
130 Männer aus der Pfarrei Steinach starben im Zweiten Weltkrieg auswärts im Kampf, davon blieben 29 vermisst. Den tapferen Soldaten setzte man 1946 in Steinach ein Denkmal: Pfarrer Johannes Schilling scharte die Kriegsheimkehrer um sich, um am Berg über Steinach eine Kapelle zu errichten. Damals wurden 99 Scheingräber angelegt. Doch wer waren diese Menschen? Altbürgermeister Helmut Schuck gab 103 der 130 Gefallenen nun wieder ein Gesicht. In mühevoller Kleinarbeit trug er die Bilder der Männer für sein Buch „Wir werden euch nie vergessen“ zusammen.
Schon immer, wenn er andernorts in den Gaststätten Bilder von Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg hängen sah, wirkte das in ihm nach, erzählt Schuck. Vielleicht umso mehr, weil das Kriegsgeschehen gerade in Steinach eine schwerwiegende Bedeutung hat: Im April 1945 lieferten sich deutsche und amerikanische Einheiten einen verheerenden Kampf im Ort.
Steinach wurde damals zu 75 Prozent zerstört. Von den 152 betroffenen Anwesen waren 62 Häuser und 83 Nebengebäude niedergebrannt. 296 Einwohner waren obdachlos geworden. Von 784 Steinachern waren 85 tot oder vermisst. Die Pfarrei Steinach (mit Roth, Nickersfelden und Hohn) hatte nach drei Kampftagen 141 Tote zu beklagen.
Das Leid muss groß gewesen sein. Hinzu kam in vielen Familien der Schmerz über weitere Verluste, denn viele Steinacher waren ja andernorts gefallen. Die meisten dieser Soldaten waren um die 25 Jahre alt, als sie ihr Leben ließen. Zum Beispiel Reinhard Kirchner, 22, ledig, gefallen 1945 in Italien. Oder Erhard Nöth, 25, der 1939 in Polen starb. Richard Stühler kam 1941 im Alter von 25 Jahren in Russland ums Leben und Josef Stühler wurde nur 21 Jahre alt. Er starb 1944 irgendwo auf dem Balkan.
Aus der Anonymität geholt
Viele der Gefallenen waren verheiratet, hatten mehrere Kinder, die sie nie wiedersahen: Da war Ludwig Schmitt aus Hohn, der 1944 bei einem Bombenangriff in der Steiermark ums Leben kam oder Wilhelm Schäfer aus Steinach, der erst ganz kurz vor Kriegsende, im März 1945, in Frankfurt an der Oder fiel.
Unter ihnen waren Schützen wie der 20-jährige Richard Hartmann (gestorben 1943), Reiter wie Georg Reuß, der 1938 im österreichischen Pölten ums Leben kam, und Kanoniere wie der 19-jährige Erich Alles aus Steinach (gestorben 1944 in Petrikovo/Ukraine). Matrosen waren dabei wie der 25-jährige Adolf Schmitt, der 1945 den Seemannstod in der Ostsee fand und Flak-Soldaten wie Rudi Schmitt, der mit 19 Jahren 1945 im Saarland nach einer schweren Verwundung starb.
Wer diese Namen nicht kennt, für den bleiben die Menschen dahinter zunächst anonym. Aber wenn man dann in Schucks Dokumentation die Gesichter dieser jungen Männer vor sich sieht, entspinnen sich im Kopf urplötzlich ganze Lebensgeschichten. Wie schwer mag das damals gewesen sein, einen 19-Jährigen, der doch eigentlich sein ganzes Leben noch vor sich hat, in den Krieg ziehen zu lassen, denkt man.
Wie brachte das damals eine Mutter ihren Kindern bei, dass der Papa nie wiederkommt? Und man zermartert sich das Hirn, wie es für einen selbst wäre, wenn ein Sohn, ein Ehemann, ein Vater als vermisst gemeldet würden und man bis heute nicht mal wüsste, wo und wie der Betreffende zu Tode kam. Vermisst blieben damals knapp 29 Soldaten aus der Pfarrei. 20 Bilder förderte Schuck nach eifrigen Recherchen bei Verwandten und Nachbarn der Verschollenen schließlich zu Tage.
Ruhelos nach Bildern gesucht
Eifrig und ruhelos hat Schuck das alles zusammengetragen und zu einem wertvollen historischen Dokument aufbereitet. Auch einzelne Personen, die während der Kriegsereignisse in Steinach im April 1945 ums Leben kamen, würdigte Schuck in seinem interessanten Dossier.
Jahrelang hatte er dieses Projekt schon im Hinterkopf, ein Jahr lang hat er jetzt an diesem Buch gearbeitet. Zuvor war er in zahlreichen Häusern der Pfarrei unterwegs, führte lange Gespräche, wälzte mit den Angehörigen und Freunden Fotoalben oder sah Sterbebilder durch. Und schließlich ging's an den Computer und er stellte in minutiöser Feinstarbeit zusammen, was er eine „Herzensangelegenheit“ nennt.
Info: Am Samstag, 6. April, stellt Schuck sein Buch im Gasthaus Adler & Post öffentlich vor. Beginn 15 Uhr.