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Bad Brückenau
"Der Herbst wird trüb und schwer"
Dorint-Chef Dirk Iserlohe über die Lage der Branche in Corona-Zeiten und seiner Hotelgruppe .
Stürmische Zeiten: Dorint-Chef Dirk Iserlohe  Foto: Stephan Pick/Dorint/Fuldaer Zeitung       -  Stürmische Zeiten: Dorint-Chef Dirk Iserlohe  Foto: Stephan Pick/Dorint/Fuldaer Zeitung
| Stürmische Zeiten: Dorint-Chef Dirk Iserlohe Foto: Stephan Pick/Dorint/Fuldaer Zeitung
Redaktion
 |  aktualisiert: 17.08.2022 15:40 Uhr

Er hat als Kapitän die vom Sturm bedrohte Hotelgruppe Dorint in ruhige Gewässer gesteuert, bis durch Corona ein Orkan kam: Dirk Iserlohe. Doch der 56-Jährige gibt nicht auf, obwohl er sich, Dorint und die Branche von der Regierung verlassen fühlt. Wir sprachen mit ihm über die aktuelle Situation der Dorint-Hotels und der ganzen Branche.

Die Dorint-Geschichte ist eine der jüngsten Erfolgsgeschichten der Hotelbranche . Sie haben den Konzern vor dem Untergang bewahrt und wieder auf gesunde Beine gestellt. Steht durch Corona alles auf der Kippe?

Dirk Iserlohe: In Anbetracht des erfolgreichen "Turnarounds" im Jahre 2016 ist dies ein kräftiger Schlag in die Magengrube, der nachwirkende Schmerzen hinterlässt. Waren wir mit der Dorint Hotelgruppe doch auf einem guten Weg der kontrollierten Expansion - mit einem Umsatzziel für 2020 von circa 330 Millionen Euro und der Erweiterung des Portfolios auf über 70 Häuser. Doch mit der Absage der ITB in Berlin Ende Februar begann die für unser Unternehmen wohl heftigste Krise. Wenn wir dieses Jahr noch annähernd 120 Millionen Euro Umsatz erzielen, schaffen wir vor Pachten und Raumkosten immer noch eine schwarze Null. Wir werden als Konzern überleben - das ist ein Versprechen und kein Wunschdenken. Denn wir waren bereits vor der Corona-Krise mit rund 80 Millionen Euro Eigenkapital gesund aufgestellt.

Wie sieht die Belegung derzeit aus - kommen die Gäste wieder?

Bis zum Lockdown Mitte März waren wir mit einer Belegung von 55 Prozent für alle Häuser der Dorint-Gruppe für einen Jahresbeginn nicht schlecht aufgestellt. Danach fiel die durchschnittliche Belegung auf nur noch zwei Prozent. Bis zum 18. Mai, dem ersten Tag der Lockerungen, verbesserte sich diese Zahl dann zunächst auf sechs Prozent und stieg bis zum 30. Mai, dem letzten Tag der großen Lockerungen im Süden, auf 22 Prozent. Inzwischen sind wir wieder bei rund 35 Prozent.

Ist weitere Besserung in Sicht?

Die noch immer bestehenden Einschränkungen in Restaurants , Bars und SPA-Bereichen bremsen weiter unser Geschäft. Viele Firmen erlauben außerdem nach wie vor keine Geschäftsreisen. Unsere Resorts in den Bergen und an der See sind zwar erwartungsgemäß gut gebucht, aber es wird deutlich weniger konsumiert als früher. Es sieht eher nach "Urlaubsverrichtung" aus. Inwieweit nun nach den Sommerferien die Geschäftsreisenden und das Tagungsgeschäft zurückkommen, bleibt abzuwarten, zumal nach wie vor viele Messen abgesagt werden. Der Herbst wird trüb und schwer bleiben - für die ganze Branche.

Inwieweit nehmen Sie die Hilfen des Staates in Anspruch?

Aktuell haben wir rund 20 Prozent unseres bewilligten Überbrückungskredits von 47,5 Millionen Euro in Anspruch genommen und hoffen, die volle Linie nicht in Anspruch nehmen zu müssen. Über die Hälfte der Mitarbeiter sind noch in Kurzarbeit. Und das ist hart, auch wenn ab dem vierten Monat 70 Prozent des Gehaltes erstattet werden. Müssten wir alle Pachten regulär bezahlen, würden wir in diesem Jahr einen Verlust von 55 bis 60 Millionen Euro hinnehmen.

Wie verständnisvoll sind die Vertragspartner von Dorint mit ihren Pachtforderungen?

Zurückhaltend, geringfügig begeistert bis wenig motiviert, auf Pachten verzichten zu wollen. Am liebsten würden die Verpächter nur stunden. Weder der Verpächter noch der Pächter haben an diesen unwiederbringlichen Verlusten Schuld, so dass der fairste Ansatz eine Teilung wäre. In diesem Stadium des "Reifeprozesses" befinden wir uns derzeit. Die Verpächter werden verstehen, dass vermeintlich Liquidität zu sichern, dafür zu vollstrecken oder sogar zu kündigen, am langen Ende nur zu einem Vermögensverlust führen wird. Denn die neuen Pächter, die alle in ähnlicher Situation sind, werden wohl kaum den Pachtvertrag in der vollen Höhe akzeptieren. Einige Verpächter sind auch bereits zu dieser Erkenntnis gekommen und arbeiten kooperativ mit uns.

Sie haben sich in mehreren Briefen an die Kanzlerin um Verständnis und Konsequenzen für Dorint und die Hotelbranche bemüht. Gab es Antworten?

Bisher gab es auf meine neun Briefe an die Bundesregierung keine Antwort. Carsten Linnemann, Fraktionsvize der CDU/CSU, hat sich bei mir am 7. Juli interessiert gemeldet, um zu erforschen, wie es um die Branche steht, ob und wie er helfen könne. Ich glaube, er hat unser Gespräch positiv aufgenommen. Ferner konnte ich in einem Vier-Augen-Gespräch mit Bundesentwicklungsminister Gerd Müller meine ernsthaften Sorgen um unsere Branche loswerden. Mehr Reaktionen gab es trotz vielfältigster Kontaktaufnahme über die lokalen und überregionalen Politiker bisher nicht, auch nicht von den betroffenen Ministerien.

Wie könnten die Dorint-Gruppe und weitere Hotels in Deutschland gerettet werden?

Gerecht wären Zuschüsse in Höhe der coronabedingten unwiederbringlichen Verluste. Dies wird wohl kaum aus dem staatlichen Rettungspaket erfolgen. Deshalb müssen wir Lösungen finden, die den Staat kein weiteres Geld kosten. Zurzeit kursieren in der Fachliteratur divergierende Rechtsmeinungen zur Auslegung des Paragraphen 313 BGB, in dem es um die "Störung der Geschäftsgrundlage" geht. Aus unserer Sicht ist das Verständnis hinsichtlich der Mietzahlungspflichten und derer Erfüllung nicht ausgewogen und der derzeitigen Situation nicht angemessen formuliert. Wir haben doch keine Möglichkeit, die ausgefallenen Umsätze in späteren Perioden nachzuholen. Das Covid-19-Gesetz ist hier ungenau formuliert. Ein angemessener Interessensausgleich zwischen Verpächter und Pächter wäre notwendig.

Wie viele Arbeitsplätze stehen bei Dorint auf dem Spiel?

Bei uns in der Dorint-Gruppe mit den drei Marken Dorint Hotel & Resorts, Hommage Hotels Luxury Collection und Essential by Dorint geht es um rund 3200 unmittelbare Mitarbeiter und weitere 1300 Beschäftigte in Franchisebetrieben. Ich werde alles tun, dass keiner seinen Arbeitsplatz verliert.

Glauben Sie, dass das auch in der gesamten Branche gelingen wird?

Trotz staatlicher Unterstützung etwa mit Kurzarbeitergeld ist ein Großteil der rund 220 000 Betriebe des Gastgewerbes sicherlich absehbar von der Insolvenz bedroht. Dazu gehören auch viele Familienbetriebe. Die bisher ergriffenen Mittel kommen bei der vorrangig mittelständisch geprägten Hotel- und Gastronomiebranche zumeist nicht an. Ab dem 1. Oktober setzt ferner die Insolvenzantragspflicht wieder ein, die insbesondere für den Tatbestand der Überschuldung für die Hotellerie von Bedeutung sein wird. Die gewährten Überbrückungsmittel sind für die Hotelbranche kein probates Mittel des Ausgleichs von verlorenen Umsätzen, die nicht innerhalb der nächsten Dekade amortisierbar sein werden. Die gewährten Kreditmittel werden somit zum trojanischen Pferd der unvermeidbaren Insolvenzen und das gefährdet auch die Rückführbarkeit der Staatsmittel.

Gibt es inzwischen Ansätze einer sinnvollen Rettung durch die Bundesregierung ?

Leider nein. Die reduzierten Mehrwertsteuersätze gelten nur bis zum Jahresende, und bis dahin werden wir keine signifikante Steigerung der Umsätze verzeichnen können. Diese Maßnahme stellt zumindest für unsere Branche den "berühmten Tropfen auf heißen Stein" dar, der bereits von den Umstellungskosten aufgefressen wird. Gleiches gilt auch für die Umsatzsteuerreduktion bei Speisen von 19 Prozent auf 7 Prozent, auch wenn diese bis Ende Juni 2021 gilt. In beiden Fällen soll laut Politik die Differenz an den Verbraucher weitergegeben werden. Da 70 Prozent der Geschäftskunden Verträge mit uns abschließen, rechnen wir ohnehin auf Nettobasis ab. Die gesenkte Umsatzsteuer ist für uns also irrelevant. Also wie sagen wir in Köln gerne: "Dreimal null ist null."

Das Gespräch führteVolker Feuerstein.Zur Person

Der Diplomkaufmann Dirk Iserlohe (55) wurde 1995 Partner des damaligen Emissionshauses Ebertz & Partner in Köln, zu der auch die Dorint Hotelgesellschaft gehört hat. In seiner Funktion als geschäftsführender Gesellschafter schaffte der Unternehmer im Jahr 2006 die Basis für die Gründung der " Neue Dorint GmbH " mit damals 41 Hotels .

Zwei Jahre später wurde Iserlohe geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der E&P Holding GmbH & Co. KG und ist seitdem im Aufsichtsrat der heutigen Dorint GmbH. Ende 2016 gründete Dirk Iserlohe mit namhaften Investoren die Honestis AG mit den Unternehmensbereichen "Real Estate" und "Hospitality". Seit Januar 2017 ist Iserlohe alleiniger Vorstand dieser Finanzholding mit Sitz in Köln.

Am 27. Juni 2019 wurde Dirk Iserlohe einstimmig zum Vorsitzenden des Dorint Aufsichtsrates gewählt.

Der Familien-Unternehmer ist mit der Kölner Künstlerin Heike Iserlohe verheiratet, die aus Fulda stammt. Sie haben eine 16-jährige Tochter.

Die Dorint Hotels

Dorint Hotels & Resorts wurde 1959 gegründet und gehört heute zur Dorint Hospitality & Innovation GmbH. Alleiniger Gesellschafter ist die Honestis AG von Dirk Iserlohe. Dorint betreibt 61 Hotels , davon sind 38 Pacht-, 4 Management- und 19 Franchisebetriebe. Das Unternehmen hat 10 100 Zimmer mit 19 500 Betten. Der Umsatz lag 2019 bei einer Belegung von durchschnittlich 68 Prozent bei 250 Millionen Euro. Damit zählt Dorint zu den größten Hotelgruppen in Deutschland.

 
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