Seit weit mehr als 40 Jahren steht Heinz Stempfle an der Spitze des Bad Kissinger Kur- und Fremdenverkehrsvereins – jetzt trägt er ihn zu Grabe. Im Juni wird der einst für den hiesigen Tourismus so wichtige Zusammenschluss aufgelöst. „Wir können nichts mehr machen. Es ist eine Schande, ihn jetzt beerdigen zu müssen“, sagt der Kissinger Hotelier (Westpark Hotel).
Doch der Reihe nach: Ins Leben gerufen wurde der Kur- und Fremdenverkehrsverein im Jahr 1895, in einer Zeit, als der europäische Hochadel, die Mächtigen und Reichen noch regelmäßig zur Kur in das Weltbad an der fränkischen Saale kamen. „Zur Gründung damals waren es 120 Mitglieder“, weiß Stempfle. Die Kurhalter, also vor allem die Eigentümer von den Hotels und Sanatorien , gründeten den Verein, um ihre Interessen zu vertreten und um das Kurwesen und den Tourismus zu fördern. Heute würde man sagen, es ging dem Verein darum den Standort zu vermarkten, darum den Kurhäusern volle Betten zu bescheren und der Stadt und der staatlichen Kurverwaltung dabei zu helfen, die notwendige Gästeinfrastruktur zu schaffen. „Das haben wir immer gemacht“, betont Stempfle.
Eisenbahn veränderte das Reisen
Im Stadtarchiv findet sich die Einladung zur Gründung des Vereins. Es wird darauf eingegangen, dass der sich verbreitende Zugverkehr angenehmes, schnelles Reisen ermöglicht. Dies und neue Kommunikationsmöglichkeiten hätten die „innewohnende Reiselust der Menschen“ entfacht. Es wurde ein Reiseverkehr hervorgerufen, „der weit über alles frühere Ermessen geht“. Bad Kissingen profitiere jedoch nicht genug von diesem neuen Wirtschaftszweig, der sich da so lukrativ entwickelt. Um das zu ändern, um Bad Kissingen bekannter zu machen und die Kur- und Fremdenverkehrsindustrie zu heben, wurde der Verein aus der Taufe gehoben.
Seine öffentlichen Aufgaben hat der Verein über viele Jahrzehnte mit der Stadt und der Kurverwaltung wahrgenommen – nicht immer spannungsfrei, aber erfolgreich, berichtet Stempfle. „In der Kurverwaltung gab es einen Verkehrsdirektor, der an den Verein abgeordnet war. Durch die Konstellation gab es öfter Streitereien zwischen Verein und Kurverwaltung“, erzählt der langjährige Vorsitzende.
Niedergang des Kurvereins
Für den Niedergang des Vereins sind im wesentlichen zwei große Entwicklungen ab Ende der 1990er Jahre verantwortlich. Von den einst 120 Mitgliedern waren jetzt zur Auflösung nur noch zwölf übrig. „Das waren alles eigentümergeführte Häuser. Davon gibt es heute kaum noch welche“, sagt er. Die Abschaffung der Kur als Kassenleistung und die dadurch ausgelöste Kurkrise führte dazu, dass viele Häuser schließen mussten. Hinzu kam, dass sich viele Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe im Lauf der Jahre vor allem im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) organisierten und den deutlich kleineren Kurverein nicht mehr benötigten. Dadurch verlor der Verein nicht nur Mitglieder, sondern auch Finanzkraft und Einfluss.
Zweiter Grund war die Privatisierung der staatlichen Kurverwaltung. Diese wurde in die Staatsbad Bad Kissingen GmbH umgewandelt und übernahm fortan auch all die Funktionen, die vorher der Verein verantwortet hat. „Die öffentlichen Aufgaben sind weggefallen. Dadurch ist der Kurverein in der Bedeutungslosigkeit versunken“, erklärt Stempfle.
In den vergangenen Jahren war der Verein nicht mehr groß öffentlich aktiv. Bei den letzten Vorstandswahlen fanden sich bereits keine Ehrenamtlichen mehr. Seitdem führen Heinz Stempfle und Hans Markwalder (Hotel Sonnenhügel) den Kurverein kommissarisch. Nun wird er abgewickelt, ein Stück Kurgeschichte endet. Das Vereinsvermögen von etwas mehr als 30.000 Euro geht an den Förderverein des Rakoczy-Festes. Das Geld ist an die Bedingung geknüpft, davon neue Kutschen für den historischen Festzug anzuschaffen oder Reparaturen an den Kutschen zu bezahlen. „Uns war wichtig, dass das Geld für den Tourismus bestimmt ist“, sagt Stempfle. Die letzte Tat des Kurvereins nach 128 Jahren.
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