seiner Familie, die heilig gesprochen wurden: die heilige Hedwig und die heute noch bekannte heilige Elisabeth von Thüringen, die zu Ottos Lebzeiten heilig gesprochen wurde.

Sowohl von väterlicher wie mütterlicher Seite war Otto von Botenlauben also mit dem deutschen und sogar dem europäischen Hochadel verbunden und gehörte als Henneberger zu den in Franken vorherrschenden Familien. Deshalb ist es fast verwunderlich, dass seine Person geschichtlich wenig Beachtung fand, bis Kissingen den Minnesänger, Kreuzfahrer und Klostergründer in den 1990er Jahren ans Licht holte.

Weniger wegen seiner Herkunft oder seiner Beteiligung am Kreuzzug kam Otto zu mehr Bekanntheit in der Neuzeit, sondern durch die Rezeption seiner Minnelieder während der Romantik am Beginn des 19. Jahrhunderts. Seine Kunst wurde bereits von seinen Zeitgenossen geschätzt wie Rückgriffe späterer Minnesänger zeigen.

Während des 12. und 13. Jahrhunderts war der fränkisch-thüringische Raum das Herz der deutschen Minnekunst. Hier fand nicht nur der angebliche Sängerwettstreit auf der Wartburg statt, viele der bekanntesten Minnesänger lassen sich auch in diese Region verorten. Weniger bekannt als Walther von der Vogelweide oder Wolfram von Eschenbach, gehörte Otto von Botenlauben doch zu den bedeutenderen Minnesängern des Hochmittelalters.

Sicherlich ein Grund für die geringere Bekanntheit ist die Anzahl an erhaltenen Werken. Nur 14 Lieder und Gedichte sind von ihm erhalten. Quellen für die Minnewerke Ottos sind die drei der berühmtesten Liederhandschriften des Mittelalters: die Weingartner Liederhandschrift, die Benediktbeurer Handschrift und der Codex Manesse.

Der Codex Manesse bietet übrigens noch einen Anhaltspunkt für die Bedeutung Ottos im Reich. Der Codex ordnet die Autoren nach sozialem Stand und beginnt demnach mit den Werken Kaiser Heinrich VI. In dieser Reihe steht Otto von Botenlauben an 14., Walther von der Vogelweide erst an 45. Stelle.

 
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