
Das Programm der Jüdischen Kulturtage 2017 ist umfangreicher als je zuvor. Ein packendes Thema steht gleich bei der Eröffnung am 15. Januar an: Im Landratsamt geht es bei einer Ausstellung um den FC Bayern München, genauer gesagt um die Verfolgung von Clubmitgliedern während des Dritten Reichs. 56 von ihnen waren damals den Schikanen der Nazis ausgesetzt. 26 unter ihnen wurden ermordet oder nahmen sich das Leben.
Das Thema vertiefen am selben Abend Journalist Dirk Kämper sowie der Chef-Archivar der Allianz-Arena, Andreas Wittner, bei ihrem Vortrag über Kurt Landauer, den Mann, der den FC Bayern erfand und 1932 zur ersten Deutschen Meisterschaft führte.
2002 war Premiere
2002 veranstalteten Stadt und Landkreis zum ersten Mal Jüdische Kulturtage. Anlass war der 100. Gedenktag der Einweihung der einstigen Bad Kissinger Synagoge, die seinerzeit zu den größten in Bayern gehörte. Die Veranstaltungen kamen 2002 so gut an, dass es auch in den Jahren 2005, 2008, 2010 und 2013 wieder ein Veranstaltungsprogramm gab. Heuer stehen gleich zwei bedeutende Daten im Mittelpunkt: Zum einen das Gedenken an all die jüdischen Familien, die vor 75 Jahren aus dem Landkreis Bad Kissingen nach Polen und Theresienstadt deportiert wurden.
Andererseits soll der 20. Geburtstag der Landkreis-Partnerschaft zwischen Bad Kissingen und dem israelischen Tamar positiv gewürdigt werden.
Mehr als 40 Veranstaltungen
Was Hans-Jürgen Beck (Verfasser des Buchs „Jüdisches Leben in Bad Kissingen“) im Flyer zu den Jüdischen Kulturtagen alles zusammenstellte, kann sich sehen lassen: Mehr als 40 Lesungen, Vorträge, Konzerte und Exkursionen „wider das Vergessen“ kommen, übers Jahr verteilt, in Stadt und Landkreis zusammen. Sogar eine Fahrt nach Theresienstadt und Prag ist geplant.
Unterstützung von Stadt und Kreis
Kulturreferent Peter Weidisch und Gisela Schriek von der Stadt, sowie Stefan Seufert vom Landratsamt unterstützten Beck bei der Ausarbeitung des umfassenden Programms. Für Weidisch sind die Jüdischen Kulturtage inzwischen Institution. „Wichtig ist bei der Zusammenstellung der Veranstaltungen der Themen-Pluralismus, um das gesamte jüdische Leben greifbar zu machen“, sagt er auf Anfrage. Denn jüdische Künstler, Politiker und Wissenschaftler hätten damals wie heute ihren besonderen Beitrag zur europäischen Kultur und Gesellschaft geleistet.
Obwohl Weidisch als Kulturreferent sowieso etliche der Veranstaltungen begleiten wird, freut er sich besonders auf das Würzburger Klaviertrio, das im März und April im Kloster Wechterswinkel Werke von Weinberg, Schostakowitsch und Mendelssohn-Bartholdy hören lässt.
Giora Feidman am Dienstag
Musikalisch spannend wird?s bereits am 17. Januar, wenn Giora Feidman im Regentenbau zusammen mit anderen Musikern Beatles-Songs zum Besten gibt. Aber natürlich hat er auch seine bekannten Klezmerstücke im Repertoire. Lieder und Duette aus Operetten jüdischer Komponisten haben Radka Loudova-Remmler (Sopran), Siyabonga Maqungo (Tenor) und Robert Jacob (Klavier) am 25. Mai in ihrem Schatzkästchen.
Sowohl das Kurorchester (26. September) als auch der Bad Kissinger JuLifa-Chor (22. Oktober) klinken sich ins musikalische Programm ein. Kreisheimatpflegerin Cornelia Mence hat am 27. April israelische Tänze zum Mitmachen parat. Interessant dürfte der Abend mit Igor Dubovsky (Bass) und Holger Berndsen (Klavier) am 12. November in der Bad Brückenauer Georgi-Kurhalle sein.
Jesus der Jude
Am 9. März hat Hochschulpfarrer Burkhard Hose in Hammelburg ein Heimspiel, wenn er sich in der Stadtbibliothek mit dem „Juden Jesus“ beschäftigt. Hans-Jürgen Beck referiert am 30. März über Else Lasker-Schüler. Kaum einer weiß vermutlich, dass die große deutsche Lyrikerin mütterlicherseits Wurzeln in Bad Kissingen hat.
Führungen auf jüdischen Friedhöfen
In anderen Vorträgen beleuchtet werden zum Beispiel der jüdische Tenor Joseph Schmidt (18. Mai) und der Vater der Operette, Jacques Offenbach (19. Juli). Professor Wolfgang Benz (Berlin) nimmt sich am 11. Mai „Luthers Antijudaismus“ vor. Zudem finden das Jahr über etliche Führungen auf jüdischen Friedhöfen im Landkreis statt. Freuen darf man sich wohl auch auf einen interessanten Abend mit dem einstigen Stern-Reporter Niklas Frank, der in seinem Buch mit seinem Vater Hans Frank abrechnet. Der Generalgouverneur war 1939 bis 1945 in Polen an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligt und ging als „Schlächter von Polen“ in die NS-Geschichte ein.
Dreimal wird „Die Ermittlung“ von Peter Weiss inszeniert. In dem Theaterstück, das als szenische Lesung stattfindet, verarbeitete der Autor den Frankfurter Auschwitz-Prozess anhand von Originalaussagen überlebender Opfer und Täter.
20 Jahre Partnerschaft mit Tamar
Anlässlich 20 Jahren Landkreispartnerschaft mit Israel sind, nach Angaben des Kreis-Partnerschaftsbeauftragten Stefan Seufert, etliche Begegnungen geplant. Am 28. Januar fährt eine Bad Kissinger Delegation zum Halbmarathon ans Tote Meer. Im April fliegt eine Gruppe junger Leute aus dem kreis Bad Kissingen nach Israel. Im Gegenzug kommen Jugendliche aus Tamar am 28. Juli zu Besuch hierher. Eine Erwachsenen-Delegation ist dann im Oktober in Ein Gedi zu Gast.
Infos: www.badkissingen.de