Wie vor ein paar Wochen im Felsenkeller der Musikakademie. Da verwandelte sich Nicole Brandler in La Carmencita, zog ihr rot-weißes Figur betonendes Tupfenkleid an, stülpte die mit Nägeln bestückten roten Riemchenschuhe über ihre Füße, klackerte auf der Bühne und zog das Publikum in Bann. Und das, obwohl ihr ein paar Stunden vorher ein Bügeleisen auf den großen Zehen gefallen war. „Job ist Job, da musste ich durch.“ Sie streckt den Fuß nach vorne und zeigt auf den Zehennagel, der immer noch nicht ganz verheilt ist.
Flamenco puro nennen sich Nicole Brandler, der spanische Sänger Chiquilíu de Cordoba und Gitarrist Stefan Oberauer. Seit vier Jahren gibt es das Trio. Drei bis vier Auftritte haben sie pro Jahr. „Zum Üben treffen wir uns in Würzburg“, sagt Brandler – und dass man gut aufeinander hören muss beim Flamencotanzen.
Die Texte der Lieder sind meist philosophischer Natur, handeln von Armut, Hunger, Schmerzen, Liebeskummer und Eifersucht. „Oder von ganz banalen Alltagsbeschreibungen, beispielsweise wie eine Frau bügelt“, schmunzelt Brandler. „Der Sänger unterstützt den Tänzer und umgekehrt.“ Die Faszination Rhythmus erzeugt der Gitarrist mit ständigen Wechselrhythmen innerhalb eines Stücks. Nicole Brandler hebt die Hände, klatscht den Vierer-, Fünfer- und 12er-Rhythmus. Stolz ist dabei ihre Körperhaltung, akkurat die Handhaltung, konzentriert der Blick.
Flamencokurs in München
Die Leidenschaft zum Flamenco entfachte eine Münchner Freundin in ihr, Anfang der 1990er Jahre: „Sie schleppte mich zu einem Workshop mit.“ Einen Flamencokurs nach dem anderen absolvierte die 43-Jährige dann in einem Münchner Tanzstudio, bevor sie 1994 nach Untererthal zurückkehrte. Hier schloss sie sich erst einer Stepptanz-Gruppe an, bevor sie zur Halbspanierin Manuela de Cartuja ins Würzburger Taphouse wechselte. Nach fünf Jahren löste sich der Flamencokurs auf und Brandler buchte im spanischen Jerez einen Kurs für Fortgeschrittene. „Da war ich sprachlich und technisch total überfordert“, erinnert sie sich lachend.
Eine in Sevilla lebende Freundin vermittelte sie an eine Privatlehrerin. Brandler besucht sie alle zwei Jahre, um die Technik zu perfektionieren. „Armhaltung, Rückenspannung, Beinarbeit – es gibt kein Körperteil, der beim Flamencotanzen nicht beansprucht wird“, erklärt sie. Die meist rotfarbenen Kostüme für die Auftritte näht sich die Schneidermeisterin und Schnittdirektrice selbst. Bata de cola heißt das festliche Kostüm mit dem langen Schleppenrock. „Es passt zu traurigen Tänzen wie Siguiriya oder Martinete.“ Den knallroten Hosenanzug trägt sie beim Farruca, wenn sie einen Männertanz nachahmt. Bei fröhlichen Tänzen wie Algeria, Tangas oder Buleria sind Tupfenkleider oder Rüschenröcke ein Muss.
Vor kurzem war Brandler mit einer Gruppe auf einer Andalusienreise. In Granada stand der Besuch einer Flamenco-Höhle an. Natürlich wählte der für Touristen tanzende Flamencotänzer sie aus der vielköpfigen Gruppe als Tanzpartnerin aus. „Wahrscheinlich, weil ich ein wenig mitgeklatscht und die Füße bewegt habe“, mutmaßt sie. Vermutlich aber hat er einfach die Flamencotänzerin erkannt, die in Nicole Brandler wohnt.