
Als „Patton Raid“ oder Unternehmen Hammelburg ist eine missglückte Befreiungsaktion der US Army bekannt, welche vom 26. bis 28. März 1945 stattfand. Diese geheime Mission hatte zum Ziel, US-amerikanische Kriegsgefangene durch ein Sonderkommando der US Army aus dem Kriegsgefangenenlager Hammelburg zu befreien, die sich dort in deutschem Gewahrsam befanden. Der Bund der Deutschen Infanterie e.V. führte eine militärhistorische Weiterbildung durch und besuchte unter anderem die Schauplätze dieses Ereignisses rund um Hammelburg .
Brigadegeneral Michel Matz, General der Infanterie und Kommandeur der Infanterieschule, begrüßte die Teilnehmer und stellte den Referenten des Tages, Oberstleutnant Mario Cremer, vor. Der Präsident des Bundes der Deutschen Infanterie (BDInf), Generalmajor a.D. Dr. Josef Blotz, hieß alle Gäste willkommen. Die militärhistorische Weiterbildung sei ein Teil des Fortbildungsprogramms des BDInf. Thema der diesjährigen Weiterbildung sei der für Hammelburg bedeutende sogenannte „Patton Raid“. Nach der Begrüßung übernahm dann Oberstleutnant Cremer, der allen Zuhörern zunächst eine historische Einordnung gab und anschließend einen Vortrag über den Verlauf des Patton Raids hielt.
Die Task Force Baum
Als „Patton Raid“ wird ein missglückter Versuch der US Army zur Befreiung amerikanischer Kriegsgefangener in der Endphase des 2. Weltkrieges bezeichnet. General George S. Patton war Oberbefehlshaber der 3. US Armee, die am 22. bis 23. März 1945 bei Oppenheim den Rhein überquert hatte und weiter über Darmstadt nach Aschaffenburg vorstieß.Am Tag der Rheinüberquerung erhielt Patton eine Meldung, dass sein Schwiegersohn Lieutenant-Colonel John K. Waters, welcher sich seit 1943 in deutscher Kriegsgefangenschaft befand, zusammen mit anderen US-Kriegsgefangenen nach Hammelburg verlegt worden war.

Um diesen zu befreien, gab Patton den Befehl, eine Kampfgruppe (Task Force) nach Hammelburg zu schicken, die dortigen US-Kriegsgefangenen zu befreien und diese zur eigenen Truppe zurückzuführen. Aus Briefen geht aber hervor, dass seine Hauptabsicht darin lag, seinen Schwiegersohn zu retten. Die Task Force wurde von dem 23-jährigen Captain Abraham J. Baum geführt und nach diesem benannt (Task Force Baum). Sie sollte auf sich alleine gestellt in einem Zeitraum von 72 Stunden von der Frontlinie bei Aschaffenburg durch 85 Kilometer feindbesetztes Gebiet bis nach Hammelburg vorstoßen, die dort angenommenen 300 US-Kriegsgefangenen befreien und wieder zur eigenen Truppe zurückkehren. Die Task Force Baum bestand aus 313 Soldaten und 53 Fahrzeugen, darunter 10 Kampfpanzer vom Typ Sherman.
Von Anfang an gab es Verzögerungen
Da ein Kampfverband der 14. US Panzerdivision, der für die Task Force Baum eine Bresche in die deutschen Linien schlagen sollte, kurz nach Beginn der Operation in Schweinheim auf deutschen Widerstand gestoßen war, war es schon von Anfang an zu Verzögerungen gekommen, was zur Folge hatte, dass die Task Force Baum ihren Zeitplan nicht halten konnte. Nach Überwinden der deutschen Linien führte ihr Weg die Task Force durch die Ortschaft Laufach, wo sie ihre ersten beiden Panzerfahrzeuge verlor. Nach kurzen Gefechten mit deutschen Panzerjagdkommandos setzte die Task Force ihren Weg fort und erreichte im Morgengrauen die Stadt Lohr am Main . Hier fragte in der noch herrschenden Dunkelheit ein deutsch sprechender Amerikaner der Task Force einen Angehörigen des Volkssturms, wo es nach Gemünden gehe. Der Mann ahnte nicht, dass er es mit amerikanischen Truppen zu tun hatte und wies ihnen nichts ahnend den Weg.
Brücke gesprengt
In Gemünden angekommen, gab es für Captain Baums Männer nur die Möglichkeit, die beiden dortigen Brücken über die Saale zu nutzen. Die eine war allerdings gesperrt und die andere zur Sprengung vorbereitet. Beim Versuch, die Straßenbrücke zu überqueren, sprengte der deutsche Oberfeldwebel Eugen Zöller die Brücke im richtigen Moment und trennte so eine Gruppe Infanteristen von ihren Panzern. Neben diesen Infanteristen, die allesamt in Gefangenschaft gerieten, verloren die US-Soldaten in den engen Straßen von Gemünden durch Panzerfaustbeschuss aus den Gebäuden noch drei Kampfpanzer.

Der weitere Vormarsch auf der geplanten Route war durch die Sprengung der Brücke unmöglich geworden. Weitaus gravierender als der Verlust der Fahrzeuge war eine in einem dieser Fahrzeuge erbeutete Karte, durch die die Deutschen nun über das Ziel der US-Truppen informiert waren und sich in Hammelburg auf sie vorbereiten konnten.
Weiter Umweg
Da die Task Force Baum den geplanten Weg nicht mehr nutzen konnte, war sie gezwungen, einen weiten Umweg zu nehmen, auf dem sie einige deutsche Zivilpersonen und Soldaten gefangen nahm, die ihnen den Weg weisen mussten. Als die Task Force endlich Hammelburg erreicht hatte, kam es zu einem harten Gefecht mit 10 deutschen Jagdpanzern vom Typ „Hetzer“. Die US-Soldaten schafften es trotz des präzisen Beschusses, das Kriegsgefangenenlager zu erreichen und dort nach weiteren kleineren Gefechten in das Lager einzudringen. Es gelang auch zunächst, die amerikanischen Kriegsgefangenen zu befreien.
1500 Kriegsgefangene
Weil aber die Anzahl der US-Kriegsgefangenen weitaus höher war, als angenommen (nämlich ca. 1500) und die Verluste der Task Force Baum zu der Erkenntnis zwangen, dass ein erfolgreicher Abschluss der Operation Hammelburg nicht mehr möglich war, beschlossen die Amerikaner zusammen mit Vertretern der Kriegsgefangenen mit der deutschen Seite zu verhandeln. Der Schwiegersohn von General Patton wurde bei diesen Verhandlungen verwundet, weswegen er nicht aus der Gefangenschaft befreit werden konnte.

Durch das konzentrische Zusammenziehen aller im Raum Schweinfurt – Würzburg verfügbaren deutschen Kräfte zog sich der Einschließungsring um den Truppenübungsplatz und das Kriegsgefangenenlager Hammelburg immer mehr zu, wodurch fast alle Wege Richtung amerikanischer Front blockiert waren. Verzweifelt versuchten die Reste der Task Force Baum – nun-mehr personell stark angewachsen durch die Mitnahme zahlreicher Kriegsgefangener – über den Truppenübungsplatz Hammelburg nach Westen in Richtung der eigenen Truppen zu entkommen, die aber immer noch rund 60 Kilometer entfernt standen. Bei der Ortschaft Hundsfeld und später bei Heßdorf und Höllrich wurden sie in weitere Gefechte verwickelt, wobei sie wiederum Menschen und Material verloren. Schließlich sammelten sich die erschöpften und übermüdeten zerschlagenen Reste der Task Force ein letztes Mal beim Hof Reußenberg inmitten des Truppenübungsplatzes, wo sie wenige Stunden später durch einen konzentrierten Angriff deutscher Infanterie mit Panzerunterstützung zerschlagen wurden und in Kriegsgefangenschaft gerieten. Dies markierte das Ende des Unternehmens Hammelburg und der Task Force Baum.
Traurige Bilanz
26 US-Soldaten hatten das Unternehmen mit ihrem Leben bezahlt, 34 wurden verwundet, 250 gerieten in Gefangenschaft. Nur 4 von ihnen entkamen. Alle Fahrzeuge der Task Force Baum waren vernichtet oder von Deutschen erbeutet worden. Es hatte 40 Tote auf deutscher Seite gegeben, davon 24 Zivilpersonen. Neun Tage später war das Kriegsgefangenenlager im Zuge des amerikanischen Vormarsches durch Bayern endgültig befreit worden – diesmal ohne Blutvergießen.