
Es ist zu einer guten Tradition geworden, den Kissinger Winzerzauber mit einem Konzert des Jugendmusikkorps (JKM)der Stadt Bad Kissingen einzuläuten. Das ist ja auch eine gute Sache, und es ist längst nicht mehr nur ein Konzert für die Angehörigen. Sondern es hat sich längst herumgesprochen, dass es sich lohnt zu kommen, weil da gute Musik geboten wird. Die Besucherzahlen sind dafür ein Beleg.
Ein guter Griff
Es ist aber natürlich auch ein guter taktischer Griff und ein Angebot, den Winterzauber mit einem JMK-Konzert anlaufen zu lassen. Hier kann man von einer guten Qualität und einem unterhaltsamen, bewährten Programm ausgehen, auf das man sich einlassen kann. Und das nicht nur auf weihnachtliche Besinnlichkeit ausgerichtet ist.
In der Tat hatte Matthias Zull, der Leiter des Orchesters, mit seinen Leuten ein Programm vorbereitet, das in seinen ersten acht Werken zeitlos unterhaltsam war und erst in den letzten beiden Stücken auf das Besinnlichkeitsgleis einbog.
Routine und Lockerheit
Nein, es war zuallererst wieder einmal ein großes Vergnügen, die junge Truppe zu hören, die immer wieder überrascht mit ihrer Routine und Lockerheit und mit ihrer Präsenz. Gleich das erste Stück lieferte den besten Beleg. „Emotionen“ des schwäbischen Komponisten und Arrangeur Kurt Gäble ist wirklich kein einfaches Werk; es fordert seine Interpreten – und das nicht nur in der Gestaltung von Gefühlen und Kontrasten, sondern auch in den virtuosen Anforderungen. Und da waren keinerlei Abstriche zu machen.
Kraftvolle Fanfare
Die einleitende kraftvolle Fanfare des ganzen Orchesters explodierte geradezu mit einer Pünktlichkeit, die keinerlei Anlaufschwierigkeiten erkennen ließ. Sie leitete über in ein Wechselspiel der Motive zwischen den einzelnen Registern, die nicht nur erstaunlich sauber geblasen waren, sondern auch ohne jede Zögerlichkeit in den lyrisch-sanglichen Phasen.
Der Flug des Falken
Die Fähigkeit zu raschen, aber auch kompromisslosen, dynamischen Wechseln zeigte sich in „Eye of the Falcon“ des Amerikaners Ed Huckeby: Es ist der Flug eines Falken, der mit hörbar großem Kraftaufwand startet, aber dann aus der Höhe die unterschiedlichsten Wahrnehmungen macht, klangmalerisch und harmonisch stark differenziert. Wobei die eigentliche Herausforderung die rhythmische Gestaltung zu sein scheint, denn Huckeby verwendet nicht immer einfache Synkopierungen aus dem Jazz (an dieser Stelle ein Extrakompliment an die Perkussionisten des JMK).
Ernster Hintergrund
Ernst wurde es bei dem Gedicht „Von guten Mächten“, das der evangelische Pfarrer Dietrich Bonhoeffer am 19. Dezember 1944 als Weihnachtsgruß an seine Verlobte schickte, als er im Keller des Reichssicherheitshauptamts in Berlin eingesperrt war und auf seine Hinrichtung wartete – die schließlich am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg stattfand. Die bekannteste Version ist wohl die von Siegfried Fietz , der in seiner Musik der Entwicklung Rechnung trug, dass das Lied immer mehr auch als zeitloser Ausdruck der Freude gesehen wurde. Das brachte das JMK sehr gut rüber. Aber die Musiker schafften es auch,Ernsthaftigkeit und Züge zur Melancholie wirken zu lassen.
Zuerst mal österlich
Österlich wurde es mit Auszügen aus Andrew Lloyd Webbers Rockoper „Jesus Christ Superstar“ von 1971. Das Orchester ließ sich von der Musik mitreißen, spielte aber auch immer wieder eingestreute lyrische Registersoli. Wie auch bei „Moments for Morricone“ von Johan De Meij. „ Spiel mir das Lied vom Tod “ sagt ja nun wirklich jedem etwas, und die Musik schien den jungen Leuten großen Spaß zu machen. Schließlich ging es ja auch um die Produktion der geheimnisvoll-bedrohlichen Geräuschkulisse der amerikanischen Savanne. Aber ohne die Ablenkung durch Sergio Leones Film mit dem ewig verkniffen grinsenden Charles Bronson konnte man endlich mal bemerken, wie raffiniert und kompliziert diese Musik ist. 1:0 für Morricone!
Pompöser Klang
Der zweite Teil begann noch einmal mit einer Komposition von Kurt Gäble: „Dialog der Generationen“, in der die Musik zeigt, wie sich das Gesprächsklima im Laufe des Älterwerdens verändert – auch das eine gute Gelegenheit zu starken dynamischen und ausgezeichnet gestalteten klangfarblichen Kontrasten. Schließlich „Greatest Showman“, Musik aus dem gleichnamigen Film von 2017, der den Weg von P. T. Barnum zu einem der bekanntesten Zirkusdirektoren. Entsprechend pompös ist die Musik. Aber die kleinen Sondereffekte blieben immer gut durchhörbar.
Zum Abschluss das Lametta
Und dann kam wirklich das Lametta: zunächst mit Leroy Andersons „Christmas Festival“, einem Potpourri aus Klassikern wie „Joy tot he World“, „Hark the Herald Angels Sing“ oder „Stille Nacht“, aber auch dem unsäglichen Gassenhauer „Jingle Bells“ . Aber wenn er so schmissig gespielt wird wie vom JMK, kann man nicht weghören. Zum offiziellen Schluss erklang Joisé Felicianos „Feliz Navidad“. Das schwungvolle Lied scheint zu einem Selbstläufer bei den jungen Leuten geworden zu sein, denn Mattthias Zull musste fast nichts machen: nur das Startsignal geben und im richtigen Tempo seine Partitur umblättern. Der Schlusspunkt war „O du Fröhliche“, sozusagen für den Heimweg. Denn jetzt durfte jeder, der wollte, mitsingen.
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