Fünf Jahrzehnte Landkreis Bad Kissingen müssen gefeiert werden. Im Kloster Altstadt versammelte sich denn auch am 1. Juli eine illustre Gästeschar, darunter die Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD), Innenstaatssekretär Sandro Kirchen (CSU) und Johann Keller, ehemals geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Landkreistags.
Aber auch zahlreiche ehemalige und jetzige Mitglieder des Kreistags waren natürlich dabei sowie Vertreter von Behörden. Sogar Männer der ersten Stunde der Gebietsreform waren der Einladung des Kreises gefolgt, wie zum Beispiel Josef Bindrum (Hammelburg), Hans Petsch und Edgar Dömling (beide Münnerstadt).
Aus 118 Gemeinden wurden dann 26 Kommunen
Nach einer ökumenischen Andacht mit Monika Hufnagel (Elfershausen) und Pfarrer Robert Augustin (Hammelburg) beleuchtete Landrat Thomas Bold die Ereignisse, aus denen am 1. Juli 1972 der Landkreis in seiner heutigen Form entstand. Er hatte etliche Beispiele parat, die zeigten, dass die seit 50 Jahren praktizierte Einheit positive Ergebnisse zeitigt.
Seinerzeit ging es, laut Bold, nicht nur darum, bayernweit Verwaltungseinheiten zu vergrößern und leistungsfähige Kreise und Kommunen zu schaffen, sondern auch darum, die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum zu verbessern. Aus ehemals 118 selbstständigen Gemeinden entstanden 26 Kommunen.
In den meisten Fällen liefen die Eingemeindungen reibungslos ab, sagte Bold, aber es gab auch erbitterten Widerstand, zum Beispiel in Premich und Stangenroth. Heute seien diese Wunden glücklicherweise verheilt, der Landkreis sei zu einer "starken Einheit" gewachsen.
In zahlreichen Bereichen habe der Kreis sich nach vorn entwickelt, zum Beispiel was Schulen und Bildung, Gesundheit und Soziales, Tourismus und Ökologie oder auch die wirtschaftliche Entwicklung angeht, sagte Bold.
Projekte, die der Landkreis erfolgreich stemmte
Mit der Gebietsreform hat der Kreis beispielsweise die weiterführenden Schulen übernommen, die Bildungslandschaft neu strukturiert und modernisiert, ging Bold auf einen Themenkreis ein und nannte die Sanierungs- und Baumaßnahmen an Gymnasien und Realschulen sowie der Berufsschule, aber auch das anstehende Großprojekt Schulzentrum Hammelburg.
Ein weiteres Beispiel: Nach Bolds Ausführungen hat sich der Landkreis Innerhalb der letzten Jahrzehnte zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort entwickelt. Ob im Baugewerbe, im Bereich Labordiagnostik und natürlich im Sektor Gesundheit – dort und in vielen anderen Sektoren gebe es heute erfolgreiche Unternehmen, die weltweit agieren, so Bold weiter.
Man habe die Kommunen seinerzeit stärken und voranbringen wollen, sagte CSU-Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (Premich) in seiner Rede. Damals wurden in Bayern aus 143 Kreisen schließlich 71 und von ursprünglich 48 kreisfreien Städten blieben letztlich noch 25 übrig. Ministerpräsident Alfons Goppel habe 1971 eine "zukunftsweisende Entscheidung" getroffen.
Bayern war, laut Kirchner, eines der letzten Bundesländer, die in ihrer Struktur reformiert wurden. Wenn er jetzt durch seine Heimat fahre, stelle er fest, dass diese Umstrukturierung gelungen ist, sagte Kirchner. "Der Landkreis Bad Kissingen ist heute so leistungsfähig wie noch nie zuvor in seiner Geschichte."
Was diesen Landkreis charakterisiert? Er habe eine interessante gewerbliche und industrielle Entwicklung aufzuweisen, sagte Kirchner und hob auch den Fremdenverkehr hervor, mit dem der Kreis punkten könne, vor allem auch in den drei Staatsbädern Bad Kissingen, Bad Brückenau und Bad Bocklet. Aber auch die "solide mittelständische Wirtschaft" sowie eine gut funktionierende Landwirtschaft sei für den Landkreis typisch.
Musikalisch umrahmt wurden die Redebeiträge beim Festakt am Freitag von drei Damen und einem Mann mit besonderen musikalischen Fähigkeiten: den Rhöner Saxophönern.
Landratsamt hat ein System von Spezialisten
Festredner war Johann Keller, der im Namen des Bayerischen Landkreistags (München) sprach. Die Kreisreform ist, wie sich zeigte, ein Erfolg, sagte Keller. Denn die Herausforderungen an Kommunen seien rasant gestiegen. Es sei von Vorteil, dass die Kommunen sich mit Fragen ans Landratsamt wenden können.
In dieser Behörde gebe es inzwischen ein System von Spezialisten, die sich mit gesetzlichen Bestimmungen des Landes oder der EU bestens auskennen. Zum Glück, denn die Masse der Verordnungen und Gesetze wird, nach Kellers Ansicht, immer unüberschaubarer.
Es habe sich eine Menge Bürokratie aufgebaut, "der Abbau scheitert". Denn es kämen auch immer neue Bereiche hinzu, wie beispielsweise die Digitalisierung, die wiederum Spezialisten erfordere. Die Landkreise haben so ein "enormes Leistungsspektrum" zu bewältigen, sagte Keller und nannte als Beispiel die Kinder- und Jugendhilfe.
"Doch wohin führt das?", sagte er kritisch und fügte hinzu: "Was wollen, was können wir künftig alles leisten?" Keller stellte in Frage, ob all diese Standards notwendig sind und gab eine Beispiel: Muss die Rufbereitschaft des Jugendamts rund um die Uhr da sein, bloß damit man reagieren kann, wenn irgendwo ein Jugendlicher etwas ausgefressen hat? Könne man da nicht einfach darauf vertrauen, dass die Polizei ihre Aufgabe gut macht? Das Jugendamt müsse Jugendliche unterstützen, aber im rechten Maß, plädierte er.
Und dann kam die Überraschung im Speisesaal
Denn die Bürokratie habe auch ihren Preis. Sein Appell: "Werden wir doch alle bescheidener, dann kann man auch Standards herunterschrauben.“
Nach dem Festakt versammelten sich alle im Speisesaal der Musikakademie, um etwas zu essen und zwanglos zu plaudern. Viele freuten sich, nach längerer Zeit wieder einmal zusammenzukommen. Und es gab noch eine Überraschung: Klaus-Peter Borst (Sandberg) war beauftragt worden, eine große Torte in Schollenform, dem Emblem der Standortkampagne, nachzubilden. Natürlich durfte jeder davon kosten.