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Bad Kissingen
Ein Verlobter auf Bestellung
Ein turbulentes Spiel von Sein und Schein steht in der Komödie „Rent a Friend“ von Folke Braband im Mittelpunkt, mit der das Tournee-Theater Thespiskarren im Bad Kissinger Kurtheater zu Gast war.
Szene aus dem Stück mit (von links) Martina Dähne (Sarah), Torsten Münchow (Karl), Caroline Beil (Juanita) und Tommaso Cacciapuoti (Gabriel).       -  Szene aus dem Stück mit (von links) Martina Dähne (Sarah), Torsten Münchow (Karl), Caroline Beil (Juanita) und Tommaso Cacciapuoti (Gabriel).
Foto: Ahnert | Szene aus dem Stück mit (von links) Martina Dähne (Sarah), Torsten Münchow (Karl), Caroline Beil (Juanita) und Tommaso Cacciapuoti (Gabriel).
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 19.04.2025 02:36 Uhr

Auf dem Dienstleistungssektor sind der Fantasie bekanntlich keine Grenzen gesetzt – denkt man zumindest. Die geschäftlich relativ erfolgreiche Immobilienmaklerin Sarah musste jetzt beim Theaterring eine andere Erfahrung machen. Sie hatte bei der Agentur „Rent a Friend“ („Miete einen Freund“) für vier Stunden einen Verlobten bestellt. Aber als es an der Tür klingelte, stand alles andere als das erwünschte George-Clooney-Double vor ihr. Das musste natürlich so sein, sonst hätte Folke Braband seine Komödie unter dem Titel nicht schreiben können. Und das wäre sehr schade gewesen.

Worum geht es? Bei Sarah hat sich ihr Vater „Big Daddy“ Karl mit seiner dritten Frau Juanita, einer ehemaligen jamaikanischen Schönheitskönigin, angemeldet. Die beiden hatten sich viele Jahre nicht mehr gesehen. Sarah hatte jeden Kontakt vermieden, weil ihr Vater sie immer mit seinen überzogenen Erwartungshaltungen unter Druck gesetzt hatte. Aber jetzt lässt es sich nicht mehr vermeiden, jetzt muss sie ihn mit irgendetwas beeindrucken. Und Sarah kommt auf die Idee, dass ein erfolgreicher Verlobter das beste Mittel sei. Und da sie keinen hat, schaltet sie die Agentur „Rent a Friend“ ein. Umso größer ist ihr Schreck, als der Mensch vor der Tür keineswegs wie ein höchst erfolgreicher Handchirurg und Witwer Mitte 50 aussieht. Sondern wie ein Mittdreißiger im Skateranzug. Gabriel, der junge Mann, ist genauso irritiert, denn er hat eine Adresse erwartet, bei der er als Spaßvogel für einen Kindergeburtstag gebucht war.

Die Agentur hatte wohl etwas verwechselt, aber das lässt sich nicht mehr ändern. Innerhalb von 23 Minuten muss Gabriel sich nicht nur seriöser anziehen (ein passender Anzug ist glücklicherweise vorhanden), sondern vor allem seine neue Rolle und vor allem seinen neuen Namen Dr. Marc Simon lernen. Das bietet bei aller Dramatik schon genügend Situationskomik und aberwitzige Dialoge.

Das ändert sich auch nicht, als Vater Karl gnadenlos pünktlich mit seiner Frau auftaucht und sich sofort zum Mittelpunkt macht und sofort Sarah wieder prüfend ausfragt – und natürlich nicht nur sie, sondern auch Marc, den Chirurgen – der immer wieder improvisieren muss. Eigentlich erstaunlich, dass Karl nicht auffällt, dass da etwas nicht stimmen kann, Aber er ist viel zu sehr mit seiner Selbstdarstellung beschäftigt, und natürlich lenkt ihn auch das spanisch-englisch-deutsche Geplapper seiner angebeteten Juanita ab.

Amüsante Gratwanderung

Diese amüsanten verbalen Gratwanderungen hätte man natürlich nahezu unbegrenzt weitertreiben können, aber Folke Braband hatte ein Einsehen. Als Gabriel beziehungsweise Marc und Juanita vorübergehend allein sind, platzt die Luftblase mit einem lauteren Knall, als man hätte erwarten können, -denn Juanita spricht Gabriel plötzlich als „Kollege“ an. Sie hat ihn natürlich durchschaut, denn auch sie ist nicht Juanita, sondern eine waschechte Berlinerin, die auch über eine Agentur an Big Daddy Karl geraten ist. Und sie erklärt ihm, dass das arrogante Großmaul total pleite ist, dass er vermutlich nicht einmal ihren dreistündigen Einsatz bezahlen kann. Als die beiden anderen wieder auftauchen, zerbröselt das ganze Lügengebilde. Als Karl merkt, das seine Posen des erfolgreichen, autoritären Unternehmers nicht mehr verfangen, ergreift er mit Juanita die Flucht. Aber Gabriel kann Sarah davon überzeugen, ihn anzurufen und zurückzuholen. Und so kommen sich Vater und Tochter wieder näher, jetzt aber auf dem Boden der Tatsachen.

Es ist ein höchst turbulentes Spiel von Sein und Schein, das Folke Braband da entwickelt und auch selbst für das Berliner Schlossparktheater inszeniert hat. Natürlich kann man sich bestens amüsieren über die zum Teil notdürftigen Improvisationen einer durch die Realität nicht gedeckten Selbstdarstellung. Aber gleichzeitig – und das gibt dem Ganzen die Würze – muss man feststellen und zugeben, dass die Neigung zur Selbstüberhöhung wohl eine allgemein menschliche ist, die einem selbst auch nicht ganz fremd ist.

Spannung bis zum Schluss

Das wird nicht zuletzt deshalb deutlich, weil das Schauspielerquartett mit Tommaso Cacciapuoti (Gabriel), Martina Dähne (Sarah), Torsten Münchow (Karl) und Caroline Beil (Juanita) seine Lügenrollen nie für selbstverständlich nahm. Sondern alle wussten, dass sie auf einem verdammt dünnen Eis unterwegs waren. Und je unsicherer beispielsweise Karl in seiner Rolle als Großkotz wurde, desto ausladender wurde auch seine Gestik. Es lag immer eine mitgespielte deutliche Nervosität über der Szenerie. Und das hohe, konzentrierte Spieltempo war auch der Absicht aller Beteiligten geschuldet, gefährliche Fragen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dem Publikum konnte es recht sein. So blieb die Spannung wirklich bis zum Schluss erhalten. Und entsprechend lang war der Applaus.

Das Online-Portal „Rent a Friend“ gibt es übrigens wirklich. Es wurde 2009 in den USA von Scott Rosenbaum gegründet für „rein platonische Freundschaftsdienste von und für Menschen aller Altersgruppen“.

 
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