Franz Josef Schneider ist ein wandelndes Geschichtsbuch : Wer mit dem 72-Jährigen über den Hammelburger Friedhof schlendert, erfährt nicht nur viel über die Gräber und Denkmäler dort, sondern auch über Land und Leute, Stadtgeschichte und Friedhofswesen. Auf Wunsch des Obst- und Gartenbauvereins Hammelburg und in Zusammenarbeit mit der Friedhofsverwaltung der Stadt teilt er sein Wissen am Samstag, 23. September, bei einer Führung zum „Tag des Friedhofs “. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Vorplatz der Aussegnungshalle.
Franz Josef Schneider war ab 1964 zunächst ehrenamtlicher und von 1987 bis 2012 hauptamtlicher Küster der katholischen Pfarrgemeinde. „Ich habe mich schon als Küster für die Stadtgeschichte interessiert“, berichtet der 72-Jährige. Mittlerweile hat er an mehreren Büchern mitgearbeitet und sich ein Archiv von rund 30.000 Bildern und eingescannten Berichten aufgebaut. Unter anderem hat er eine Übersicht über die Bewohner sowie unterschiedlichen Hausnummern und Straßennamen von rund 400 Anwesen in der Altstadt ausgearbeitet.
Pestseuche machte neuen Friedhof nötig
Dabei sei er auch darauf gestoßen, dass es in Hammelburg mehrere Friedhöfe gab: Bereits im 5. Jahrhundert seien Gräber am Fuß des Hammelbergs angelegt worden, im Bereich der heutigen Weinberge am Rod. Später wurden die Toten rund um die Stadtpfarrkirche, im Kloster Altstadt und auf dem heutigen Viehmarkt beigesetzt. Zwei Pestseuchen hätten die Stadt gezwungen, 1543 einen neuen Friedhof außerhalb der Stadt anzulegen.
„Der Friedhof hatte ungefähr ein Viertel der heutigen Größe, war aber auch schnell zu klein“, berichtet Schneider. 1553 habe es eine weitere Pestseuche mit rund 1600 Toten gegeben, 1560 seien rund 900 Menschen an der Ruhr gestorben. Deshalb mussten wieder Leichen rund um die Stadtpfarrkirche beigesetzt werden. Detail am Rande: Als der Friedhof an der heutigen Stelle entstand, war Hammelburg protestantisch.
Die älteste Grabstelle ist ein Sandstein-Kreuz aus dem Jahr 1548, das an den bereits 1522 verstorbenen Ifo Zalzerei erinnert. Über einen Bürger dieses Namens hat Franz Josef Schneider in alten Matrikelbüchern allerdings nichts gefunden. Laut der Inschrift soll er angeblich 105 Jahre alt geworden sein, Franz Josef Schneider hält ein so hohes Alter allerdings für unmöglich.
Verbürgt ist dagegen, dass von 1872 bis 1875 die Friedhofskapelle mit Gruft gebaut wurde – damals noch außerhalb des Friedhofs , heute Mittelpunkt der Anlage. Als unwürdig hat laut Schneider der frühere Pfarrer Johannes Martin den Hammelburger Friedhof empfunden, unter anderem habe er sich an den vielen Thuja-Hecken und dem Durcheinander bei den Grabsteinen und -kreuzen gestört.
Pfarrer Martin brachte Struktur in die Anlage, unter anderem überredete er viele Familien, Bronze-Reliefe des aus Hammelburg stammenden Künstlers Kaspar Ruppert anzuschaffen. Bis heute gibt es auf dem Friedhof einen vollständig erhaltenen Kreuzweg und viele weitere Reliefe, die mit „KR“ gekennzeichnet sind. Wie in vielen anderen Bereichen der Stadt habe Pfarrer Martin sehr zur Aufwertung des Friedhofs beigetragen.
Erstes Urnenfeld im Jahr 2014
In seiner rund zweistündigen Führung geht Franz Josef Schäfer auch auf die jüngste Geschichte des Friedhofs ein: Unter anderem wurde im Sommer 2014 mit Hilfe des örtlichen Obst- und Gartenbauvereins ein erstes Urnenfeld angelegt. Weil einige Gräber aufgelassen wurden, gab es einen freien Platz dafür neben dem Friedhofskreuz. Rosen und ein geretteter Grabstein zieren die Stelle. In den vergangenen Jahren seien immer weitere Urnenfelder dazugekommen, darunter eines mit dem Motto „Weinberg, Gartenteich oder Naschgarten“. Das jüngste Urnenfeld im Süden des Friedhofs symbolisiert ein „Schiff der Hoffnung und des Friedens“.
Weitere Besonderheiten auf dem Hammelburger Friedhof sind ein Gartenteich, ein Insektenhotel, die „Eidechsenburg“ sowie jede Menge alte Grabplatten und Gedenksteine, etwa für die gefallenen Soldaten des Krieges 1866. Wer an der Führung teilnehmen will, wird gebeten, am Sportzentrum zu parken, weil es wegen des Michaelsmarktes keine näheren Stellplätze geben dürfte.
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