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Bad Kissingen
Der Allmächtige lauert überall
Schüler des Oberstufentheaters am Jack-Steinberger-Gymnasium führten Horváths Roman "Jugend ohne Gott" auf .
In irgendeiner beklemmenden Form erscheinen die Buchstaben von Gott immer wieder auf dem Bühnenbild.  Foto: Björn Hein       -  In irgendeiner beklemmenden Form erscheinen die Buchstaben von Gott immer wieder auf dem Bühnenbild.  Foto: Björn Hein
| In irgendeiner beklemmenden Form erscheinen die Buchstaben von Gott immer wieder auf dem Bühnenbild. Foto: Björn Hein
Björn Hein
 |  aktualisiert: 19.08.2022 14:55 Uhr
Er feiert nicht nur heuer seinen 80. Geburtstag, er ist auch bis zum heutigen Tage brisant: Der Roman "Jugend ohne Gott" des österreich-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth aus dem Jahr 1937 ist ein Klassiker, der im Literaturkanon der Schulen verankert ist. Die Theatergruppe der Oberstufe des Jack-Steinberger-Gymnasiums brachte nun das Stück auf die Bühne.

Dabei verstanden es die Jugendlichen unter der Leitung von Ulrike Weilbach, das literarische Vorbild, das im Dritten Reich spielt, in die heutige Zeit zu transformieren. Dabei wurden aktuelle Zeitfragen gestellt, wie Vertreibung, Flucht, oder Integration.


Gründlich aktualisiert

"Die Idee, mit Horváths Roman in seiner Bühnenfassung von Klaus Goehrke zu arbeiten, kam von Michael Bomblies. Als Leiterin bestand ich darauf, diese Vorlage gemeinsam gründlich zu bearbeiten und zu aktualisieren, so dass unser eigener Text entstehen konnte", erklärt Ulrike Weilbach. So wurde aus der Schule des literarischen Vorbilds ein Rugbyclub, aus dem HJ-Zeltlager mit Feldwebel das Trainingscamp zum Braveheartbattle mit Masterchief und aus dem Lehrer ein Trainer.

Das setzten die jungen Leute auf der Bühne hervorragend um. Auch das spartanische Bühnenbild trug mit dazu bei, eine beklemmende Dystopie, also ein zukunftspessimistisches Szenario zu erschaffen.

Das erlebte der Zuschauer schon vor Beginn der eigentlichen Aufführung. Denn während sich die Besucher in der Aula noch unterhielten, nahmen still und leise die Schauspieler ihre Plätze auf der Bühne ein und musterten die Zuschauer kalt. Wie hätte man eine Schlüsselaussage der literarischen Vorlage besser beschreiben können, die da lautet: "Es kommen kalte Zeiten. Die Erde dreht sich in das Zeichen der Fische hinein. Da wird die Seele des Menschen unbeweglich wie das Antlitz der Fische."


Gnadenlos aggressiv

Als dann der Trainer (hervorragend gespielt von Michael Bomblies) die Bühne betrat, begann das simulierte Rugby-Training. Während die Musikanlage das "Smells like teen spirit" von Nirvana hämmernd einspielte, hörte man das "Here we are now, entertain us" einer desillusionierten, nihilistischen Jugend.

Eine aggressive und gnadenlose Stimmung prägte das Rugbytraining, jeder spielte gegen jeden. Das setzte sich im gesamten Stück fort. Als sich der "Trainer" für Toleranz gegenüber Ausländern einsetzte, stieß er auf eine Mauer der Ablehnung, die in dem Versuch gipfelte, den Trainer loszuwerden.

Herr Nix (Emmanuel Löffler), der Hauptsponsor des Vereins, beschwerte sich darüber, dass er seinen Sohn beleidigt und als Ausländer bezeichnet habe, indem er sagte, dass alle Menschen Ausländer sind. Nix kündigte Konsequenzen an, der Vorstand des Vereins (Laura Schutzmeier), stellt sich jedoch hinter den Trainer. "Was in unserem Verein zählt ist die Mannschaft, nicht der einzelne", so der Vorstand. In diesen Worten schien die "Du bis nichts, Dein Volk ist alles"-Propaganda des Dritten Reiches durch, das schon in der literarischen Vorlage kritisiert wurde.

Überhaupt haben die Protagonisten des Stücks nur wenig individuelle Züge, es sollen vielmehr Charaktere dargestellt werden , was den Schauspielern auch sehr gut gelang.

Das HJ-Zeltlager des Romans wurde im Theaterstück zum Braveheart-Battle-Training, der Masterchief trainierte die Jugend gnadenlos und forderte eiserne Disziplin ein. Für ihn selbst gilt das allerdings nicht, er trinkt hin und wieder ganz gerne.


Kalte Vernunft gegen Gewissen

Sehr gut umgesetzt wurden auch die inneren Monologe, von denen sich der Trainer (Michael Bomblies) hin- und her gerissen fühlt. Linda Hümmer agierte als Stimme der kalten Vernunft, wohingegen Shamsher Sahin das Gewissen des Protagonisten darstellte.

"Gott" taucht in dem Stück ständig auf, wenn auch nur fragmentarisch in einzelnen Buchstaben. So kann man diesen ominösen Gott zwar nie sehen, seine Buchstaben deuten aber eine Allmacht an, die bedrohlich wirkt. Einmal bilden die beiden ersten Buchstaben das "GO" beim Training, dann ist das t wieder einmal wie ein Kreuz aufgerichtet, als ein Schüler stirbt. Als im Braveheart-Battle-Lager dann ein Mord geschieht und der vermeintliche Täter zur Rechenschaft gezogen wird, bilden die Buchstaben G und O die Waage der Justitia, die unheilvoll über dem Angeklagten schwebt. Auch wenn der Mörder am Ende sich selbst richtet - wirkliche Gerechtigkeit ist in dieser düsteren Dystopie nicht zu erwarten.

Die Theatergruppe ging unglaublich ins Detail. Auch die schauspielerische Leistung überzeugte. Allen voran Michael Bomblies, der den Trainer unglaublich gut verkörperte. Ebenso Emmanuel Löffler, dem man die Figur des halb wahnsinnigen Vaters abnahm, der ohnmächtig brüllend Vergeltung forderte.
Es war ein Wagnis, dieses Stück auf die Bühne zu bringen. Aber es hatte sich gelohnt.
 
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