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LUANG PRABANG
Der Fisch in der rosa Tüte
Inas Welt: Ina Schebler in Indien vor einem Tucktuck.
Foto: Ina Schebler | Inas Welt: Ina Schebler in Indien vor einem Tucktuck.
Von unserer Mitarbeiterin Ina Schebler
 |  aktualisiert: 16.11.2012 16:43 Uhr

Ich schlendere über den Markt in der laotischen Stadt Luang Prabang. Zwischen all dem Obst, Gemüse und von Fliegen übersähten rohen Fleisch bleibt mein Blick an einem Wasserbassin hängen, in dem Fische müde nach Luft schnappen. Ich frage die Verkäuferin, ob die aus dem Mekong seien. Sie nickt.

Während ich die armen Tiere betrachte, erinnere ich mich an die gebratenen Fische, die hier überall angeboten werden und genau die gleiche Form haben wie diese. Nur schimmert die Haut dann nicht mehr silbern, sondern ist braun und knusprig. Ich laufe einige Schritte weiter, überlege es mir dann aber anders und gehe wieder zu dem Stand zurück.

„Wie viel kostet ein Fisch?“ will ich wissen. „Das Kilo zwei Dollar“, bekomme ich zur Antwort. „Und wie viele Fische sind das dann?“ Anstelle einer Antwort greift sie ins Wasser, nimmt zwei der Tiere heraus und legt sie auf eine Waage.

Die Fische sind schon zu schwach um zu zappeln. Sie liegen einfach da. Der Zeiger der Wage wandert auf die Eins. Die Frau lächelt mich abwartend an. Aber ich kann den Blick nicht von den Fischen auf der Waage wenden und halte die Luft an, während ich warte, dass die Verkäuferin sie wieder zurück ins Wasser legt. Doch sie lacht mich nur an.

Als klar wird, dass sie die Fische nicht erlösen wird, gestikuliere ich, um ihr verständlich zu machen, dass die Fische doch ins Wasser zurück müssen. Die Frau braucht etwas um zu verstehen, schmeißt sie dann aber lachend in das Becken zurück. Erleichtert stelle ich fest, dass sie jetzt nicht mit dem Bauch nach oben schwimmen.

„Okay“, sage ich nach kurzem Überlegen „ich nehme einen.“ Die Verkäuferin nickt zufrieden, fischt einen heraus und läuft damit Richtung Tisch, auf dem eine Blutlache schwimmt und ein großes Messer liegt. „Nein, nein!“ rufe ich schnell. Sie bleibt verwirrt stehen und dreht sich zu mir um. „In einer Tüte!“ sage ich.

Sie runzelt die Stirn, holt aber unter dem Tisch eine Plastiktüte hervor, legt den Fisch hinein und drückt sie mir in die Hand. Ich erschrecke, schaue einen Moment ratlos den Fisch an, sehe wie sich da Plastik an die nassen Schuppen klebt und lege dann hastig die Tüte in das Becken, um das Tier ins Wasser zu lassen.

Inzwischen haben sich sämtliche Marktverkäufer um mich versammelt, die das Schauspiel verfolgen. Die Fischverkäuferin sieht mich ratlos an. „Eine Tüte mit Wasser!“ sage ich. Aber ich brauche eine größere Tüte, zeige ich ihr mit Zeichensprache. Es kommt Bewegung in die Schaulustigen. Alle kramen in ihren Rucksäcken und Taschen um zu sehen, ob sie vielleicht eine Plastiktüte dabei haben. Dann zieht einer eine große rosa Tüte hervor, füllt sie mit Wasser, legt den Fisch herein und übergibt sie mir belustigt grinsend.

Ich bezahle 10 000 Kip, umgerechnet einen Euro, und mache mich mit meiner Tüte unterm Arm Richtung Mekong auf. Alle Laoten lachen und eine alte Frau kommt schnell mit einem kleinen Käfig voller Vögel zu mir und will, dass ich die Tiere kaufe um sie ebenfalls frei zu lassen. Ich lehne ab, denn ich will schnell meinen Fisch zum Fluss bringen.

Sobald er dort mit dem braunen Flusswasser in Berührung kommt, vergisst er scheinbar, dass er eben noch halb tot im Wasser hing und flitzt davon. Ich freue mich für ihn.

Während ich noch da sitze und über den großen Fluss schaue, kommt ein Mann mit einem Fischernetz, stellt sich neben mich, wirft das Netz aus und hält kurz darauf einen Fisch in der Hand, den er in eine rosa Plastiktüte packt.

Ich rede mir ein, dass dieser Fisch kleiner ist als der, den ich gerade frei gelassen habe.

 
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