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Bad Kissingen
Das Wetter kam aus Kissingen
Ein Band mit Wetteraufzeichnungen erinnert an ein nur wenig bekanntes Stück Stadtgeschichte. Nach Kriegsende wurde hier ein "Zentralamt für den Wetterdienst in der US-Zone" eingerichtet, die Keimzelle des Deutschen Wetterdienstes.
Ein Exemplar der Berichte des Wetterdienstes in Bad Kissingen überreichte Fred Heidingsfelder (rechts) an Kulturreferent Peter Weidisch.       -  Ein Exemplar der Berichte des Wetterdienstes in Bad Kissingen überreichte Fred Heidingsfelder (rechts) an Kulturreferent Peter Weidisch.
Foto: Dieter Britz | Ein Exemplar der Berichte des Wetterdienstes in Bad Kissingen überreichte Fred Heidingsfelder (rechts) an Kulturreferent Peter Weidisch.
Dieter Britz
 |  aktualisiert: 20.10.2022 03:40 Uhr

Überraschenden Besuch erhielt dieser Tag der städtische Kulturreferent Peter Weidisch im Stadtarchiv: Fred Heidingsfelder aus dem kleinen Ort Reichertshofen bei Ingolstadt, der vorher noch nie in Bad Kissingen gewesen war, reiste extra an, um ihm den 463 Seiten umfassenden Band "Berichte des Deutschen Wetterdiensts in der US-Zone Nr. 42" zu übergeben. Er hatte ihn von seinem Vater, dem Regierungsdirektor und Diplom-Meteorologen Ernst Heidingsfelder, geerbt. Dieser hatte an dem Band mitgearbeitet. Dieser Band enthält, wie der Titel schon andeutet, Wetteraufzeichnungen und Fachaufsätze zum Thema Wetter. Einer der Aufsätze behandelt zum Beispiel das Thema "mittlerer Beginn der Heizperiode in Deutschland bis 1952". Der Zusatz "Knoch-Heft" auf dem Titelblatt verweist darauf, dass es sich hier um eine Festschrift zum 70. Geburtstag des Meteorologen Professor Dr. Karl Knoch (1883-1972) handelt, der von 1945 bis 1953 Abteilungsleiter am Zentralamt für den Wetterdienst in der US-Zone in Bad Kissingen gewesen war. Leiter dieser Einrichtung war Professor Dr. Ludwig Weickmann (1882-1961), eine in Fachkreisen hoch geschätzte und sehr bekannte Persönlichkeit.

Die Übergabe dieses interessanten Bandes durch Fred Heidingsfelder an Kulturreferent Peter Weidisch erinnert an ein nur noch wenig bekanntes Stück Bad Kissinger Stadtgeschichte . Schon wenige Wochen nach Kriegsende richtete die amerikanische Besatzungsmacht hier ein " Zentralamt für den Wetterdienst in der US-Zone" ein, das Jahre später zur Keimzelle des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach wurde.

Jede Zone hatte eigenen Wetterdienst

Im Deutschen Reich wurde erst 1934 ein zentraler Reichswetterdienst gegründet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges strebten die Amerikaner wieder die Einrichtung eines gemeinsamen Wetterdienstes für alle vier Besatzungszonen an, scheiterten damit aber im Alliierten Kontrollrat. Deshalb gab es dann sechs getrennte Wetterdienste , je einen in der amerikanischen, britischen und russischen Besatzungszone und sogar drei in der französischen (je einen in Baden, Württemberg und Rheinland-Pfalz).

Die Kommandozentrale der Luftwaffe des Reiches hatte sich kurz vor Ende des Krieges samt ihrem militärischen Wetterdienst im unzerstörten Bad Kissingen angesiedelt, heißt es in dem Band "1952-2002. 50 Jahre Kompetenz für Wetter und Klima", herausgegeben vom Deutschen Wetterdienst Offenbach 2002. Schon am 2. August 1945 wurde die vorhandene Bad Kissinger Wetterwarte von den Amerikanern "Wetterzentrale Bad Kissingen " genannt und allmählich zu einer Leitstelle ausgebaut. Am 3. Dezember 1946 wurde die "Körperschaft des öffentlichen Rechts deutscher Wetterdienst in der US-Zone mit Sitz in Bad Kissingen " gegründet.

Am 1. April 1952 fusionierten die Wetterdienste der West-Zonen zum Deutschen Wetterdienst ( DWD ), zunächst noch mit Sitz in Bad Kissingen . Im Februar 1953 zog die Zentralstelle des DWD zuerst nach Frankfurt und vier Jahre später nach Offenbach um, wo sie heute noch residiert. Der DWD ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr.

Namhafter Meterologe

Die Amerikaner holten im Jahr 1946 Professor Dr. Ludwig Weickmann, einen der damals namhaftesten und in Fachkreisen bekanntesten deutschen Meteorologen als Präsident ihres neuen Wetterdienstes nach Bad Kissingen . Er war schon ab 1935 kommissarischer Präsident des Reichswetterdienstes gewesen. In den Ersten Weltkrieg war er mit dem bayerischen Luftschiffer-Bataillon gezogen, 1915 bis 1918 war er Chef des türkischen Wetterdienstes . Nach dem Ersten Weltkrieg setzte er seine unterbrochene akademische Karriere an der Universität Leipzig fort und wurde dort Professor. Im Zweiten Weltkrieg war er einige Zeit daneben auch Chef-Meteorologe der Luftwaffe. 1952 ging Weickmann in den Ruhestand, blieb aber in Bad Kissingen und war weiterhin wissenschaftlich tätig. Gerade zurückgekehrt von einer Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Wetterdienstes , starb er 1961 zu Hause an den Folgen eines Schlaganfalls.

Wetterbeobachtung hat lange Tradition

Wetterbeobachtung in Bad Kissingen hat eine lange Tradition. Auf dem Dach der königlichen Realschule gab es seit dem Jahr 1879 eine bemannte Wetterstation, die Teil eines Netzes von 31 Messstellen im Freistaat war. Zuerst Lehrer, dann Kurwarte lasen die Messdaten ab und übermittelten sie an die königlich bayerische Centralstation in München. Auch nach dem Umzug des DWD nach Frankfurt blieben Meteorologen in der Stadt. Ihre Wetterstation hatten sie zunächst auf dem Gelände der Kliegl-Schule und dann bis 2004 in einem Gebäude in der Gutenbergstraße. Schließlich wurde auf einem Grundstück am Rodweg 100 im Stadtteil Hausen eine zunächst bemannte Station errichtet. Seit 1. Juli 2011 wird sie vollautomatisch und ohne Personal betrieben.

Der letzte Mitarbeiter, Peter Kramer, wurde nach Regensburg versetzt, blieb aber in Bad Kissingen wohnen. Wetterdaten aus Bad Kissingen werden unter anderem gebraucht, weil zahlreiche Fluglinien über das Gebiet der Kurstadt führen. Der Flugwetterdienst benötigt deshalb diese Daten.

 
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