
Matthias ist inzwischen schon ein halber Experte in Sachen Depression - viele Stunden hat er im Internet recherchiert, diverse Bücher zum Thema gelesen, seit seine damalige Ehefrau an Depressionen erkrankte. "Am Anfang unserer Beziehung war mir die Krankheit nicht als schwerwiegendes Problem bewusst. Ich wusste nicht, wie sie sich äußert und welche Verhaltensweisen meiner Frau darauf zurückzuführen sind", berichtet Matthias. Noch heute falle es ihm schwer, zwischen der Krankheit und einer normalen launischen Phase zu unterscheiden.
Wochenlanges Streitthema
2018 hat sich die Krankheit zum ersten Mal deutlich bemerkbar gemacht, das war ein halbes Jahr nach der Hochzeit. Vermeintlich kleine Missverständnisse sind ausgeufert und wurden von seiner Partnerin oft wochenlang zum Streitthema gemacht: "Da reichte es schon, wenn das Abendessen nicht um sechs Uhr wie vereinbart auf dem Tisch stand, sondern erst um halb sieben. Da habe ich gemerkt, da stimmt was nicht", erzählt der 46-Jährige. Hinzu kamen extremer Pessimismus, Hoffnungslosigkeit und viele Anschuldigungen. "Ich wusste nicht, wie ich sie aus dem negativen Denken herausholen sollte - da kommt man sich einfach nur hilflos vor", beschreibt er seine Lage, "und ich habe mich dann auch irgendwann schlecht gefühlt."
Verantwortlich gefühlt
Zu einer Therapie ließ sich seine Frau - selbst Medizinerin - nur schwer bewegen. Ein paar therapeutische Gespräche konnte er aber gemeinsam mit ihr führen. "Das Schwierige ist, dass man immer Angst hat, dass man irgendwas falsch macht und dann verantwortlich ist für eine Depressionsphase", so der Bad Kissinger. 2020, kurz nach dem Beginn der Pandemie, musste er dann die gemeinsame Wohnung verlassen. Dann war auch er in einem emotionalen Loch, hatte jede Lust und Motivation für Job, Freunde und Hobbys verloren. Kurz danach reichte seine Frau die Scheidung ein, ohne jede Vorwarnung. Trotzdem hat Matthias immer wieder versucht, den Kontakt zu ihr aufzunehmen, zunächst vergeblich.
Rauf und runter
Ein Jahr später hat seine Frau von selbst das Gespräch mit ihm gesucht und war bereit für eine Therapie: "Seitdem geht es rauf und runter, aber allgemein hat es sich schon durch die Therapie verbessert", beschreibt er die Entwicklung. "Ich habe gelernt, viel Geduld zu haben und nicht alles persönlich zu nehmen." Aber es gebe immer wieder Rückschläge, die frustrieren.
Geholfen hat Matthias in dieser schweren Lebensphase, sich viel Wissen über die Krankheit anzulesen: "Ich finde, als Angehöriger habe ich auch eine Verantwortung, mich kundig zu machen und mich an die Ratschläge der Experten zu halten." Dabei habe er auch gelernt, Grenzen zu ziehen und der Erkrankten nicht alles zu erlauben. Außerdem tue ihm der Austausch mit Familie und Freunden gut, das sei sein Ventil. Ablenkung mit Freunden und Hobbys, die nichts mit der Partnerin zu tun haben, helfen ebenso: "Die Aussage der Therapeutin , dass nicht ich das Problem bin, hat auch geholfen."
Matthias versucht immer wieder, die Hand zu seiner Ex-Frau auszustrecken und hofft, dass es irgendwann wieder besser wird: "Das Schlimmste wäre doch, wenn man die Person, die man sehr lieb hat, alleine lässt. Dann sieht man es eher als eine gemeinsame Last.