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LKR Bad Kissingen
Dietmar Schmitt: Eine düstere Zukunfts-Prognose
Immer mehr Vereinen geht der Nachwuchs aus. Warum sich der TSV Oerlenbach für eine Spielgemeinschaft entschieden hat und was er sich davon erhofft.
Noch wird die Kegelbahn in der Wilhelm-Hegler-Halle genutzt und die Kegler vom TSV Oerlenbach und TSV Ebenhausen trainieren und spielen regelmäßig.       -  Noch wird die Kegelbahn in der Wilhelm-Hegler-Halle genutzt und die Kegler vom TSV Oerlenbach und TSV Ebenhausen trainieren und spielen regelmäßig.
Foto: Thomas Sturm | Noch wird die Kegelbahn in der Wilhelm-Hegler-Halle genutzt und die Kegler vom TSV Oerlenbach und TSV Ebenhausen trainieren und spielen regelmäßig.
Thomas Sturm
 |  aktualisiert: 03.06.2024 13:05 Uhr

Warum kegelt der TSV Oerlenbach eigentlich nicht mehr? Diese Frage wurde TSV-Sportwart Dietmar Schmitt zuletzt häufig gestellt. „Die habe ich schon so oft beantworten müssen“, kann er mittlerweile nur noch darüber lachen. In den Kegel-Tabellen taucht der TSV Oerlenbach allerdings gar nicht mehr auf und so ist die Frage durchaus berechtigt. Seit der Saison 2022/23 ist die Kegel-Abteilung des TSV eine Spielgemeinschaft (SpG) mit der DJK Schweinfurt eingegangen. Die Entscheidung war nicht leicht gefallen und hatte vor allem personelle Gründe, bietet aber auch eine sportliche Perspektive.

Die Zahlen belegen die Krise

Der Kegelsport scheint allgemein in einer Krise zu stecken, das belegen auch die Zahlen. Die Corona-Pandemie mit den zahlreichen Einschränkungen hat dem Sport wohl doch mehr zugesetzt als vermutet. In der Zeit ohne Training und Spiel haben sich vor allem die jüngeren Kegler eine neue Beschäftigung gesucht und kehren wenig bis gar nicht zurück auf die Bahnen. Der Sport insgesamt passt eher nicht mehr zum Event-Tourismus der Jugendlichen heute. „Die jungen Menschen haben kein Sitzfleisch mehr“, meint auch Dietmar Schmitt. Ein Ligaspiel in der Bezirksliga kann zwischen zwei und vier Stunden dauern, je nach Anzahl der Kegelbahnen. 120 Schub sind dabei pro Spieler bei einer Mannschaft mit vier Spielern zu absolvieren und das dauert eben.

Sorgen bereitet vielen Vereinen mittlerweile vor allem der Nachwuchs. Beim TSV Oerlenbach sind gar keine Jugendlichen mehr, weder im Trainings- noch im Spielbetrieb. „Ja, das macht uns große Sorgen für die Zukunft“, zeichnet Schmitt eine düstere Prognose. Wenn sich dieser Trend nicht umkehren lässt, werden wohl noch viele Vereine abmelden müssen und die Kegelbahnen bleiben ungenutzt, meint er. Schmitt hofft wieder auf das Ferienprogramm und das Großgemeindekegeln, weil darüber schon einige Nicht-Kegler rekrutiert werden konnten. Mit einem veränderten Spielsystem im Jugendbereich oder sogar im Erwachsenenalter sowie modernen Kegelanlagen und etwas mehr Event könne eine Chance liegen, hat er bereits Ideen.

Vollert nimmt kein Blatt vor den Mund

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Bezirkssportwart Richard Vollert und nimmt kein Blatt vor den Mund. „Der Fisch stinkt vom Kopf her“, sagt er und meint damit die veralteten Verbandsstrukturen. Er sieht ebenfalls die Gefahr, dass in naher Zukunft einige Kegelklubs von der Bildfläche verschwinden werden. Er fordert eine Strukturänderung im Jugendbereich und wird bei den anstehenden Verbandsversammlungen im Juni Vorschläge unterbreiten. So ist zum Beispiel ein besserer Austausch mit Thüringen geplant. Kegeln ist in Ostdeutschland Volkssport und immer noch sehr beliebt. „Wir werden in Zukunft einiges besser machen müssen“, sagt er.

Stralsbacher Konzept funktioniert

Im Landkreis Bad Kissingen gibt es nur noch einen Kegelklub, der eine Jugendmannschaft im Spielbetrieb stellt. Der SKK Alle Neun Stralsbach bemüht sich schon seit vielen Jahren intensiv um den Nachwuchs und hat großen Erfolg damit. „Seit über zehn Jahren schaffen wir es vor allem über das Ferienprogramm immer wieder Jugendliche für den Kegelsport zu begeistern“, sagt Sportwart Pascal Schreiner dazu. Und es sind ausschließlich Kinder und Jugendliche aus Stralsbach, betont er. Der Nachwuchs muss dort übrigens bis zum 18. Lebensjahr oder bis nach Ende der Ausbildung keine Mitgliedsbeiträge bezahlen. Das Stralsbacher Konzept funktioniert, denn regelmäßig stoßen Spieler aus dem Nachwuchsbereich in die Herrenmannschaft vor. Der Aufstieg in die Bezirksoberliga ist allerdings kein Thema wegen der Infrastruktur mit Zwei-Bahn-Anlage und so stehen die Gemeinschaft und der Spaß im Vordergrund, ohne den sportlichen Ehrgeiz vermissen zu lassen.

Der 67-jährige Dietmar Schmitt kegelt schon lange beim TSV Oerlenbach und ist darüber hinaus beim Kegelverein (KV) Bad Kissingen aktiv. Im Bezirk Unterfranken gibt es drei Kegel-Kreise, den Ost-, Nord- und Südwest-Kreis. Der Norden besteht aus dem KV Bad Brückenau (1 Klub), KV Bad Neustadt (19 Klubs) und dem KV Bad Kissingen (5 Klubs). Seit 2000 engagiert sich Schmitt im KV und auch hier geht die Zahl der Vereine, die am Liga-Spielbetrieb teilnehmen langsam, aber stetig zurück und ist wohl auch nicht zu verhindern. Nur noch fünf Kegelklubs im KV Bad Kissingen stellen derzeit Mannschaften im Spielbetrieb. „Vor ein paar Jahren waren es noch drei mehr“, erinnert sich Schmitt an durchaus bessere Zeiten. Zuletzt hatte sich Oberthulba zurückgezogen.

Spielgemeinschaften wie beim Fußball

Ähnlich wie beim Fußball sind die Kegelklubs nun teilweise dazu gezwungen, Spielgemeinschaften einzugehen, weil einfach die Spieler ausgehen. „Bis zu drei Vereine können eine Spielgemeinschaft bilden“, weiß Schmitt. Für Oerlenbach war es die richtige Entscheidung gemeinsame Sache mit Schweinfurt zu machen. Michael Seitz ist Abteilungsleiter der DJK Schweinfurt und lebt schon lange in Oerlenbach. Er kegelte auch bei beiden Vereinen, konnte das aber irgendwann nicht mehr, weil zwei konkurrierende Kegel-Verbände in Bayern unterschiedliche Spielsysteme favorisierten. So war unter dem Dach der Deutschen Classic-Kegler Union (DCU) ein Spiel mit 100 oder 200 Schub durchzuführen. Mit einem doch zunehmend überalterten Klientel waren die 200 Schub nicht mehr durchzuhalten und deswegen sind viele Vereine und wieder zum Spielsystem des Bayerischen Sportkegler- und Bowlingverband (BSKV) mit durchgängig 120 Schub pro Spiel gewechselt. Die DCU hat den Spielbetrieb nach der Saison 2021/22 in Bayern teilweise eingestellt. Nur noch einige wenige Bundesliga-Vereine kegeln unter dem Dach des DCU.

Sportlich läuft es ganz gut

Die SpG zwischen dem TSV Oerlenbach und der DJK Schweinfurt zu bilden, war aber auch nicht so einfach, denn eine Gemeinschaft mit Vereinen aus zwei verschiedenen Landkreisen war bis dahin nicht möglich. „Es hat dann aber doch irgendwie geklappt“, weiß Schmitt. Die Herren der neu formierten Vereinigung spielen nun in der Bezirksliga Ost unter dem Namen SpG Oberes Werntal. Den Namen hat er sich vom Jugendfußball abgeschaut, da gab es nämlich auch mal eine Juniorenfördergemeinschaft Oberes Werntal. „Das hat irgendwie gepasst“, sagt der 67-Jährige und grinst.

Sportlich läuft es ganz gut bei der SpG mit einem Platz im Tabellenmittelfeld. Als eigenständiger Verein wäre ein Aufstieg ohnehin nie ein Thema gewesen. Ab der Bezirksoberliga muss man nämlich eine Vier-Bahn-Anlage vorweisen und die gibt es im hiesigen Landkreis nicht mehr oder kann nicht mehr genutzt werden (Bad Brückenau). Die DJK Schweinfurt hat aber solch eine Anlage und so kommt auch die sportliche Perspektive ins Spiel. Ein Aufstieg scheitert also nicht mehr an der Infrastruktur. Die vor der SpG platzierten Vereine besitzen teilweise nur eine Zwei-Bahn-Anlage und können deshalb auch nicht aufsteigen.

Dietmar Schmitt sorgt sich zum die Kegel-Zukunft in Oerlenbach.       -  Dietmar Schmitt sorgt sich zum die Kegel-Zukunft in Oerlenbach.
Foto: Thomas Sturm | Dietmar Schmitt sorgt sich zum die Kegel-Zukunft in Oerlenbach.
 
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Kommentare
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Ich denke beim Kegelsport ist der "Point of no return" schon erreicht. Würde mich wundern, wenn es in fünfzehn Jahren noch sonderlich viele aktive Vereine gibt!

    Ohne Jugend keine Zukunft.
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