Ein Montag als letzter Arbeitstag - man könnte sich besseres vorstellen. Für Bibliotheks- und Kulturbüroleiter Jan Marberg passt das, fängt doch am Montag, 19. September, seine Nachfolgerin Dagmar Drescher offiziell an. So sieht man sich noch einmal zur finalen Übergabe - nicht nur der Aufgaben, sondern auch der Schlüssel.
Die Bibliothek im Alten Rathaus kennt Drescher schon. Sie absolvierte dort in den vergangenen Wochen ein Praktikum. Dass mit ihr eine Diplom-Bibliothekarin kommt, findet Marberg optimal. Wäre es jemand aus dem Kulturbereich oder Archivwesen gewesen, hätte Marberg Schulungsbedarf gesehen. Mit 22 Öffnungsstunden pro Woche spielt die Bücherei doch eine Hauptrolle.
Als der gebürtige Rheinländer vor fünf Jahren nach Bad Brückenau kam, sagte ihm sein Vorgänger Dieter Sternecker: "Aus dieser Bibliothek kann man etwas machen." Das tat Marberg. Oder besser: Er und sein Team. Sie machten etwas aus der Einrichtung, die im Alten Rathaus zwar zentral liegt, aber dort wegen der Enge nicht gut aufgehoben ist.
Unter ihnen konnten die Nutzer bald nicht nur Bücher und Zeitschriften, sondern audiovisuelle Medien wie Hörspiel-CDs oder Konsolenspiele ausleihen. "Wir haben viel Neues ausprobiert, wollten es dem Bürger nahebringen." Ein Trend seit ein paar Jahren: "Tonis" - Figuren, die man auf eine Hörspielbox stellt und die dann Tondateien abspielen - der Renner bei Vier- bis Neunjährigen. Natürlich hat Marberg ein paar da.
"Diese Angebotserweiterung wurde durchweg positiv aufgenommen", spiegelt der scheidende Leiter Nutzerreaktionen. Aber nicht nur das. Auch der Ausleih- und Leseraum wurde mit Plakaten aus der Buch- und Filmwelt aufgewertet. Mit der Zunahme digitaler Medien siebte das Bibliotheksteam den Bestand an Sachbüchern aus - auch weil die nicht mehr so nachgefragt werden.
Von 199 auf 550 aktive Nutzer
Der Lohn der Mühen lässt sich in Zahlen abrechnen: Im ersten Jahr nach seiner Übernahme 2017 zählte Marberg gerade einmal 199 Nutzer, die pro Dekade wirklich etwas ausliehen. Ein Wert, den sogar kleinere Dorfbüchereien übertreffen. Mittlerweile sind es 550 aktive Nutzer, auch, weil inzwischen im Römershager Schulzentrum eine Zweigstelle besteht.
Auf dem Weg dorthin begriff Jan Marberg: Um die Bücherei wieder mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, musste er "aus mir selbst eine öffentliche Person machen". Vorher war er eher einer, der im Hintergrund schaffte, auf Fotos nicht so präsent war. In einer so kleinen Bücherei wie der Bad Brückenauer undenkbar. Deswegen stieß der 34-Jährige sich selbst ins kalte Wasser, promotete mit seinem Gesicht Bücher. "Dieses Vehikel ist wichtig, dann ist mehr Wärme und Neugier da."
Irgendwann seien es so viele Bilder und Berichte gewesen, dass es schon wieder egal war. Auch in drei sozialen Netzwerken macht die Stadt-Bibo auf sich aufmerksam.
800 bis 1000 aktive Nutzer hatte sich Marberg als Ziel gesetzt. Er wünscht seiner Nachfolgerin Drescher, dass sie es erreicht. "Die Bibliothek besitzt Reputation in der Bevölkerung. Das sollte man ausbauen. Sie sollte im Stadtkonzept einen festen Punkt finden."
Das dringlichste Begehr seiner Amtszeit blieb unerfüllt: ein besserer Standort mit mehr Platz und Aufenthaltsqualität. "Das war meine größte Niederlage", gibt Marberg zu. Zwar habe es kleine, hoffnungsvolle Schritte gegeben: der Besuch der hochmodernen Bibliothek in Marktheidenfeld 2018, das Ins-Spielkommen des früheren Modehauses Fläschner in der Ludwigstraße wenig später. Doch letztlich habe nichts geklappt.
Marberg geht noch weiter: "Momentan ist ein neuer Standort für die Stadtbücherei auf der Agenda nicht präsent." Was er verstehen kann bei großen Aufgaben wie dem Teilneubau der Sinnflut und der Konsolidierung der städtischen Finanzen. Aber der scheidende Leiter sagt auch, man müsse innovativ sein und mit der Zeit gehen, weil eine Bibliothek sonst ihren gesellschaftlichen Wert verliere.
Marberg führte nicht nur Bücherei und Archiv, sondern organisierte als Kulturbüroleiter diverse Veranstaltungen, wie den Mittelaltermarkt, sowie die Volkshochschule. Intensiv überlegte er, wie der Valentin-Becker-Preis auf eine höhere Ebene gehoben werden kann. Besitze der doch nationale Tragweite, mit dem besten, was im mittleren Chorbereich zu finden sei. Immerhin kam ein neues Preislogo heraus.
Aber auch die Partnerschaftstreffen waren dem 34-Jährigen wichtig, "um Grenzen zu überwinden oder gar nicht erst zuzulassen". Diese Botschaft trug auch das Benefizkonzert für die Ukrainehilfe vom Juni.
Neue Aufgabe in Oberbayern
Sein Engagement und Wissen nimmt Jan Marberg nun nach Weilheim in Oberbayern mit, von der Einwohnerzahl her vergleichbar mit Bad Kissingen (rund 21 500). Dort wird er "nur" für die etwas größere Bibliothek mit mehr Mitarbeiterinnen zuständig sein. Ein Vorteil, weil er nur ein Aufgabenfeld abdecken muss.
Seinen Stil will er in Weilheim grundsätzlich weiterpflegen, Erfahrungen aus Bad Brückenau einfließen lassen. Und er hofft, dass die Stadtbibliothek doch noch einen ihr gebührenden Standort findet.