
Rainer Ziegler war das Gesicht des Kontaktpunktes in Bad Kissingen. Mit seinem Eintritt in den Ruhestand, Ende des Monats, wird es den Kontaktpunkt nicht mehr geben.
„Die Diözese verabschiedet sich von einer niederschwelligen Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu kommen“, kritisiert Ziegler die Entscheidung, die seiner Ansicht nach aus rein finanziellen Gründen getroffen wurde.
Gespräche im Gemeindehaus
Der Niedergang des Kontaktpunktes begann allerdings schon im Herbst vorigen Jahres, mit der Aufgabe der Räumlichkeiten in der Von-Hessing-Straße.
Bis zu Zieglers Ausscheiden gab es das Gesprächsangebot im Gemeindehaus.
Vor 16 Jahren gegründet
Gegründet wurde der Kontaktpunkt vor 16 Jahren, damit Kirche möglichst nah an den Menschen ist. Über 30 Ehrenamtliche kümmerten sich um die Menschen, die in den Kontaktpunkt kamen. Rainer Ziegler hatte die Leitung.
Er erinnert sich: „Passanten, Reha- und Kurgäste, Menschen aus dem Umland, sie alle kamen gerne, manche zufällig, andere gezielt in den Kontaktpunkt. Oft ging es um Trauer oder prekäre Familienverhältnisse.“
Unverbindlich ins Gespräch gekommen
Da im Kontaktpunkt unter anderem christliche Literatur verkauft wurde, schauten sich die Besucher oft erst unverbindlich um, bevor das konkrete Gespräch gesucht wurde. Seelsorger und Psychologen standen im Kontaktpunkt kurzfristig zur Verfügung.
„Wir haben viele Gespräche geführt, konnten an überörtliche Stellen vermitteln. Im psychosozialen Netz Main-Rhön waren wir gut vernetzt. Ob Sucht, Erziehung oder allgemeiner Sozialdienst. Es gibt immer mehr prekäre Verhältnisse, Menschen, die finanzielle Unterstützung brauchen. Wir hatten immer etwas Geld aus Spenden zur Verfügung, um Menschen auch kurzfristig finanziell zu unterstützen.“
Laien stützen die Kirche
Im Kontaktpunkt sei zudem deutlich geworden, dass die sogenannten „Laien“ die Kirche tragen, stützen und in die Zukunft führen. „Das ist anscheinend noch immer nicht allen Verantwortlichen in der Kirche deutlich geworden“, kritisiert Ziegler.
„Die Diözese hat ohne Not diese Einrichtung aufgegeben. Das Motto ,nahe bei und unter den Menschen’ erfüllt die Diözese hier nicht mehr.“
Für die Miete gab es einen Sponsor
Besonders ärgert Ziegler, dass es ausschließlich finanzielle Gründe waren, von der sich die Diözese leiten ließ. Der Kontaktladen kostete einschließlich Personal im Jahr 60.000 Euro, die Miete betrug 12.000 Euro.
„Das war der Diözese zu teuer. Ich habe es nicht verstanden und bin damit auch noch immer unversöhnt. Warum haben Leitung und Bischof da keine Möglichkeit gelassen, dass es weitergeführt wird? Ich hätte sogar einen Sponsor für die Miete gehabt, zunächst für ein Jahr. Ich bin sehr enttäuscht von meiner eigenen Kirche. Wirtschaftliche Interessen sind wichtiger als seelsorgerische“, so Ziegler.
„Mit dem Kontaktpunkt werden Möglichkeiten, Menschen zu erreichen, aufgegeben. Wir hatten Monat für Monat über 100 Menschen da. Wir hatten Zeit für die Menschen. Zeit für Begegnung von Mensch zu Mensch.“
Stellungnahme der Diözese
Die Diözese Würzburg begründet die Schließung so: „In der Diözese müssen harte Sparmaßnahmen umgesetzt werden. Außerdem wird das pastorale Personal immer knapper.“
Zieglers Werdegang
Der Kontaktpunkt war nur eine Station in Zieglers 38-jährigem Wirken als Pastoralreferent in der Diözese Würzburg. Viele Jahre war Ziegler im Ordinariat in verantwortungsvoller Position tätig. Er erlebte die Aufbruchsstimmung in den 1980er Jahren. Neue pastorale Konzepte wurden entwickelt, um die Kirche in die Zukunft zu führen.
Verletzungen entstanden
Die damalige Aufbruchsstimmung sei verflogen, an ihre Stelle trat Enttäuschung. „Ich erlebe eine große Diskrepanz zwischen den formulierten strategischen Zielen und dem tatsächlichen Handeln“, sagt Ziegler.
Das Motto „Kirche mitten unter den Menschen“ werde nicht gelebt. „Auf der oberen Leitungsebene zählen wirtschaftliche Interessen mehr als die Seelsorge und die Menschen.“ Verletzungen seien entstanden, auch bei ihm persönlich.
„Jeder Bischof will neue strategische Ziele“
Unverständlich sei, warum immer neue Visionen, Handlungskonzepte und strategische Ziele entwickelt werden, statt weiterzuführen, was bereits erarbeitet wurde.
„Jede Generation fängt neu an, das Rad zu drehen und zu erfinden. Jeder Bischof will neue strategische Ziele und Handlungsaufträge formulieren. Am Ende meiner Laufbahn bin ich enttäuscht, es kostet so viel Geld, Zeit und Personal, das bräuchte es nicht.“
Wohin geht es in Zukunft?
Für die Zukunft der Kirche sieht Ziegler kaum einen Weg. 1992 konnten noch 30.000 Menschen zum Gesprächsprozess gewonnen werden. „Das schaffen wir heute nicht mehr“.
Die Leute seien erschöpft und die Jüngeren fehlen. „Vor 30 Jahren hatten wir noch eine Blüte, konnten die Leute noch mobilisieren, über die Zukunft nachzudenken.“
Die Themen liege auf dem Tisch
Aber nicht nur die Entwicklung der Diözese Würzburg, sondern die der Katholischen Kirche in Deutschland ist für Ziegler enttäuschend. Seit 30 Jahren liegen die Themen auf dem Tisch: Machtfrage, Missbrauch, Frauenweihe, sexuelle Orientierung sind die Stichworte.
„Gott sei Dank gibt es den Synodalen Weg. Die Themen müssen einfach mal angegangen werden. Doch die Umsetzung wird verschleppt. Es wird zu viel auf Rom geschaut“, kritisiert er.
Zudem sei in den vergangenen zehn Jahren eine überbordende Verwaltung mit all ihren Richtlinien und Vorschriften entstanden. „Kirche verwaltet sich, da wird der Heilige Geist erstickt.“
Von Aufblühen keine Rede
Kirche sei nicht nah bei den Menschen, nicht lebendig und von Aufblühen könne keine Rede sein. „Es ist eine Farce von vorne bis hinten, viele sind enttäuscht. Ich wüsste nicht, wie eine Reform heute aussehen könnte, damit der Weg Jesus wieder spürbar wird. Ich habe die Hoffnung aufgegeben, weil ich so eine lange Zeit überblicke“, sagt Ziegler.
Was bleibt nach 38 Jahren als Pastoralreferent : „Reduzieren auf das eigene kleine Umfeld vor Ort.“ Was bleibt, ist aber auch Dankbarkeit - trotz aller Kritik: „Ich bin dankbar für 38 Jahre im kirchlichen Dienst!“, betont Ziegler ausdrücklich.
Weiterbeschäftigung wurde nicht genehmigt
Sein Wunsch auf eine geringfügige Beschäftigung im Raum Bad Bocklet/Burkardroth sei vom Personalreferent der Diözese nicht befürwortet worden.
Im Ruhestand werde er sich daher seiner Familie und Freunden widmen, seinem Interesse an Kunst und Kultur nachgehen und reisen. Zwei neue Projekte hat er im Blick: die Feinheiten des Gitarrenspiels vertiefen und Spanisch lernen.
Ehrenamtliches Engagement
Kirchlich werde er sich in seiner Heimatgemeinde in Werneck engagieren, wo er ehrenamtlicher Kirchenverwaltungsvorsitzender ist. Auf Wunsch der Hescuro Klinikleitung in Bad Bocklet werde er, ebenfalls ehrenamtlich, vierzehntägig die Sonntagsgottesdienste mit drei Wortgottesdienstleitern feiern – zunächst bis Ostern.
Stationen in Rainer Zieglers beruflichem Werdegang:
- Die Jugendarbeit in der KJG im Heimatort Bergrheinfeld und sein Religionslehrer prägten Rainer Ziegler früh.
- 1979 begann er Theologie zu studieren. Pfarrer wollte er nicht werden, er hatte von Anfang an das Ziel, als Pastoralreferent zu wirken. Als zweites Standbein diente ein Pädagogikstudium.
- 1985 begann er seinen Dienst in der Diözese Würzburg. Seine erste Station war im Pfarrverband Arnstein.
- 1992 ereilte ihn der Ruf aus Würzburg. Er wurde mit einer halben Stelle Kolping-Familienreferent und einer halben Stelle Projektmanager für den Pastoralplan „Wir sind Kirche – im Gespräch.“ Der Gesprächsprozess mit den Gläubigen dauerte bis 1996, 24 Beschlüsse und eine bischöfliche Wegweisung waren das Ergebnis, die kooperative Pastoral wurde ins Leben gerufen. In den Folgejahren arbeitete Rainer Ziegler an der Umsetzung.
- Im Jahr 2000 wurde er als erster Laie in der Diözese zuständig für Sonderseelsorge (heute Diakonisches Pastoral). Als Bereichsleiter war er für 150 Mitarbeitende zuständig. Zusätzlich war er Referent für Gemeindeentwicklung und war er an der Planung der 178 Pfarreiengemeinschaften beteiligt.
- 2013 entschied er, nicht länger im Ordinariat auf Leitungsebene tätig zu sein. „Ich wollte nahe bei den Menschen sein in der Seelsorge.“ Er wurde Kurseelsorger in Bad Kissingen und Bad Bocklet und Leiter des Kontaktpunktes. 13 Rehakliniken waren zu betreuen.
- In seinen letzten Dienstjahren war er neben dem Kontaktpunkt in Bad Bocklet als Kur- und Gästeseelsorger tätig, wobei er die Kurseelsorge immer als Erwachsenenseelsorge für den gesamten Raum gesehen habe. Außerdem arbeitete er in den Pastoralen Räumen Bad Kissingen sowie Bad Bocklet und Burkardroth mit. Er engagierte sich unter anderen bei der Begleitung von Wortgottesdiensten sowie Beerdigungsdiensten.
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