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BAD BRÜCKENAU
David Schuster: Sein Ziel war es, nicht aufzugeben
Die Sonne scheint und taucht den jüdischen Friedhof Würzburg in ein warmes Licht. Aron Schuster legt ein paar Kieselsteine auf das Grab seines Großvaters. Das ist ein jüdischer Brauch, der die Ewigkeit symbolisiert, erklärt er.
Aron Schuster am Grab seines Großvaters: David Schuster wurde in Bad Brückenau geboren. Im Dritten Reich musste die jüdische Familie nach Haifa im heutigen Israel fliehen. Erst 1956 kehrte sie zurück ins Frankenland.
Foto: Katja Glatzer-Hellmond | Aron Schuster am Grab seines Großvaters: David Schuster wurde in Bad Brückenau geboren. Im Dritten Reich musste die jüdische Familie nach Haifa im heutigen Israel fliehen. Erst 1956 kehrte sie zurück ins Frankenland.
Von unserem Redaktionsmitglied Katja Glatzer-Hellmond
 |  aktualisiert: 26.05.2010 15:34 Uhr

Sein Großvater sei ein willensstarker Mann gewesen, der für seine Visionen kämpfte, fügt er hinzu. Am heutigen Mittwoch wäre der in Bad Brückenau geborene David Schuster 100 Jahre alt geworden. In einer Gedenkveranstaltung in Würzburg waren seine Verdienste gewürdigt worden, denn David Schuster war es, der in der Nachkriegszeit die neu gebildete jüdische Gemeinde in Würzburg nachhaltig prägte.

Als Sohn von Julius Schuster erblickte er am 26. Mai 1910 in Bad Brückenau das Licht der Welt. Sein Vater betrieb ein Textil- und Schuhgeschäft sowie das damalige Hotel Central in der Unterhainstraße. Weil damals nur in größeren Städten die Möglichkeit einer höheren Schulbildung bestand, ging David Schuster als Zehnjähriger nach Würzburg auf die Oberrealschule (das heutige Röntgen-Gymnasium). Ab 1924 besuchte er die Israelitische Präparandenschule in Höchberg, die junge Leute auf den Besuch des jüdischen Lehrerseminars vorbereitete.

In dem Buch „David Schuster – Blicke auf ein fränkisch jüdisches Leben im 20. Jahrhundert“ (Stadtarchiv Würzburg) werden die Stationen seines Lebens beschrieben. Im Jahr 1926, heißt es dort, kam er zurück nach Bad Brückenau und machte im elterlichen Betrieb eine Lehre. 1930 übernahm er das Textilgeschäft.

Wie mutig sein Großvater gewesen ist, macht Aron Schuster unter anderem an einer Begebenheit 1932 fest – kurz vor der Machtergreifung der Nazis. David Schuster sei zu einer Großkundgebung Hitlers in Frankfurt gegangen, obwohl auf den Plakaten stand, „Juden haben keinen Zutritt“. Kurz darauf begegnete er einem Brückenauer, der auf der Kundgebung Hitlers Rede-Broschüren verkauft und ihn gesehen hatte. Verraten habe dieser seinen Großvater aber nicht, weiß der 25-jährige Aron Schuster. Er zeigt auf ein weiteres Grab auf dem jüdischen Friedhof, einige Meter weiter: „Hier liegt mein Urgroßvater Julius begraben.“

Leid im Konzentrationslager

Im Jahr 1937 wurden eben dieser Urgroßvater und sein 27-jähriger Sohn David nach Dachau ins Konzentrationslager gebracht, später nach Buchenwald. Beide haben versucht, sich von dem entsetzlichen Leid, das sie tagtäglich miterleben mussten, nicht unterkriegen zu lassen. Die Gestapo wollte zu dieser Zeit, dass sie ihren Brückenauer Besitz, vor allem das Hotel Central, für einen geringen Betrag verkaufen. Noch scheuten die Nazis davor zurück, jüdischen Besitz einfach so zu enteignen, heißt es in der Dokumentation zu David Schuster. Unter Druck willigten die Gefangenen ein und unterschrieben den Vertrag, doch nur mit der Klausel, dass dieser erst gültig würde, wenn die Familie ausgewandert und in Sicherheit wäre. Am 16. Dezember 1938 wurden Vater und Sohn aus dem KZ Buchenwald entlassen. „Sie hatten genau drei Tage Zeit das Land zu verlassen“, berichtet der Enkel David Schusters. Sein Großvater habe den Tag oft als seinen zweiten Geburtstag bezeichnet. Von Italien aus fuhr die Familie mit dem Schiff nach Palästina. Das Hotel Central wurde zur Brückenauer Nazi-Zentrale umfunktioniert.

Nun vergingen Jahre, in denen David Schuster in der Hafenstadt Haifa erst als Bauarbeiter, dann als Bauleiter arbeitete. Er lernte seine Frau Anita kennen, die von Schlesien nach Palästina geflohen war. 1953 heirateten sie, ein Jahr später kam Arons Vater Josef auf die Welt, der heute Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Unterfranken ist. Nach dem zweiten Weltkrieg gaben die Amerikaner den Besitz an seine Familie zurück, erzählt Aron Schuster. „Mein Großvater stand also vor der Entscheidung, ob er nach den schrecklichen Ereignissen in seine ursprüngliche Heimat zurückkehren sollte.“

1956 siedelte er sich mit seiner Familie in Würzburg an. Zwei Jahre später wurde er zum Vorsitzenden der kleinen jüdischen Gemeinde Würzburg gewählt. Vor 1933 hatten 2200 Juden in Würzburg gelebt, nach der Verfolgung im Dritten Reich waren es weniger als 200. Doch die Gemeinde wuchs unter David Schuster an, er machte sich daran, eine neue Synagoge zu errichten. Seit 1991 – nach dem Fall der Mauer – ist die Zahl der Mitglieder auf über 1000 gestiegen. Für seinen Beitrag zur christlich-jüdischen Verständigung erhielt David Schuster unter anderem das Bundesverdienstkreuz und den Bayerischen Verdienstorden. Die Juden des Freistaates Bayern repräsentierte er sechs Jahre lang im Bayerischen Senat. Auch für das Dokumentationszentrum für jüdische Geschichte und Kultur in der Valentin-Becker-Straße in Würzburg setzte er sich ein, das 2006 eingeweihte jüdische Kultur- und Gemeindezentrum Shalom Europa trägt seine Handschrift.

1999 starb David Schuster inmitten seiner Gemeinde, erzählt der Enkel. Wie an jedem Freitag hatte er am Gottesdienst teilgenommen, nichts wies auf ein gesundheitliches Leiden hin. Aron Schuster bewundert seinen Großvater: „Er war eine Kämpfernatur. Und er kam zurück nach Deutschland, weil er nicht wollte, dass die Nazis ihr Ziel erreichten, Deutschland judenfrei zu machen.“

David Schuster an einem Gedenktag 1997 im Konzentrationslager Dachau. Im Jahr 1938 waren er und sein Vater Julius Schuster im Block vier in Schutzhaft.
Foto: MP | David Schuster an einem Gedenktag 1997 im Konzentrationslager Dachau. Im Jahr 1938 waren er und sein Vater Julius Schuster im Block vier in Schutzhaft.
 
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