
Ärger, Frustration und Verbitterung, aber auch „Überzeugung, dass wir gute Arbeit leisten“: So beschreibt Ivan Sojc, Inhaber des Deutschen Fahrradmuseums, die Gefühlslage bei sich und seinen Mitarbeitern. Geschieht kein Wunder, bricht ab 2024 die städtische Förderung weg. Von Aufgabe und Wegzug spricht Sojc nicht, aber von „Veränderung unseres Standpunktes“. Was er damit meint.
Stadt muss zugunsten der Therme Sinnflut sparen
Sparen tut weh. Doch genau das muss die Stadt Bad Brückenau , will sie das Großprojekt „Neue Therme Sinnflut “ für voraussichtlich 30,8 Millionen Euro stemmen. Der Stadtrat hat deshalb in den Haushaltsvorberatungen Einsparpotenzial gesucht – und es unter anderem bei den „freiwilligen Leistungen“ gefunden.
So müssen die August-Kömpel-Musikschule und das Bayerische Kammerorchester Einschnitte verkraften. Das Fahrradmuseum müsste ab kommenden Jahr auf den „Sockelbetrag“ von 26.100 Euro verzichten, der es laut Sojc „über die weniger besucher- und ereignisträchtigen Wintermonate bringt“.
Sojc hält Situation für „grotesk“
Dass die angedachte Streichung beim Museumsbetreiber nicht auf Gegenliebe stößt, ist keine Überraschung. Aber Sojc nennt die Situation „grotesk“. Aus mehreren Gründen.
Zum ersten lasse sich das Fahrradmuseum im Staatsbad nicht auf die 5000 bis 7000 Besucher reduzieren, die pro Jahr in die Villa Füglein kommen. „Der Publikumsverkehr ist nur ein kleiner Teil der Museumsarbeit“, sagt der 60-Jährige.
Mobile Museen erreichen 200.000 Leute
Besonders im Sommerhalbjahr würden mobile Ausstellungen mit Exponaten aus dem Museum den Namen Bad Brückenau nach ganz Deutschland und darüber hinaus tragen, dadurch die Bekanntheit der Stadt steigern. In der Münchner Pinakothek der Moderne – einem der renommiertesten Kunstmuseen Deutschlands – laufe seit November 2022 die Schau „Design und Kultfahrräder“.
Die mobilen Museen, informiert Ivan Sojc, besuchen jährlich zwischen 50.000 und 200.000 Menschen aus ganz Europa. Das alles bringe einen Mehrwert für Bad Brückenau, den es ohne das Deutsche Fahrradmuseum nicht gäbe. Inklusive Buchungen für Stadt und Staatsbad.
Große Außenwirkung für relativ kleinen Beitrag
Dies alles bekomme die Stadt für einen vergleichsweise kleinen Beitrag von 26.100 Euro. In andere Museen würden Millionen investiert.
Um den zweiten Grund für die „groteske Lage“ zu erklären, blickt der in Unterhaching aufgewachsene Wahl-Brückenauer in die Vergangenheit. Vor rund 20 Jahren sei man ausdrücklich eingeladen worden, in die Kurstadt zu kommen. Namentlich seien das Bürgermeister Thomas Ullmann, Stellvertreterin Brigitte Meyerdierks , Kurdirektorin Andrea Schallenkammer , der verstorbene Stadtrat Helmut Kenner und Jürgen Pfister gewesen.
Villa Füglein 2002 erworben und instandgesetzt
Er und seine damalige Frau Mona Buchmann hätten die leerstehende Villa Füglein, ein früheres Hotel, 2002 erworben, sie renoviert und die Ausstellungsräume eingerichtet. Im Mai 2004 eröffnete schließlich das Fahrradmuseum.
Seitdem habe die Stadt Bad Brückenau – außer dem jährlichen freiwilligen Zuschuss – keinerlei Kosten damit, so Sojc. Das Gebäude stelle er selbst, dazu die Ausstellungsstücke, alles Originale aus zwei Jahrhunderten Fahrradgeschichte. Die Betriebs- und Personalkosten trage er ebenso.
Wenig erfreuliche Entwicklungen
„Vielleicht war unser großer Fehler, dass wir zu geräuschlos funktioniert und uns eigenverantwortlich gefühlt haben“, mutmaßt der Museumsbetreiber. Übrigens sei die Stadt weiter zu zehn Prozent an der gemeinnützigen Träger-GmbH beteiligt.
Die Nachricht von der geplanten Streichung des Zuschusses nimmt den 60-Jährigen mit – das ist nicht zu übersehen. Dazu tragen wenig erfreuliche Entwicklungen der vergangenen Tage bei.
Gespräche mit Landrat und Bürgermeister stehen noch aus
Am 4. Juli ist ein Treffen im Landratsamt Bad Kissingen zur Zukunft des Fahrradmuseums angesetzt. Teilnehmer neben Sojc sollen Vertreter des Bezirks Unterfranken , der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (beides Förderer von Projekten), dem Regionalmanagement, Landrat Thomas Bold und Bad Brückenaus Bürgermeister Jochen Vogel (beide CSU ) sein.
Zu den drei Erstgenannten pflegt der Museumsleiter gute Beziehungen; mit Bold und Vogel habe er noch keine Gespräche vereinbaren können. Sich vorher auszutauschen und abzustimmen sei aber unerlässlich, wenn das große Treffen etwas bringen soll, glaubt Sojc.
Nur vier Stadträte nahmen Einladung an
Auch hat er alle Stadträte in sein Haus eingeladen, um sie über die Situation des Museums zu informieren. Bisher seien lediglich vier von der CSU erschienen.
Wie gesagt: Ivan Sojc verkündet nicht, dass er Bad Brückenau verlässt. Der 60-Jährige will weiter in der Villa Füglein wohnen und die mobilen Ausstellungen, die vor allem sein Sohn Jonas mit Familie betreut, fortführen. Auch Werkstatt und Verwaltung sollen im Staatsbad bleiben.
Ungewissheit über Zukunft des Museums
Aber Sojc weiß nicht, ob er das dortige Museum bald überhaupt noch öffnen kann. „Stand jetzt ist am Jahresende zu.“ Man müsse sich jetzt anders organisieren, sich anders kümmern. Ergebnisoffen. „Spielen kann das Fahrradmuseum auch woanders. Dann hat Bad Brückenau eben nichts davon.“
So begründen die Stadträte die Streichung
Der freiwillige jährliche Zuschuss der Stadt über 26.100 Euro fürs Deutsche Fahrradmuseum – in den Vorberatungen zum Haushalt 2023 war er Gegenstand einer längeren Diskussion im Stadtrat. Die Meinungen gingen auseinander.
Zu Beginn sagte Kämmerer Markus Popp, dass sich die Stadt diesen Zuschuss eigentlich nicht leisten könne. David Fronczek (SPD) sprach sich dafür aus, dem Museum die Förderung für vier weitere Jahre zu gewähren. So habe Betreiber Ivan Sojc die Möglichkeit, sich umzuorientieren und andere Finanzierungsmöglichkeiten zu finden.
Zimmermann: Staatsbad muss mehr unterstützen
Adelheid Zimmermann (FDP) betrachtet das Staatsbad als Ort, den der Staat finanziert. Von dort müsse auch Unterstützung fürs Fahrradmuseum kommen, was aber nicht geschehe. Nur die Stadt finanziere.
Heike Greenberg-Kremser (PWG) meinte gar, Fahrradmuseum, Bayerisches Kammerorchester und Valentin-Becker-Preis seien alles Institutionen im Staatsbad und müssten eigentlich alle gestrichen werden.
Das Museum bräuchte einen privaten Sponsor, ein Unternehmen, ergänzte Zimmermann. Es müsse Sojc’ ureigenstes Interesse sein, solch einen zu gewinnen. Dies sei aber immer wieder aufgeschoben worden.
Kaum Werbung durch Fahrradmuseum selbst
Laut Bürgermeister Jochen Vogel (CSU) rettet die Stadt das Fahrradmuseum jedes Jahr. Nur durch dessen Unterstützung könne es leben. Eberhard Schelle (PWG) fand es sehr schade, dass es kulturell außer Feierabendkonzerten und Musikschule kaum noch etwas gebe.
Karin Ott (CSU) fand, dass die städtische Förderung nicht ausreicht. Sojc müsse medial und interaktiv viel größere Planungen vorantreiben. Für seine aktuelle Ausstellung in der Pinakothek in München gebe es nicht einmal Werbung. Das Für-sich-werben gehöre nicht zu seinen Stärken. Die freiwilligen Leistungen zu kürzen bringt laut Ott nichts. Auch sie sieht die Kurverwaltung mehr in der Pflicht.
Mehr zum Fahrradmuseum im Staatsbad Brückenau lesen Sie hier: