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Obererthal
Burnout mit 23 Jahren: Die aufwühlende Lebensgeschichte von Marcus Beran
Corona bedeutet für viele die größte Herausforderung ihres Lebens. Marcus Beran möchte mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit. Der Unterfranke hatte mit gerade mal 23 Jahren schon viel erreicht - und doch alles verloren.
Marcus Beran hat in seiner noch jungen Laufbahn bereits viele Trophäen und Auszeichnungen errungen. Trotzdem war es nicht immer einfach. Er hat uns erzählt, wohin es führen kann, wenn man sich übernimmt.       -  Marcus Beran hat in seiner noch jungen Laufbahn bereits viele Trophäen und Auszeichnungen errungen. Trotzdem war es nicht immer einfach. Er hat uns erzählt, wohin es führen kann, wenn man sich übernimmt.
| Marcus Beran hat in seiner noch jungen Laufbahn bereits viele Trophäen und Auszeichnungen errungen. Trotzdem war es nicht immer einfach. Er hat uns erzählt, wohin es führen kann, wenn man sich übernimmt.
Bianca Volkert
 |  aktualisiert: 09.02.2024 05:57 Uhr

"Mit 23 Jahren hatte ich viel erreicht und doch alles verloren", sagt Marcus Beran heute. Er hat uns erzählt, wie es ihm ergangen ist und wie kurz der Weg vom Ruhm und Erfolg zum Burnout ist.

Frage: Herr Beran, viele kennen Sie vom Stadtstrand, aber nur wenige kennen Ihre Lebensgeschichte?

Marcus Beran: 1991 wurde ich in Hammelburg geboren, wohnte dort sechs Jahre bis wir nach Obererthal zogen. Bereits während der Schulzeit war mir klar, was meine berufliche Zukunft sein wird: Ich wollte auf jeden Fall mit Lebensmitteln arbeiten.

Hatten Sie da schon einen konkreten Berufswunsch?

Beran: Eigentlich Koch, doch dafür war ich noch zu jung und ließ mich, quasi als Notlösung, zum Fleischer ausbilden. Die Notlösung, meine Ausbildung von 2006 bis 2009 in der Landmetzgerei Kleinhenz in Unterleichtersbach zum Fleischer, erwies sich als absoluter Glücksfall!

Was meinen Sie mit Glücksfall?

Beran: Der Beruf machte mir Spaß und durch die sehr gute Ausbildung entwickelte ich mich zum Perfektionisten. Viele Wettbewerbe bestritt ich erfolgreich. Im Rahmen eines Schüleraustauschs durfte ich 2007 in einem französischen Fleischerbetrieb Kenntnisse sammeln. Es folgten 2007 der 2. Platz beim Lehrlingswettbewerb des Fleischerhandwerks in Würzburg, 2008 die Goldmedaille beim Berufschulwettbewerb in Stuttgart, 2009 der 3. Platz beim Lehrlingswettbewerb in Würzburg, die Innungsbeste Gesellenprüfung und der 1. Platz beim Kreiswettbewerb in Würzburg, der 1. Platz bei der Bayerischen Meisterschaft in Augsburg und ich durfte als Vertreter Bayerns zur Deutschen Meisterschaft der Fleischerjugend, wo ich während des gesamten Wettbewerbs vom Bayerischen Fernsehen begleitet wurde. Überglücklich und stolz ging ich auch da als Gewinner hervor.

Was trieb Sie an und woher kam der Ehrgeiz? Wollten Sie das wirklich alles selber?

Beran: Ja, das alles wollte ich schon selber. Zumal die Erwartungen anderer mich beeinflussten. Man war stolz auf mich und forderte mein Talent. Ich wollte doch niemanden enttäuschen und stellte hohe Anforderungen an mich selbst. Als Bundessieger erhielt ich von der Regierung sogar ein Koch-Stipendium, welches ich 2009 zur Ausbildung im Dorint Resort & Spa Bad Brückenau verwendete. Bei verkürzter Lehrzeit kochte ich mich schon im Juli 2011 zum "Commi de cuisine". Mein Einstieg in den Burnout !

Einstieg in den Burnout , wie ist das zu verstehen?

Beran: Nach der Kochlehre legte ich mein komplettes Privatleben lahm. Beruflich wollte ich gleichzeitig kochen und mein Fleischerhandwerk ausüben. So eine Anstellung fand ich nicht, also gründete ich 2011 meinen Ein-Mann Betrieb "cenaticus" und vermietete mich als Caterer und Mietkoch. Größte Unterstützer für den Einstieg waren meine beiden Ausbilder , die mich oft buchten. Die Anfragen für Catering häuften sich und eine Küche zur Produktion der Speisen musste her. Im Dezember 2012 übernahm ich im ADAC-Fahrsicherheitszentrum das Restaurant "S-Kurve". Mein Betrieb wuchs rasch auf 20 Mitarbeiter und Aushilfen. 2014 eröffnete ich zusätzlich das Speiselokal zum "Schwarzen Bock" in Hassloch bei Wertheim und bereitete mit meinem inzwischen 40-köpfigen Team Catering für Privatpersonen und Firmen wie Mercedes Benz, Porsche , ZF, Kurtz Ersa GmbH, Concorde und den Weinbauverein Hammelburg. Nebenbei absolvierte ich meinen Fleischermeister an der Fleischerakademie in Augsburg.

Burnout mit 23 Jahren? Hätten Sie nicht vorher die Notbremse ziehen können?

Beran: Die Grenze zwischen normalen alltäglichen Belastungen und dem Burnout verlaufen fließend. Auslöser meines Zusammenbruchs war der 14. Oktober. 2014 am Grab meines Großvaters. Als sein Sarg hinabgelassen wurde, passierte etwas in mir. Auf dem Nachhauseweg spürte ich schon meine Beine nicht mehr. Meine gesundheitliche Verfassung war katastrophal, körperlich und seelisch total am Ende. Die emotionale Erschöpfung wurde so übermächtig, dass ich alle Aktivitäten sofort einstellten musste. Insolvenz oder Schließung, was passiert mit dem Personal? Nachtschlaf war angesichts der vielen Probleme nicht mehr möglich. In so einer Nacht beschloss ich, mein Leben zu beenden. Kurz vor dem erlösenden Sprung dachte ich an meine Freundin, die zu Hause nichtsahnend schlief. Nur die Liebe zu ihr hielt mich ab. Deren Familie nahm mich auf und kümmerte sich sehr um mich. Ich begab mich in ärztliche Behandlung und bekam die Diagnose: depressiver Burnout . Mit 23 Jahren hatte ich viel erreicht und doch alles verloren.

Burnout ist immer noch ein Tabu-Thema, über das man nicht spricht. Warum jetzt?

Beran: Die Dunkelziffer Betroffener ist sehr groß. Ich möchte Mut machen, an die Öffentlichkeit zu gehen und darüber zu sprechen. Überwindet die Scheu zu reden, ob Nachbar oder ein Fremder, egal wer, jeder der zuhört, ist hilfreich! Lasst es nicht so weit kommen, bis der Selbstmord als einzige Lösung erscheint. Dank ärztlicher Hilfe, acht Wochen Schlaf und Ruhe, nahm ich mich langsam wieder selber wahr und verstand was in mir passierte. Mehr als sechs Monate stationäre Behandlung und weitere 2,5 Jahre ambulante Verhaltenstherapie brauchte ich, um zurück ins Leben zu finden. Medikamente stellten mich ruhig und ließen mich nachts schlafen. Nach knapp drei Jahren wurden die Medikamente reduziert und abgesetzt. Zweimal wurde ich rückfällig aus Angst den Alltag ohne Medikamente nicht zu bewältigen.

Merkt man, wann es Zeit ist wieder durchzustarten und schafft man das ohne Hilfe?

Beran: Nein, ohne die Unterstützung vieler Menschen hätte ich das nie geschafft. Etliche unterstützen mich tatkräftig und machen mir sowohl persönlich als auch beruflich neuen Mut ! Meine Ausbilder Herr Kleinhenz, und Thomas König , Koch des Dorint Resort & Spa Bad Brückenau, waren mir sehr gute Lehrmeister, auch menschlich. Auch der Familie meiner damaligen Freundin habe ich viel zu verdanken. Wundervolle Erfahrungen mit wirklich tollen Menschen.

Aus dem Burnout raus und dann folgte Corona. Wie geht es Ihnen heute?

Beran: Corona ist für mich eine Belastung, die weit über alles bisher Erlebte geht. Seit April bin ich schuldenfrei und bewarb mich für den Stadtstrand in Hammelburg. Wir kratzten alles Ersparte zusammen, Equipment war glücklicherweise vorhanden. Nach drei Wochen mit 16 Stunden Arbeit in der größten Hitze dazu die Schreibtischarbeit, kam ich erneut an meine Belastungsgrenze und engagierte einen Koch. Ich habe gelernt, mit Situationen, die ich nicht beeinflussen kann, umzugehen und Verantwortung abzugeben.

Besteht bei Ihnen die Angst, wieder in den Burnout zu fallen?

Beran: Die Gefahr besteht immer, doch ich weiß, wo ich Hilfe bekommen würde. Corona machte alle Hoffnung, nach dem Stadtstrand direkt am Marktplatz weiterzumachen, zunichte. Finanziell natürlich ein Desaster. Glücklicherweise bin ich sehr vielseitig aufgestellt. Im Herbst 2015 absolvierte ich eine Zusatzausbildung zum Diätkoch und erlernte dabei medizinisches Hintergrundwissen für viele Erkrankungen. Aktuell gehe ich mit online Kochkursen über meine Ernährungsschule neue Wege. So konnte ich 35 Teilnehmer zum 2,5-stündigen Kurs über Glutenfreies Backen und Kochen gewinnen. Ich stelle individuelle Koch-Pakete für Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten zusammen, die nach meinem Kochbuch "Fun Stuff" ihr Essen zubereiten. Zur Zeit absolvieren zwei Diätassistentinnen-Schülerinnen ihr sechswöchiges Praktikum bei mir.

Doppeltes Glück und zugleich große Herausforderung sind unsere eineiigen Zwillinge. Die Jungs feiern am 19. Dezember ihren 1. Geburtstag und inzwischen kann ich sie sogar auseinander halten. Diese Verantwortung stärkt mich. Kraft geben mir meine Frau, meine Mutter, die uns stets zur Seite steht und wirklich gute Freunde. Gemeinsam werden wir die schwierige Corona-Situation überstehen.

Kontakt

Markus Beran wohnt mit seiner Familie in Obererthal , der zugleich auch Betriebssitz ist. Produziert wird in einer voll ausgestatteten Profiküche, in der auch die Online-Kurse stattfinden. Weitere Informationen und Anfragen unter www.marcus-beran.de

Beran erhielt für sein Können viele Auszeichnungen. Eine Nische stellen seine individuellen Pakete für Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten inklusive Kochbuch dar.

Hinweis der Redaktion: Wir berichten für gewöhnlich nicht über Selbstmorde. Eine Ausnahme bilden Fälle von großem öffentlichen Interesse. Bei der Telefonseelsorge erreichen Sie unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 Hilfe in schwierigen, möglicherweise ausweglos erscheinenden Situationen. Unter www.frnd.de ("Freunde fürs Leben") finden Sie zudem weitere Informationen und Hilfsangebote.

 
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